Ausschreibungsunterlagen schnell und fehlerfrei digital erstellen? Die BIM-Planung verspricht auch in diesem Bereich grundlegende Verbesserungen.
Ausschreibungsunterlagen schnell und fehlerfrei digital erstellen? Die BIM-Planung verspricht auch in diesem Bereich grundlegende Verbesserungen.
Das Büro KAISER-AMM hat für die Planung von Gebäudetechnik einen BIM-Prozess implementiert, der auch den Bereich der Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung (AVA) umfasst. Mit der TGA-Planungssoftware „DDScad“ von Graphisoft Building Systems und dem AVA-Werkzeug „California“ von GW Software hat es seinen Prozess für die Planung der Elektrotechnik nun erstmalig in einem großen Wohngebäude mit 73 Wohneinheiten von den ersten Schritten bis zur Ausschreibung angewandt. Diese Situation kennen Fachplaner nur zu gut: Der Bauherr hatte diverse Änderungswünsche, das Architekturbüro benötigte etwas länger für den Entwurf – und schon bleibt für die Ausführungsplanung in Leistungsphase 5 (LPH) und die Erstellung der Leistungsverzeichnisse in LPH 6 erheblich weniger Zeit als vorgesehen. Schnell entstehen Fehler bei der manuellen Umsetzung, selbst bei akribischer Arbeitsweise. Bisher war es kaum möglich, solche Arbeiten in frühere Leistungsphasen vorzuziehen. In der Planung nach der BIM-Methode werden die vorhandenen Zeitfenster für die Elektroplanung jedoch grundlegend anders genutzt, so dass zeitlichen Engpässen vorgebeugt wird. Insgesamt verschiebt sich der Schwerpunkt der ausführlichen Gewerkeplanung, zum Beispiel der Elektrotechnik, im BIM-Prozess von LPH 5 an den Projektbeginn – in die LPH 2 und 3. Diese neue Struktur nutzt das Planungsbüro zum eigenen Vorteil.
Beim Neubau der siebengeschossigen Wohnanlage mit Tiefgarage in der Züricher Straße in Nürnberg hat KAI-SER-AMM die Planung mit einem digitalen Gebäudemodell bereits in diesen frühen Phasen erstellt und konnte so seine Bearbeitungszeiten im Projektverlauf besser einteilen. In dem Gebäudemodell sind auch die relevanten Informationen zu Bauteilen enthalten, die für Kostenschätzungen und Leistungsverzeichnisse genutzt werden.
KAISER-AMM realisiert die Planung der Elektrotechnik mit dem OPEN-BIM-Planungswerkzeug „DDScad“, die Kostenermittlung und Ausschreibung erfolgen mit „California“. Die TGA-Planer erarbeiten den digitalen Planungsentwurf, exportieren das komplette Gebäudemodell in einer IFC-Datei und importieren es in das AVA-Programm, wo ein kaufmännisches Gebäudemodell erzeugt wird. Mit den Bauteilinformationen und Mengenangaben aus dem Gebäudemodell erstellt „California“ die benötigten Ausschreibungsunterlagen automatisch nach den Vorgaben der DIN 276. „Zwei Mitarbeiter hätten nach der herkömmlichen Methode drei Wochen benötigt, um die Leistungsverzeichnisse für ein Projekt von der Größenordnung der Wohnanlage Züricher Straße zu erstellen. Mit der digitalen BIM-Planung erledigt das heute ein Mitarbeiter in 35 Minuten. Das Einlesen eines Modells dauert mit unserer IT-Ausstattung 25 Minuten, das automatische Berechnen der Leistungsverzeichnisse nimmt etwa zehn Minuten in Anspruch“, sagt Peter Kaiser, Geschäftsführer von KAISER-AMM. Durch die BIM-Planung entsteht also für die Elektroplaner eine erhebliche Zeitersparnis in LPH 6, weil das detaillierte digitale Gebäudemodell mit den für das Leistungsverzeichnis benötigten Daten bereits zuvor erarbeitet worden ist und diese nur noch exportiert werden müssen.
Planer sind verpflichtet, die in der LPH 2 und 3 erstellten Kosten- und Budgetangaben einzuhalten. In der konventionellen Planung enthält dies immer auch ein Risiko, weil zum Zeitpunkt der Kalkulation die Elektroplanung noch nicht vollständig ausgearbeitet ist und regelmäßig mit Pauschalen gearbeitet wird. In der BIM-Planung für den Neubau der Wohnanlage Züricher Straße lagen durch den hohen Detailgrad des digitalen Gebäudemodells und die intelligenten Prüfmechanismen des TGA-Planungswerkzeugs jedoch früh präzise und belastbare Daten schon für die Kostenschätzung und -berechnung vor. „Die Preise kommen aus dem DIN-Standardleistungsbuch Bau. Damit können wir Baukosten aktuell und ortsspezifisch hinterlegen”, erläutert Peter Kaiser.
Sämtliche Planungen finden deutlich vor Beginn der Ausführungsplanung und der Realisierungsphase statt. Änderungen, die sich in den frühen Planungsphasen ergeben, sind im Vergleich zu späteren Revisionen mit geringerem Aufwand für die Planer und niedrigeren Kosten für den Bauherrn verbunden. Die Anpassungen der Elektroplanung hat KAISERAMM kontinuierlich in das digitale Modell in der TGA-Planungssoftware eingepflegt. Anschließend wurde jeweils eine aktualisierte IFC-Datei des Gebäudemodells exportiert und in die AVA-Software eingelesen. So konnte das Büro mit wenig Aufwand das Raum- und Gebäudebuch stets auf dem aktuellen Stand halten. KAI-SER-AMM nutzt „DDScad“ auch, um Kosten von Ausführungsvarianten darzustellen. Dazu werden die entsprechen-den Bauteile – zum Beispiel Lichtschalter – zeitsparend mit wenigen Klicks im Modell geändert. „Diese Variantenuntersuchungen sind in der konventionellen Planung regelmäßig weggefallen, denn sie mussten manuell und sehr zeitintensiv berechnet werden. Das konnte man nicht wirtschaftlich realisieren”, weiß Peter Kaiser.
Das digitale Gebäudemodell lässt sich auch zur Kostenverfolgung und Dokumentation der Bauleistung verwenden. Laut HOAI ist der ausführende Elektro-Handwerksbetrieb dafür verantwortlich, unter bestimmten Bedingungen kann dies aber auch der Elektroplaner übernehmen. Wenn Änderungen erforderlich sind, zum Beispiel abweichende Lichtschalter oder Steckdosen in bestimmten Bereichen des Gebäudes, kann der Elektroplaner das Gebäudemodell entsprechend pflegen und sofort die angepassten Kosten ermitteln und dokumentieren. Darüber hinaus bietet die Nutzung eines dreidimensionalen Gebäudemodells eine größere Kostensicherheit als zweidimensionale Visualisierungen und Pläne. Der Bauherr erhält einen genaueren Eindruck vom Gebäude, kann den Stand der Planung dadurch besser nachverfolgen und freizeichnen. Mit dem Modul BIM2AVA für „California“ kann jedes beliebige Bauteil im kaufmännischen Gebäudemodell ausgewählt und im dreidimensionalen Gebäudemodell angezeigt werden, so dass für die Abstimmung mit dem Kunden eine hohe Transparenz erzielt wird. Auch durch diese höhere Transparenz der Planung werden nachträgliche Änderungen weniger wahrscheinlich.
Werden die Bauteilinformationen für Leistungsverzeichnisse in der konventionellen Planung manuell aus komplexen Excel-Listen zusammengesucht, lässt sich nicht verhindern, dass Fehler entstehen. Denn die Leistungsverzeichnisse erfordern eine höhere Detaildichte, als der Grundriss sie bietet, so dass Informationen verloren gehen können, Rechenfehler stattfinden oder falsche Zuordnungen erfolgen. „Im Grundriss ist ein Schalter nur ein Symbol. Aber im Leistungsverzeichnis müssen die einzelnen Bauteilinformationen des Schalters aufgeführt werden, aus denen er besteht. Bei der Wohnanlage Züricher Straße standen den 12.000 Teilen im Grundriss 20.000 Teile im Leistungsverzeichnis gegenüber. Ein Mensch könnte niemals im Blick behalten, aus welchen Komponenten ein Wechselschalter oder eine Vierfachsteckdose sich zusammensetzt, um sie dann im Leistungsverzeichnis aufzuführen. Die Planungssoftware macht das von ganz allein, listet die Steckdosen ebenso auf wie die einzelnen Bauteilkomponenten“, sagt Peter Kaiser. Werden individuelle Bauteile und zugehörige Daten benötigt, bieten sich den Nutzern Möglichkeiten zur Individualisierung: „Artikel, die uns fehlten, haben wir auf der Basis der in ‚DDScad‘ vorhandenen Bauteile und Symbole selbst erstellt. Und diese sind dann auch im IFC-Gebäudemodell enthalten. Wenn wir nun die IFC-Datei in die AVA-Software einlesen, dann kann sie die gesamten Daten nutzen, mit von uns angelegten Musterleistungsverzeichnissen gemäß Standardleistungsbuch abgleichen und das Raum- und Gebäudebuch erstellen. Mit einer Übertragungsdatei stellen wir sicher, dass ‚California‘ die neu angelegten Bauteile eindeutig zuordnet und verwendet”, beschreibt Peter Kaiser den Prozess. „Wir konnten so auch den E-Check in das digitale Modell integrieren, obwohl er ja kein Produkt, sondern eine Leistung ist. Es sollte alles im Modell enthalten sein, was auch im Leistungsverzeichnis auftauchen muss, ohne nachträglich etwas anpassen zu müssen.”
Die BIM-Planung ist keine Universallösung für Elektroplaner und Elektro-Handwerksbetriebe, aber sie bietet mit ihrer Methode wichtige Verbesserungsansätze für verschiedene Planungsbereiche. Zu ihren Stärken gehört insbesondere die Automatisierung von aufwendigen und fehleranfälligen Berechnungsprozessen. Damit bietet sie den Beteiligten ein höheres Maß an Sicherheit. Und Arbeitszeit, die an dieser Stelle gespart wird, kann an anderer Stelle in die Planung investiert werden. „Für uns war wichtig, dass wir BIM und AVA in einem Großprojekt zusammenbringen – wir hatten es ja vorher schon bei kleineren Projekten probiert und unsere Vorgehensweise ständig optimiert. Das ausführende Elektrounternehmen hat unsere Planung für die Wohnanlage Züricher Straße geprüft. Es wurde ein Fehler gefunden, und das bei 12.000 eingesetzten Bauteilen. So genau bekommt man ein Leistungsverzeichnis von Hand nicht hin. Und aufgrund unseres funktionierenden TGA-BIM-Prozesses haben wir neue Beratungsaufträge von Bauherren gewonnen. Diese Auftraggeber möchten den Stand der Planungsleistungen direkt anhand der IFC-Datei prüfen können. In Zukunft werden Bauherren schon in der Planungsphase auf das digitale Gebäudemodell in der Cloud zugreifen und beispielsweise Kosten mit wenigen Klicks einsehen können“, sagt Peter Kaiser.
Herr Kaiser, wie definieren Sie Integrale Planung persönlich?
Für mich ist Integrale Planung, wenn die Planer endlich wieder die gesamte Zeit ihr ganzes Herzblut in die eigentliche Aufgabe stecken können und Maschinen ihnen alles abnehmen, was möglich ist. Damit haben wir wieder Zeit und sichern die Qualität, indem menschliche Fehler gar nicht mehr passieren. Und Zeit ist ein wichtiger Faktor für Lebensqualität.
Sie setzen bereits in den frühen Leistungsphasen auf einen hohen Detailgrad. Gelingt Ihnen das immer? Ziehen die anderen Beteiligten konsequent mit?
Uns gelingt das, weil wir es einfach tun. Nein, die anderen Beteiligten machen nicht mit. Aber das ist ja das Schöne, damit kann man sich gerade differenzieren.
Was würde Ihrer Ansicht nach dem Meta-Thema BIM in Deutschland zum Durchbruch beziehungsweise zur flächendeckenden Anwendung verhelfen?
Dass die Auftraggeber sich der Chancen bewusst werden und es einfach tun. Denn sie bestimmen, was am Bau passiert – und nicht irgendjemand anders. Wenn sie interessante Projekte mit BIM ausschreiben, dann werden sich die guten Firmen umdrehen. Klar wird sich der Markt differenzieren. Aber woher soll es denn sonst kommen? Der Auftraggeber muss sehen, welche genialen Chancen sich daraus ergeben, zum Beispiel, dass die Bauzeit kürzer und die Kosten geringer werden. Er muss sagen, “Ich will das jetzt so”. Und dann wird er Firmen finden, die es machen und planen.
Der Fachkräftemangel am Bau ist permanent präsent, nicht nur im ausführenden Handwerk, sondern auch bei den Kopfwerkern, den Planern. Wie begegnen Sie dieser Herausforderung?
Genau durch dieses Digitalisierungsmerkmal. Wenn wir statt zweimal drei Wochen für ein Leistungsverzeichnis nur 35 Minuten brauchen, dann habe ich Arbeitskräfte frei für andere Aufgaben.
Freitag, 08.07.2022