Der wirtschaftliche und terminliche Druck bei Bauvorhaben ist hoch. Über sämtliche Aufgaben und Leistungsphasen hinweg sehen Experten deshalb Chancen in der digitalen Planung, wie sie das Building Information Modeling (BIM) erlaubt.
Der wirtschaftliche und terminliche Druck bei Bauvorhaben ist hoch. Über sämtliche Aufgaben und Leistungsphasen hinweg sehen Experten deshalb Chancen in der digitalen Planung, wie sie das Building Information Modeling (BIM) erlaubt.
Die Methode basiert auf abgestimmten durchgängigen Prozessen, definierten Informationsübergaben, unterstützt durch objektorientierte, digitale 3D-Modelle, die die Baubeteiligten mittels eines Referenzmodells koordinieren können. Für den Erfolg ist entscheidend, hierfür Vereinbarungen und Standards als gemeinsame Spielregeln zu schaffen.
Alle relevanten Gebäudedaten werden – soweit möglich und sinnvoll – mit Hilfe bauspezifischer Softwarelösungen digital erfasst und verknüpft. Die Regeln zu deren Interaktion betreffen sowohl Verfahrensabläufe und grundsätzliche Prozesse als auch das Beseitigen von rechtlichen Unklarheiten, das Weiterentwickeln der unterstützenden Datenformate und IT-Werkzeuge sowie das Einbringen dieses Know-hows in die Aus- und Weiterbildung. Deutschland soll damit in absehbarer Zeit auch zu Vorreitern wie Großbritannien, den Niederlanden und Dänemark aufschließen.
Bauwerke werden technisch komplexer. Gleichzeitig wird die zur Verfügung stehende IT leistungsfähiger. BIM bildet angewendete Verfahren und Prozesse digital ab. Mit ihnen lassen sich Qualitäts-, Kosten- und Terminrisiken von Bauprojekten reduzieren. Beim Einsatz von BIM wird hierfür zuerst ein digitales Modell des Projekts erstellt.
Es simuliert jede Leistungsphase – vom Entwurf bis zur Umsetzung. Dazu gehören auch Ressourcen-, Termin- und Kostenplanungen für jedes Gewerk. Sämtliche Daten sind im objektorientierten Modell ganzheitlich miteinander verknüpft. Idealerweise beginnt die Realisierung vor Ort erst, wenn alle Prozesse modelliert und aufeinander abgestimmt sind. Der Einsatz von BIM umfasst damit sowohl den Themenbereich der geeigneten Planungssoftware als auch die Koordination der Zusammenarbeit aller am Bau beteiligten Partner.
Für integrierte Prozesse sowie einen freien Austausch von Waren und Dienstleistungen sind Standardisierungen wichtig. So beruht der europäische Binnenmarkt in hohem Maße auf der Existenz Europäischer Normen. Dabei streben sowohl die europäischen Normungsgremien als auch die Europäische Kommission an, internationale Normen zu Grunde zu legen und diese vorzugsweise unverändert als Europäische Normen zu übernehmen. Sie müssen später wiederum in die nationalen Normungswerke überführt werden – abweichende nationale Normen werden zurückgezogen.
Dabei soll die Entwicklung weltweit gültiger Standardisierungen vorangetrieben werden. Die Institutionen, die entsprechende Richtlinien festlegen, sind die Internationale Normungsorganisation (ISO), das Europäische Komitee für Normung (CEN) sowie nationale Organisationen wie DIN – Deutsches Institut für Normung e.V. und VDI – Verein Deutscher Ingenieure.
Die heute noch gültige "Wiener Vereinbarung" von 1991 hat zum Ziel, die Normungsarbeit möglichst nur auf einer Ebene durchzuführen. Die Zusammenarbeit und geeignete Abstimmungsverfahren tragen dazu bei, eine Norm gleichzeitig als international als auch als europäisch anerkannte Regelung zu implementieren. Üblicherweise erarbeitet die federführende Institution einen ersten Entwurf und nach Abstimmung mit der anderen Ebene einen Schlussentwurf. Dieser wird entweder angenommen und veröffentlicht oder muss weiter bearbeitet werden.
Bei den Themenfeldern rund um BIM beschreibt die ISO 29481-1:2016 "Virtuelle Gebäudemodelle (BIM) – Teil 1: Methodik und Format" die Prozesse:
"Information Delivery Manual" (IDM) ist eine Methodik zur Beschreibung von BIM-Prozessen sowie dem erforderlichen Informationsaustausch zwischen Prozessschritten. Die ISO 16739:2013 mit dem primären Datenmodell "Industry Foundation Classes" (IFC) deckt den Datenaustausch in der Hochbau-Bauindustrie der Gebäudetechnik sowie des Betriebs ab, demnächst auch in der Infrastruktur.
Eine Methode zur Verwaltung der Begriffe von Bauteilen definiert die ISO 12006-3:2007 zur Struktur für den objektorientierten Informationsaustausch im Bauwesen. Dabei ist zu beachten, dass IDM den Bedarf des Informationsaustausches vorgibt (wer benötigt wann, was, warum) und MVDs (Model View Definitions) das technisch auf den Datenaustausch mit IFC abbilden. "buildingSMART" (bS) bietet eine Zertifizierung an, die die korrekte Umsetzung der MVDs in den IFC-Schnittstellen der BIM-Softwaresysteme prüft.
Oben genannte ISO 12006-3:2007 standardisiert das von bS entwickelte IFD "International Framework for Dictionaries": IFD gibt die Struktur und Methoden für eine multilinguale Datensammlung von Begriffen für einzelne Gebäudeelemente vor.
Dafür beinhaltet sie Merkmale für typische Einbauten, wie Türen, in verschiedenen Sprachen. Das "buildingSMART Data Dictionary" ist eine offene BIM-Implementierung des IFDs. Sie soll die Kommunikation zwischen Planern und Herstellern vereinheitlichen und durch klare Zuordnungen erleichtern, so dass zum Beispiel passende Bauprodukte leicht gefunden und verkauft werden können.
Auf nationaler Ebene kümmert sich der VDI-Koordinierungskreis BIM interdisziplinär – mit den VDI-Fachbereichen Bautechnik, Architektur, Technische Gebäudeausrüstung und Facility Management – um die Standardisierung und Implementierung von BIM unter Beachtung der Gegebenheiten in Deutschland.
Die Richtlinienreihe VDI 2552 stellt einerseits die nationale Umsetzung der internationalen Standardisierungsaktivitäten zu BIM dar, andererseits werden BIM-Richtlinien erarbeitet, die international nicht vorhanden sind, aber für die Belange der deutschen Strukturen und Baukultur von Bedeutung sind.
Der entsprechende VDI-Koordinierungskreis hat – in Zusammenarbeit mit dem für die Abstimmung der deutschen Aktivitäten in den internationalen Standardisierungsgremien zuständigen DIN-Ausschuss – eine Übersicht zu den nationalen und internationalen Ausschüssen erarbeitet. Ziel ist, die Inhalte so abzustimmen, dass ein widerspruchsfreies Normenwerk entsteht. Deshalb gibt es personelle Überschneidungen in den auf unterschiedlichen Ebenen und in den zum Teil parallel arbeitenden Gremien.
Die VDI-Richtlinien zu BIM sind ein wichtiger Faktor dafür, dass Ausschreibung, Planung, Bau und Btrieb von Bauwerken auf einer normativen Grundlage durchgeführt werden können. Zunächst muss ein Abgleich von Soll-/Ist-Werten zwischen den verschiedenen Planungs- und Bau-Beteiligten objektiv messbar sein. Die Richtlinienreihe VDI 2552 bietet in ihrem im Januar 2017 veröffentlichten Blatt 3 "Building Information Modeling – Mengen und Controlling" einen solchen Einstieg.
Sie beschreibt die Anwendung von Bauwerksinformationsmodellen zum Abgleich von Leistungsmengen und Controlling-Strukturen in den Bereichen Kostenermittlung, Terminplanung, Ausschreibung und Vergabe, Ausführung und Abrechnung unter Berücksichtigung der Projektphasen von der Entwicklung bis zur Fertigstellung.
Grundlage ist hierfür ein gemeinsames Verständnis der BIM-Daten mit dem Fokus auf die zur Zielerreichung und deren Messung erforderlichen Mengengerüste. Die neue VDI-Richtlinie will so sämtlichen Projektbeteiligten eine praktische Hilfe sein, wenn es um digitale Prozesse für das budget- und terminsichere Errichten und Betreiben von Bauten geht.
Seit 2015 widmet sich der VDI – als nationale Regelsetzungsstelle – dem Erarbeiten von anerkannten Regeln der Technik zum Thema BIM. Die VDI-Richtlinienreihe 2552 setzt sich aus neun Blättern zusammen, deren Inhalte aktuell entwickelt werden:
Darüber hinaus gibt es noch drei weitere VDI-Richtlinien, die Bezug auf BIM nehmen. In der VDI 3805 wird der Produktdatenaustausch in der Technischen Gebäudeausrüstung thematisiert. Die VDI 6027 beschreibt Anforderungen an den Datenaustausch von CAD-Systemen und die VDI 6201 setzt sich mit der softwaregestützten Tragwerksberechnung auseinander.
Es bleibt noch viel zu tun: Mit heutigem Stand sind im VDI Handbuch über die Richtlinienreihe 2552 zwar die Grundlagen zum Aufbau, den Prozessen und der Integration von BIM erfasst. Zukünftig gilt es aber, das Ganze zu verfeinern und in der Praxis zu implementieren – zum Beispiel zu den Methoden des Datenmanagements, zu Analysen und Berichten, zu Standards für besondere Belange sowie zu (regelmäßigen) Überprüfungen.
Weiterhin spielen nationale und internationale Übereinkünfte eine Rolle. In Deutschland müssen dafür der vom DIN betreute Nationale BIM-Spiegel und der vom VDI entwickelte Nationale BIM-Standard in Einklang gebracht werden. Auf internationaler Ebene sind die Anforderungen des CEN und der ISO, konkret der ISO 19650 für BIM-basiertes Informationsmanagement, einzubeziehen. Zu ihr soll es nach dem Stufenplan "Digitales Planen und Bauen" des Bundesministeriums für Ver-kehr und digitale Infrastruktur ein abgestimmtes Meinungsbild geben. Ziel ist, BIM über den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie hinweg konsequent einzusetzen.
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Ein modernes Gebäude verlangt über seinen Lebenszyklus hinweg ein optimales Zusammenspiel der Beteiligten und Komponenten. Das volle Potenzial kann aber erst ausgeschöpft werden, wenn alle Systeme vom Planungs- und Herstellungsprozess an miteinander interagieren. Damit dies mittels BIM gelingt, geht der Trend zu einer herstellerübergreifenden Kompatibilität der Soft- und Hardware. Dafür sind international standardisierte/normenkonforme Schnittstellen nötig, so dass eine IT-gestützte Infrastruktur für die Kommunikation möglich ist. Sie muss dabei durchgängig und sicher funktionieren.
Bislang arbeiten die verschiedenen, digitalen Planungssysteme häufig noch weitgehend autark und nutzen kaum gemeinsame Dienste und Standards. Deshalb gilt es, zukünftig auf eine offene, auf IT-Standards basierte Architektur zu setzen. Damit wird auch eine Einbindung in das "Internet der Dinge" möglich. Für diesen neuen Ansatz müssen bestimmte Rahmenbedingungen für Hersteller und Nutzer definiert und spezifiziert werden.
Intelligente Datenmodelle eröffnen die Chance, die Effizienz und Produktivität bei der Realisierung von Bauten projektspezifisch zu steigern. Zudem kann mit ihnen eine integrierte Prozesskette – von der ersten Idee bis hin zum kompletten Lebenszyklus – angestoßen werden.
Hierfür dürfte sich ihr Einsatz zukünftig vor allem auf zwei Felder konzentrieren: Zum einen auf die Wahl der geeigneten Planungssoftware. Zum anderen darauf, eine ganzheitliche Planung, Steuerung, Dokumentation und Umsetzung in der Praxis zu etablieren. Dies erfordert neue, objektorientierte Arbeits-, Denk- und Kommunikationsweisen, die Planer, Auftraggeber, Baufirmen, Nutzer und Betreiber zum Großteil erst lernen müssen.
Damit alles von der technischen Seite her funktionieren kann, können übergeordnete Management-Tools unterstützen. Ihre Aufgabe wäre, möglichst viele der heute eingesetzten Software-Tools interoperabel einzubinden. So könnte die Verwaltung der Daten und die Überwachung der Prozesse zukünftig reibungsfreier gelingen.
Unstrittig ist, dass BIM sämtliche Prozesse rund um Planung, Bau und Betrieb von Gebäuden grundlegend verändern wird: Die verschiedenen Gewerke müssen im Sinne einer integralen Planung früher und enger zusammenarbeiten.
Auch Auftraggeber werden BIM häufiger einfordern. So will zum Beispiel die Deutsche Bahn über ihre DB Station & Service AG bereits ab 2017 viele Projekte mit BIM planen (lassen), das Bundesverkehrsministerium will dies ab 2020 tun.
Jeder ist inzwischen gewohnt, überall sein Smartphone einzuschalten und erreichbar zu sein. Ohne hohe Standardisierung und Interoperabilität wäre dies nicht möglich. Auch die Standardisierung der digitalen Methoden bei Bauvorhaben wird in naher Zukunft stark zunehmen.
Um die dazugehörigen Regeln zu entwickeln und zu etablieren, hat der VDI-Koordinierungskreis BIM vier Handlungsfelder identifiziert:
Zuerst geht es darum, die Menschen für diesen integralen Ansatz zu gewinnen, der ihnen auch neue Gestaltungschancen und eine schnellere Kommunikation eröffnet. Zum anderen muss die Technik offen und erweiterungsfähig ausgelegt sein. Darüber hinaus sind sowohl Prozesse als auch Rahmenbedingungen zu schaffen, die BIM innerhalb des von der Regierung avisierten Zeitplans erfolgreich in die Praxis übertragen. Zur Zeit arbeiten über 80 ehrenamtliche Experten im VDI-Koordinierungskreis BIM. Weitere Mitstreiter sind willkommen.
Dienstag, 25.07.2017