Der Badprozess

Prozessmanagement im Komplettbadbau

Die Komplexität der heutigen Bauausführung, den vielfältigen Wünschen der Kunden, den fast unübersichtlichen Vorschriften und Gesetzen und nicht zuletzt den Erfordernissen von Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung geschuldet, macht selbst vor dem privaten Bad nicht mehr halt. Auch wenn die Anforderungen hier bei weitem nicht mit denen einer komplexen Gebäudeerstellung vergleichbar sind, die Grundsätze integraler Planung finden auch im Komplettbad immer mehr Anwendung.

Vorab zum Begriff der „Integralen Planung“: Dieser steht im Baubereich für einen ganzheitlichen Ansatz zur Planung, in erster Linie von Gebäuden. Ganzheitlich, da die integrale Planung die gleichzeitige Mitwirkung aller am Planungsprozess beteiligten Fachdisziplinen und Interessengruppen verlangt. Die frühzeitige Einbeziehung aller notwendigen Experten im Planungsteam und deren gleichzeitige und abgestimmte Bearbeitung der Planungsaufgabe sind somit das zentrale Element. Ihre Einbindung, schon in der konzeptionellen Phase, ist von größter Wichtigkeit, da diese Planungsphase für die bestmögliche Gestaltung des Lebenszyklus des Gebäudes ausschlag­gebend ist. Was für ein ganzes Gebäude gilt, gilt auch für das Bad – auch hier kommt es zu einem Zusammentreffen verschiedener Gewerke (Installateur, Stuckateur, Fliesenleger, Elektriker, Trockenbauer etc.) und Interessengruppen (Kunden, Handel, Hersteller). Und auch hier sichern nur die frühzeitige Einbindung und die Abstimmung aller Gewerke in einem „Bad-Prozessmanagement“ den reibungslosen Komplettbadbau.

Das Bad als Prozess verstehen

Geschäftsprozesse finden sich in der beruflichen Praxis überall – ohne dass wir dies immer merken. Das ist im Badbereich nicht anders, da der Weg hin zum Komplettbad aus einer Folge vieler Geschäftsprozesse besteht, über die sich häufig in der Branche zu wenig Gedanken gemacht wird und die bisher auch nur sehr unsystematisch erfasst wurden. Bereits anlässlich des VDS-Badforums 2010 stellte die VDS die zusammen mit Porsche Consulting erarbeitete Bestandsaufnahme der Badprozesse und ihre typische Zeitdauer vor. Bereits damals zeichnete sich ab, dass der Prozess nicht nur von zahlreichen Herausforderungen, sondern auch von zahlreichen Verbesserungspotentialen gekennzeichnet ist. Insbesondere die Schnittstellen zwischen den Vertriebsstufen und den Gewerken besser zu managen und dem Kunden EINEN Ansprechpartner für den gesamten Badprozess zur Verfügung zu stellen, erwiesen sich als Schlüsselempfehlungen. Folgerichtig hat die VDS deshalb im Rahmen ihrer „Bad-Akademie“ mit der Weiterbildung zum „Bad-Manager“ diese Funktion in den Mittelpunkt der Weiterbildung gestellt - www.bad-akademie.de

Im Folgenden wollen wir uns beim Prozessmanagement auf den Teil der Prozesse konzentrieren, die sich im Handwerk beim Bad insbesondere im Kundenkontakt ergeben. Vor- und nachgeschaltet bzw. gleichgeschaltet, sind natürlich die Geschäftsprozesse auf Hersteller- und Handelsseite. Unter Geschäftsprozessen verstehen wir dabei gemäß der Definition in der Wissenschaft einen Geschäftsprozess, der aus funktions- und organisationsübergreifenden Prozessen wertschöpfender Aktivitäten besteht, die von Kunden erwartete Leistung erzeugen und die aus der Strategie abgeleitete Ziele umsetzen.

Der Badprozess besteht damit aus:

Die wertschöpfenden Aktivitäten lassen sich wiederum in vier Unterprozesse unterteilen:

  1. Verkaufsprozess
  2. Arbeitsvorbereitungsprozess
  3. Ausführungsprozess
  4. Verwaltungsprozess

Bevor man in die einzelnen Prozesse tiefer einsteigt, sollte Einigkeit darüber bestehen, dass diese je nach Auftragsumfang und Budgetgröße sehr unterschiedlich ablaufen.

Sowohl, was die Inhalte betrifft, vor allem aber auch was den dafür notwendigen Zeitbedarf betrifft! Zur Vereinfachung soll deshalb zwischen folgenden drei Komplettbad-Typen unterschieden werden:

Typ 1: Standardisierte Badumbauten, gerade im Mietbereich, mit geringem Aufwand bei Vertrieb, Arbeitsvorbereitung und Abrechnung und ohne den Bedarf integrierter Planung.

Typ 2: Das „Brot und Butter“-Geschäft des Bäderbauers, Integration zumindest in Teilbereichen.

Typ 3: Komplettbad inklusive der Einbindung fremder Gewerke mit deshalb notwendig integriertem Planungsansatz.

Die Dauer der einzelnen Prozesse kann dabei aus der unternehmerischen Praxis in folgender Tabelle zusammengefasst werden, bei der es sich natürlich nur um Durchschnittswerte handelt, die je nach individuellem Badumbau sehr unterschiedlich ausfallen können.

Der erste Kundenkontakt

Ziel des Prozessmanagements ist es, die Durchlaufzeiten bei ­allen Bad-Typen durch eine klare Analyse und Strukturierung der Geschäftsprozesse zu verbessern. Gliedert man diesen Prozess, so besteht die Prozesskette aus mindestens drei Kundenkontakten:

  1. Erstkontakt im Geschäft oder am Telefon.
  2. Aufmaßtermin beim Kunden.
  3. Persönliche Unterbreitung von Vorschlägen und einer Kalkulation.

Im Kundenkontakt 1 werden bereits die Weichen für einen weiteren Erfolg gestellt. Der Erstkontakt umfasst all die emotionalen Beziehungen zwischen Kunde und Verkäufer, wie in jedem anderen Geschäft auch.

Ganz entscheidend dabei ist die emotionale Ansprache der Kundengruppen, zum Teil auch geschlechtsspezifisch. Der Kundenkontakt 1 dient somit dazu, bereits grob die Richtung des Kunden zu erkennen und Preis­vorstellungen und Budgetsituationen zu ermitteln.

Im Kundenkontakt 1 soll in erster Linie Lust auf das Bad gemacht werden. „Schnell, unkompliziert und ohne Stress zum Traumbad“, das ist das Ziel des Kunden – und damit auch das Ziel der Badberatung und des ersten Kundenkontakts!

Immer in Erwägung muss dabei beim Badverkäufer sein, ­bereits frühzeitig Kunden zu selektieren, um Zeit und Kosten für unnötige Badplanungen zu vermeiden. Bereits hier zeigt sich, ob der Kunde den vorgezeigten Weg mitgehen möchte und sich überhaupt ein Vertrauensverhältnis zwischen Badverkäufer und Kunden ergeben kann.

Kundenkontakt 2 – der Aufmaßtermin

Der Kundenkontakt 2 sollte zeitmäßig deutlich länger dauern und sinnvollerweise aus dem konkreten Aufmaßtermin be­stehen. Nur mit der Begutachtung des tatsächlichen Baukörpers können Art und Umfang des Bauvorhabens realistisch eingeschätzt und erst auf dieser Grundlage eine realistische Planung erstellt werden. Dabei geht es um die Kalkulation der – häufig kostenintensiven! – technischen Kriterien, wie Aufstemm- und Unterputzarbeiten, Erneuerung der Installa­tion, eventuell vorhandene Rollläden etc. Im Gespräch mit dem Kunden kann zumindest auch hier eine erste grobe Festlegung der ästhetischen Kriterien erfolgen, die ebenfalls Einfluss auf die weitere Badplanung und das Gesamtbudget haben.

Ziel ist möglichst rasch, d.h. im Schnitt nach 1,5 Stunden, den Auftrag zu sichern. Je genauer das Aufmaß und die Klärung der technischen Kriterien, desto eher und präziser ist eine sofortige Kalkulation möglich, die Bäderbauer und Kunden erste Preis­sicherheit bietet. Bereits jetzt sind ebenfalls erste ästhetische Kriterien zu klären, wie Designsprache, Möblierung, Farbe etc. Auch die Budgethöhe insgesamt sollte hier mit dem Kunden geklärt werden. Bewährt in der betrieblichen Praxis hat sich dabei eine „Clusterung“ bzw. Typisierung von Bädern nach verschiedenen Standards, z.B. ein „Goldstandard“ inklusive allen Extras und besonderer Materialien, ein reduzierter „Silberstandard“ im gehobenen, aber nicht Luxussegment, und ein „Bronzestandard“ mit weniger aufwändigen Materialien und weniger aufwändiger Beratung.

Der Kundenkontakt 2 enthält somit mindestens sechs prozessrelevante Aufgaben, von denen die beiden ersten außerdem eine sehr hohe Preisrelevanz haben:

  1. Das exakte Aufnehmen der technischen Maße des Badezimmers.
  2. Eine Bestandsaufnahme des Badezimmers sowie eine Sammlung zusätzlicher Informationen über die potentielle Baustelle, z. B. alte Wasserrohre, defekte Elektrokabel, Rollläden etc.
  3. Das Gespräch mit dem Kunden, um die Wahrscheinlichkeit für die Auftragserteilung zu steigern oder eventuell bereits in dieser Phase den Auftrag abschließen zu können.
  4. Die Kundenwünsche wortgenau zu erfassen.
  5. Die Kundenbedürfnisse (sind nicht gleich der Wünsche, auch Dinge, an die der Kunde noch nicht gedacht hat, z.B. altersgerechte Nutzung u.ä.) zu erkennen und zu notieren.
  6. Wissen und aufschreiben, was der Kunde auf gar keinen Fall haben will!

Erfahrungen belegen, dass ein falsches Aufmaß für rund 80 Prozent aller Kalkulationsfehler verantwortlich ist! Um diese Gefahr und das damit hohe Kostenrisiko weitgehend zu bannen, bedarf es deshalb eines „Renovierungsaufnahmeblatts“, das idealerweise alle Informationen umfasst und vor Ort aus­gefüllt wird.

Aufnahmeblatt, Aufmaßplan, Formblätter, Notizen o.ä. ­dienen am Ende dazu:

  1. Der Zusammenstellung der notwendigen Arbeiten.
  2. Dem Kunden eine Vorstellung der notwendigen Arbeiten und damit auch der Kosten zu geben.
  3. Dem Kunden die Möglichkeit zu geben, in der für ihn vorgesehenen Spalte des Blattes die aufgezählten Arbeiten noch einmal durchzudenken.
  4. Dem Kunden für die Vergleichbarkeit mit Konkurrenz­angeboten einen Maßstab an die Hand zu geben.
  5. Mit dem Kunden das Budget anhand der einzelnen Punkte durchzusprechen.
  6. Für alle Bauverantwortlichen (inkl. Folgehandwerker und Handel!) verbindliche und einheitliche Baudokumente zu haben.

Kundenkontakt 3 – Die Präsentation

Zum Kundenkontakt 3 kommt es, wenn das Ergebnis der beiden vorangegangen Kontakte, die Planung und die Kalkulation, dem Kunden abschließend vorgelegt werden kann. Jetzt erfolgt die Kür, nämlich die Präsentation der aufgrund des Aufmaßes und der Besprechungen erstellten Vorschläge für den Bad­umbau.

Erst dann, wenn eine Zusage in Form eines festen Vertrages für den Badbau oder zumindest ein gesonderter Planungsvertrag erfolgt, darf in die Detailbemusterung eingetreten werden.

Das kann einen weiteren Termin nötig machen, bei dem eventuell auch erst jetzt eine 3D-Planung vorgelegt wird. Die Detailbemusterung, ob bereits im Kundenkontakt 3 oder einem weiteren Kundenkontakt, steht für die Detailbemusterung in der Ausstellung und der jetzt ganz konkreten Produktauswahl für die Badmodernisierung.

Arbeitsvorbereitung

Im Prozessschritt „Arbeitsvorbereitung“ geht es um die Aus­fertigungsplanung, die Materialbestellung mit Maßzeichnung und Lieferzeiten, die Beauftragung der Folgehandwerker, die Abklärung der Baustellentermine mit den Folgehandwerkern und die Erstellung eines verbindlichen Terminplans für alle Prozessbeteiligten. Es empfiehlt sich die Anlage eines Baustellenordners („In Haus-Ordner“), der alle Prozessschritte beinhaltet und über den gesamten Prozess gepflegt werden muss.

Ebenfalls empfiehlt sich, diesen Bauplan auch allen beteiligten Folgehandwerkern und Großhandelsmitarbeitern zur Ver­fügung zu stellen. Das unabdingbare Ineinandergreifen der Gewerke wird so auch optisch allen Beteiligten deutlich gemacht und die Verantwortlichkeiten klar aufgezeigt.

Bauleitung und Übergabe des Bades

Im Prozessschritt der Bauleitung geht es im Wesentlichen um die Einhaltung des Termin- und Budgetplans. Die Praxis erfordert häufig schnelle Reaktion seitens der Bauleitung; gerade hier ist die ständige Kommunikation mit dem Kunden nötig, um Missverständnisse und Missstimmungen zu ver­meiden.

Ein erhebliches Zeit- und Kosteneinsparungspotential wird dabei immer mehr der (industriellen) Vorfertigung des ­Bades zukommen. Dabei werden wesentliche Installations- und Wandmontagen bereits im Betrieb vormontiert und können dann komplett an die Baustelle geliefert und montiert werden. Die baurelevanten Prozessschritte lauten dann im Bad:

  1. Aufmaß
  2. Entwurfsplanung
  3. Gestaltungsplanung inkl. Lichtplanung
  4. Ausführungsplanung: a. Technische Planung/Rohrnetzberechnung b. Vorplanung c. Fertigungsplanung in CAD.

Darauf folgen die Arbeitsschritte bei der Vorfertigung, dazu gehören:

Die Mehrwerte einer Vorfertigung im Badprozess liegen:

Ebenfalls Element der Bauleitung ist natürlich die Übergabe des fertigen Bades an den Kunden. Der Kunde hat einen Anspruch auf einen Abnahmeordner mit allen Unterlagen, im Anwendungsbereich der Trinkwasserverordnung ist ebenfalls eine fachliche Inbetriebnahme Vorschrift.

Gerade ein modernes Bad mit seinen zum Teil hochtech­nisierten Produkten bedarf zudem einer Einweisung des Kunden.

Zum Prozessschritt Verwaltung und Abrechnung gehört dann die Prüfung der Eingangsrechnungen, etwaige Abschlagszahlungen und die Dokumentation im Baustellen-Ordner. Ebenfalls gehören dazu Reporte von der Baustelle und die Erstellung der Abnahmeunterlagen, sowie die Abnahme beim Kunden. Schließlich die Erstellung der Schlussrechnung und evtl. Nachfolgeaufträge.

Fazit

Der Gedanke der integrierten Planung sollte, wenn auch häufig nicht als solcher explizit bezeichnet, im Komplettbadbau (noch mehr) Standard werden. Auch wenn die Betroffenheit im ausführenden Handwerk von den Anforderungen, z.B. eines Building Information Modeling (BIM), der optimierten Planung, Ausführung und Bewirtschaftung von Gebäuden mit Hilfe von Software noch nicht sehr hoch ist – auch im „normalen“ Komplettbadprozess hilft die planerische Vernetzung aller Planungsbeteiligten, insbesondere bei der zunehmend industriellen Vorfertigung.

Das planende Handwerk empfiehlt sich damit auch als Planungspartner für Architekten in Bauvorhaben, in denen zum Beispiel keine Fachplaner und -ingenieure diesen Part übernehmen.

Die Optimierung und integrierte Planung des Badprozesses bringt für den Betrieb erhebliche Zeitersparnis und Kosteneinsparung.

Die frühzeitige Selektion der Kunden, das schnelle „Festzurren“ der Eckpunkte der Badplanung und die prozess­orientierte Umsetzung erleichtern den Bad(um-)bau und die Einbindung der anderen Beteiligten, wie Industrie, Großhandel und Folgegewerke.

Weiterführende Informationen: http://www.bad-akademie.de

Montag, 03.10.2016