Abwasseraufbereitung ist eine energieintensive Angelegenheit - aber was bedeutet das genau?
Abwasser zu Biogas für die Strom-Wärme-Erzeugung
Abwasseraufbereitung ist eine energieintensive Angelegenheit - aber was bedeutet das genau?
Inzwischen dienen mit Faulgas betriebene Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen (KWK-Anlagen) bei größeren Klärwerken beinahe schon standardmäßig zur preiswerten Eigenstromerzeugung. Doch auch bei kleineren Klärwerken rentiert sich die Nachrüstung. Welche Eckdaten gelten für eine Kalkulation und warum profitiert die Umwelt doppelt und dreifach? Das folgende Einsatzbeispiel „Bergatreute“ gibt Antworten.
Kläranlagen gehören mit durchschnittlich 17 bis 20 Prozent Anteil zu den größten Stromverbrauchern im kommunalen Bereich. Die Abwasseraufbereitung der Klasse bis etwa 10.000 Einwohner erfordert laut Umweltbundesamt im Mittel 55 kWh je Einwohner und Jahr. Energetisch modernisierte Einrichtungen begnügen sich zwar im Einzelfall mit 20 kWh, doch befindet sich die Masse der rund 10.000 kommunalen Klärwerke im sanierungswürdigen Zustand. Ein „Repowering“ täte mithin sowohl der Umwelt als auch der Stadtkasse gut. Dem zweiten Profiteur deshalb, weil die Stromversorger der Öffentlichen Hand keinen attraktiven Sondertarif einräumen. Die Betreiber zahlen zwischen 22 und 27 Cent für die Kilowattstunde Elektrizität. Das heißt, für eine Gemeinde mit 5.000 Einwohnern fallen auf Basis dieser Angaben jährlich etwa 70.000 Euro Stromkosten nur für die Reinigung des Schmutzwassers aus der Kanalisation an. Die Luft belasten die 275.000 kWh, bei einem Emissionsfaktor von 350 g CO2 pro 1 kWh für den aktuellen Strommix aus fossilen und erneuerbaren Energieträgern, mit ungefähr 100 t Kohlendioxid. Die Faulgas-Verfeuerung entlastet davon, da der Brennstoff aus dem natürlichen CO2-Kreislauf stammt.
Nun trat zum 1. Januar 2022 eine novellierte Fassung der Kommunalrichtlinie in Kraft. Mit der Verfügung unter-stützt das Bundesumweltministerium Kommunen darin, Treibhausgasemissionen nachhaltig zu senken. Die Richtlinie finanziert Umweltmaßnahmen aus Mitteln der Nationalen Klimaschutzinitiative (NKI), die als Adressaten eben Städte und Gemeinden, ferner bestimmte Einrichtungen der Wirtschaft wie auch Schulen und Bildungseinrichtungen hat. Ein Schwerpunkt der Förderung liegt auf einem energetischen Upgrade der technischen Infrastruktur der Abwasserbewirtschaftung. Die Merkblätter des NKI gehen gezielt auf diesen Bereich ein. Als eine der Empfehlungen bietet sich die Installation von hocheffizienten kleinen KWK-Anlagen an.
Die stehen indes nicht nur in der Gunst der Klimaschutzinitiative. Ebenfalls KWKG und EEG unterstützen die Klärwerksbetreiber. Oder auch die Bundesförderung für Energie- und Ressourceneffizienz in der Wirtschaft. Das letzte Programm erwähnt ausdrücklich KWK-Anlagen auf Basis erneuerbarer Energien. Der Zuschuss kann bis 50 Prozent betragen und die Kredithöhe bis 100 Prozent der förderfähigen Investitionskosten. Angesichts der Vielfalt der Fördermöglichkeiten stellt sich die Frage: Welches Programm oder welche Programmkombination gewährt für den individuellen Fall die höchste Beihilfe? Planern und Investoren, die sich schwertun, die Angebote zu bewerten, steht das Internet mit einer Auswahl von Fördermittelberatern zur Seite. !PAGEBREAK()PAGEBREAK!
Aus Klärschlamm ausgefaultes Biogas zwingt sich als Ersatz für Erdgas und Heizöl zur Wärmeversorgung und nach Umwandlung in Elektrizität als Ersatz für fossilhaltigen öffentlichen Strom förmlich auf. Zum Einsatz von Faulgas in KWK liegen mittlerweile genügend Erfahrungsberichte von Zweckverbänden, Kommunen, Bundesländern, Instituten und staatlichen Stellen wie dem Umweltbundesamt vor. Energieeffizienz geht so weit, dass zum Beispiel in Weinheim die Modernisierung der Energieversorgung mit KWK und eigenem Biogas die Abwasseraufbereitung zu einer Energie-Plus-Kläranlage verwandelte. Oder auch in Bad Oeynhausen. Die Investition dort von 200.000 Euro führte zu einem Eigenversorgungsgrad von 113 Prozent. Laut Gemeindebericht senkten sich dadurch die jährlichen Energiekosten um rund 250.000 Euro.
Solche Erfolge setzen jedoch eine genügend hohe Produktion von Biogas voraus. Je kleiner das Klärwerk, desto schwieriger eine Energieautarkie, da sich das Verhältnis von Klärgaserzeugung zu Strombedarf in Richtung Betriebsstrom für Belüftung, Pumpen und Rührwerke verschiebt. Zur Steigerung der Gasausbeute dient deshalb in vielen Klärwerken ein Co-Substrat, also eine Biomasse zur Ergänzung des Faulschlamms im Faulbehälter. Im Klein-Klärwerk Bergatreute nahe dem Bodensee füllten die Abwassertechniker eine Zeitlang den schon vorhandenen Reaktor von 400 m3 Volumen mit Milchmolke aus der Käseherstellung der umliegenden Lebensmittelindustrie auf. Die Anlage erreichte dadurch einen Autarkiegrad von 90 Prozent. Heute steht diese Quelle nicht mehr zur Verfügung und man ergänzt nur noch fakultativ den Klärschlamm mit Co-Substrat, eben dann, wenn sich die Ausgaben für eine Fracht rechnen respektive viel Wärme und Strom verlangt werden, wie im Winter. Dann läuft die Maschine bis zu 20 Stunden am Tag durch. Der Wirtschaftlichkeit der Installation des Mini-BHKW „XRGI 15“ von EC Power mit 15/30 kW elektrisch/thermisch tut aber selbst eine Eigenstromversorgung außerhalb der kalten Jahreszeit von immer noch 50 oder 60 Prozent keinen Abbruch.
Vor etwa sieben Jahren entschied sich Bergatreute für die Sanierung. In den Jahren zuvor lag der Energieverbrauch bei bis zu 130.000 kWh im Jahr. Der Strom kostete und kostet weit über 20 Cent/kWh. Nach einer von der Verwaltung in Auftrag gegebenen Energiestudie bewegte sich das Optimierungspotential bei rund 55.000 kWh jährlich. Als sinnvolle Maßnahme empfahl sich neben verschiedenen Umbauten und Anpassungen die Aufstellung eines BHKW zur Eigennutzung des methanhaltigen Faulgases. Wie schon erwähnt, ein Faulbehälter verbarg sich bereits im Gebäude. Bei Klein-Anlagen bis etwa 10.000 Einwohner gelten solche Gaserzeuger mehr als Ausnahme denn als Regel. Im Allgemeinen begnügen sich die Betreiber von Klärwerken dieser Größenordnung mit der aeroben Schlammstabilisierung. Bei der wandeln Mikroorganismen die organischen Substanzen zu mineralischen Endprodukten um. Das Ergebnis der biologischen Aktivität ist dabei lagerfähiges und geruchsarmes Substrat, dessen Weiterverwendung in Deutschland die Klärschlammverordnung regelt. Verwertbares Faulgas fällt nicht an. Die kompostähnliche Masse darf, wenn ihre Schadstoffgehalte den Vorschriften dieser Verordnung entsprechen, als Dünger auf Ackerflächen verwendet werden. Mehrheitlich wandert jedoch Klärschlamm, gleichgültig ob entgast oder nicht entgast, wegen seines ausreichenden Heizwerts in Müllverbrennungsanlagen.
In Bergatreute entwickelt sich im Faulbehälter Klärgas und das setzt der Betrieb für die Stromerzeugung ein. Dazu musste die vorhandene kalte Faulung zu einer beheizten Faulung umgebaut werden, denn die Vergärung der Biomasse läuft bei Temperaturen von 30 bis 40 °C gegenüber der kalten Fermentierung wesentlich schneller ab. Die Wärme zur Beheizung des Faulbehälters liefert das „XRGI“-BHKW.
Die thermophilen Bakterien, die die Biomasse zersetzen, produzieren dabei im Mittel etwa 120 m³ Klärgas täglich. Jeden Kubikmeter mit einem Heizwert von etwa 6 kWh setzt die KWK, bezogen auf das Verhältnis von grob 1 : 2 für Strom zu Wärme, in Bergatreute mithin in bis zu 1,7 kWh Strom und 3,4 kWh Wärme um. Als täglichen Durchschnittswert dokumentieren die Messprotokolle 180 kWh Strom. Die Spanne reicht dabei von 100 kWh/d bis 300 kWh/d. Den Mittelwert von 180 kWh teilen sich die Biomasse im angeschwemmten Abwasser mit 130 kWh und das (winterliche) Co-Substrat mit 50 kWh. Der Eigenversorgungsgrad der Kläranlage liegt bei einem Gesamtverbrauch von etwa 235 kWh/d somit bei 76 Prozent. Überschüssiger Strom fließt in das öffentliche Netz.
Den Ein/Aus-Betrieb des BHKWs steuert der Füllstand im Gasspeicher. Unterschreitet der ein bestimmtes Niveau, schaltet der Füllstandssensor den Motor aus beziehungsweise nimmt ihn in Betrieb, wenn das Niveau den Sollwert wieder erreicht. Aus einem Strompreis von etwa 25 Cent/kWh und unter Berücksichtigung der Annuitätskosten – die KWK-Installation schlägt mit etwa 70.000 Euro zu Buche – sowie des Aufwands für Wartung und Instandhaltung errechnen sich für die Gemeinde jährliche Stromkosteneinsparungen von über 10.000 Euro. Dazu kommen der KWK-Bonus und weitere Vergünstigungen nach EEG und KWKG.
Nach Klaus Bücheler, Biologe, Ingenieur und der für Bergatreute verantwortliche Planer im Büro Jedele und Partner, hängt die Wirtschaftlichkeit eines BHKWs indes entscheidend von der Betriebsweise ab: „Das EC Power-Aggregat moduliert zwischen 7 und 15 kW elektrisch. Doch nimmt der Wirkungsgrad mit fallender Leistung ab. Wenn die KWK auf 7 kWel herunterregelt, bewegt sich die Stromproduktion bei etwa 1 kWh/m3. Fahren wir im optimalen Leistungsbereich, an der oberen Grenze mit etwa 15 kWel, klettert der Wert auf 1,6 bis 1,7 kWh/m³. Wenn man für die Wärme einen Abnehmer hat, ist es besser, nicht bedarfsgeführt das BHKW zu betreiben, sondern auf einem höheren Leistungsstrich zu fahren und den Überschuss einzuspeisen.“
Der Wirkungsgrad sinkt bei Betrieb mit Klärgas deshalb, weil die Regelung auf einem bestimmten Arbeitspunkt mit einem zugehörigen Luft-Lambda-Beiwert ausgelegt ist. Bei dieser Leistung arbeitet das BHKW effizient und zuverlässig. Verlässt es den Auslegungspunkt, verändert sich das stöchiometrische Verhältnis. Die Technik korrigiert nur eingeschränkt nach. „Die Maschine arbeitet nicht mehr sauber, der Wirkungsgrad fällt. Eine Verbrennung außer-halb des einregulierten Werts geht des Weiteren zu Lasten des Katalysators, der sehr sensibel auf Klärgas reagiert. Das ist nun mal feuchter und schmutziger als Erdgas“, klärt Klaus Bücheler auf. Man habe aber diese bekannten Punkte im Griff, sowohl planungsseitig als auch herstellerseitig. Er, der BHKW-Hersteller, müsse beispielsweise die Gasregelstrecke vergrößern, weil nun mal das Bioprodukt nur den halben Energieinhalt gegenüber Erdgas hat. Die Gasregelstrecke müsse folglich für ein erweitertes Volumen ausgelegt sein.
Das ist aber alles bekanntes Terrain. KWK in Kläranlagen ist ja kein Neuland, besonders nicht für die enerquinn GmbH. Die KWK-Spezialisten aus dem oberschwäbischen Weingarten haben weit über 1.000 BHKW unter Vertrag. Davon steht eine Vielzahl in Kläranlagen, so in Bergatreute. Für den Fachbetrieb sind die notwendigen Modifikationen gegenüber Erdgas quasi Standard. Überschlägig steht zur Finanzierung einer Installation, die, um bei dem beschriebenen Beispiel zu bleiben, täglich 180 kWh zu 25 Cent/kWh einspart, unter Berücksichtigung der Belastungen und Vergünstigungen, ein Betrag von jährlich nahe 20.000 Euro zur Verfügung. Ein Bürgermeister einer ähnlich großen Kommune schrieb denn auch: „Die Entscheidung, ein BHKW zu installieren, haben wir bis heute nicht bereut. Abgesehen von den eingesparten Stromkosten leisten wir damit auch einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz.“ Konkret zum Klimaschutz im Fall „Bergatreute“: Bezogen auf den realen Umwelteffekt spielen selbst die genannten 100 t CO2-Reduzierung für KWK in einem Klein-Klärwerk nur eine Nebenrolle. Der Gewinn für die Klimastabilisierung mit dem „XRGI“-Kraft-Wärme-Koppler in der Abwasserreinigung der Gemeinde nahe dem Schwäbischen Meer liegt um ein Vielfaches über diesem Betrag. Denn der Faulbehälter blies vor der KWK-Nachrüstung das Klärgas in die Atmosphäre. Das besteht zu etwa 60 Prozent aus Methan – mit einem GWP von 28 gegenüber CO2 mit einem GWP von 1. Die Entlastung geht damit weit in die 1.000 t CO2-Äquivalent hinein.
Weiterführende Informationen: https://www.bergatreute.de/de/startseite
Dienstag, 17.05.2022