Spätestens seit dem 1. Januar 2024 werden in Deutschland kommunale Wärmepläne erstellt.
Spätestens seit dem 1. Januar 2024 werden in Deutschland kommunale Wärmepläne erstellt.
1 Eine wichtige Anforderung gilt es dabei zu beachten: Ab dem 1. März 2025 müssen neue Wärmenetze zu einem Anteil von mindestens 65 Prozent der jährlichen Nettowärmeerzeugung mit Wärme aus erneuerbaren Energien, aus unvermeidbarer Abwärme oder einer Kombination hieraus gespeist werden. Dies stellt Verantwortliche von Bestands- und Neubauprojekten vor unterschiedliche Herausforderungen.
Bei einem Sanierungsprojekt in einem bestehenden Quartier müssen ältere Gebäude integriert werden. Dabei ist oftmals weder eine grundlegende Sanierung der Gebäudehülle vorgesehen noch eine Erneuerung des Heizsystems. Das bedeutet, dass ein Energiesystem hohe Vorlauftemperaturen bereitstellen muss. Die Konzeption von erneuerbaren Energiesystemen wird dadurch herausgefordert, insbesondere wenn auf konventionelle Erzeuger gänzlich verzichtet werden soll. Bei der Planung von Neubauprojekten besteht die größte Herausforderung dagegen häufig darin, dass Unsicherheiten über die spätere Nutzung bestehen und somit die Datenbasis über den zukünftigen Wärme-, Kälte- und Strombedarf nur grob bekannt ist.
Sowohl bei der Planung von Bestands- als auch von Neubauprojekten ist zu Projektbeginn auch unklar, welche Wärmequellen in welcher Form genutzt werden können. Je nach örtlichen Gegebenheiten hinsichtlich der Platzverhältnisse, Untergrund- und Umweltauflagen, beispielsweise im Wasserrecht, fällt die Antwort hinsichtlich der nutzbaren erneuerbaren Energiequellen unterschiedlich aus. In verdichteten Stadtgebieten scheiden etwa Luft/Wasser-Wärmepumpen aufgrund der Grenzwerte für zulässige Schallemissionen in vielen Fällen als Option aus. Auch bei Erdbohrungen sind zunehmend strengere bundesweite Vorgaben hinsichtlich der Bohrtiefe und der zulässigen Sondenabstände zu beachten.
Sowohl bei der Planung von Bestands- wie Neubauprojekten gilt es, die Rahmenbedingungen frühzeitig abzustecken. Es stellen sich bereits in einer ersten Projektphase folgende zentrale Fragestellungen:
Welche Konzepte der kommunalen Energieversorgung kommen für einen bestimmten Standort in Frage?
Wie sicher decken die untersuchten Versorgungsoptionen den zukünftigen Bedarf ab und welche Option über-zeugt im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit?
Wie können verschiedene Erzeugungstechnologien optimal kombiniert werden, um einen hohen Anteil erneuerbarer Energieerzeugung sicherzustellen?
Zur Beantwortung jener Fragen ist es sehr hilfreich, Lösungen simulativ zu betrachten. Folgende Möglichkeiten bietet die softwaregestützte Simulation – im Neubau oder Bestand:
Energiekonzepte frühzeitig prüfen: Energiekonzepte können bereits in einer frühen Projektphase simulativ dargestellt und verglichen werden. So kann das vorhandene Potential an einem Standort bestmöglich ausgeschöpft werden. Mögliche Lösungen werden rasch eingegrenzt und unpassende „kostengünstig“ erkannt und aussortiert.
Machbarkeit innovativer Lösungen bewerten: Innovative Ansätze können simulativ schnell überprüft werden. Solche Ansätze bieten beispielsweise solare Wärmenetze, der Einsatz von Hybridkollektoren (Photovoltaik und Solarthermie, PVT) oder auch kalte Nahwärmenetze.
Transparente Entscheidungsgrundlagen erstellen: Mit Hilfe der Simulation lässt sich das Zusammenspiel der verschiedenen Energiesystemkomponenten im Jahresverlauf leicht erfassen. Beispielsweise ist deutlich erkennbar, in welcher Konstellation eine Wärmepumpe auch hohe Temperaturniveaus effizient bereitstellen kann, zum Beispiel durch kaskadierte Systeme, den Einsatz von Hochtemperatur-Wärmepumpen oder das Zusammenspiel mit einem Spitzenlastkessel.
Energieversorgungssicherheit gewährleisten: Verschiedene Verbrauchsszenarien können in der Simulation hinterlegt werden, um damit eine zuverlässige Energieversorgung über mehrere Jahrzehnte und auch in einer konservativen Betrachtung sicherzustellen.
Energieeffizienz optimieren: Die Simulation erlaubt die zuverlässige Überprüfung, ob bestimmte Zielgrößen er-reicht werden. Zentrale Zielgrößen in Quartiersprojekten sind beispielsweise SJAZ oder der Eigenverbrauch des lokal erzeugten PV-Stroms, die natürlich auch einen großen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit haben.
Für den weiteren Projektverlauf liegen die berechneten Varianten aus der Grobkonzeptphase im Simulationsmodell transparent dokumentiert vor und können nun verfeinert werden. Gibt es beispielsweise neue Erkenntnisse zur Gebäudenutzung und den entsprechenden Lastdaten, werden diese im Simulationsmodell aktualisiert und die Planung somit immer an den aktuellen Projektinformationen ausgerichtet.
Auch herstellerspezifische Produkte können nun hinterlegt und optimal dimensioniert werden. Darüber hinaus ist es in einem fortgeschrittenen Projektstadium auch sinnvoll, verschiedene Steuerungslogiken simulativ zu testen und das Steuerungskonzept zu definieren. Das Simulationsmodell passt sich somit dem jeweiligen Projektstand an und kann flexibel erweitert und für die jeweilige Fragestellung verfeinert werden. In der Praxis eingesetzt, ergeben sich verschiedene Vorteile, die im Folgenden anhand eines Praxisbeispiels erläutert werden sollen.
Adrian Gebhard kennt die Baubranche aus unterschiedlichen Blickwinkeln: Als Fachexperte für Gebäudetechnik ist er bei der Wohlrab, Landeck & Cie Ingenieurplanungsgesellschaft mbH tätig. Das Ingenieurbüro aus Aschersleben (Sachsen-Anhalt) übernimmt sämtliche Leistungen der HOAI. Gleichzeitig ist er im Familienunternehmen, der Gebhard GmbH & Co. KG, als Projektleiter in der Bauausführung aktiv. Darüber hinaus schätzt er es, durch seine Lehrtätigkeiten an renommierten Instituten, wie der Bauhaus-Universität Weimar, am Puls der aktuellen Entwicklungen zu sein. Wohlrab, Landeck & Cie wurde so beauftragt, verschiedene Versorgungsvarianten für ein neu entstehendes Quartier in der Lutherstadt Eisleben zu evaluieren.
Im ersten Bauabschnitt sind drei Mehrfamilienhäuser geplant, die über ein zentrales Nahwärmenetz versorgt werden. Das Wärmenetz wird als „kalte Nahwärme“ ausgelegt. Für die Versorgung der Gebäude sind Erdsonden mit einer Bohrtiefe von 99 Metern und drei Sole-Wärmepumpen vorgesehen. In einem Variantenvergleich wurden insgesamt sechs Varianten dargestellt. Überzeugt hat schließlich das Konzept, das 40 Erdwärmesonden und eine Regeneration durch eine passive Kühlung über die Fußbodenheizung vorsieht. Als machbare Variante – aber letztlich ausgeschieden – hat sich auch die Integration einer Solarthermieanlage herausgestellt, die ein verkleinertes Erdsondenfeld mit 20 Erdwärmesonden regeneriert. Der Variantenvergleich wurde als Simulationsmodell in der Software „Polysun“ der Vela Solaris AG abgebildet (vgl. Abb. 2).
Adrian Gebhard wurde im Aufbau der Simulationsmodelle in „Polysun“ durch Hanna Gäbelein, Simulationsexpertin bei der Vela Solaris AG, unterstützt. Er hält fest: „Alle Fragen im Variantenvergleich konnten zielführend mit «Polysun« und Vela Solaris als Partner beantwortet werden. Ich schätze dabei sehr, dass die Ergebnisse zuverlässig und transparent vorliegen, um fundierte Entscheidungen zu treffen.“
[Angela Krainer, Geschäftsführerin, Vela Solaris AG, Stadthausstrasse 1, CH-8400 Winterthur, info@velasolaris.com]
Hanna Gäbelein ist als Simulationsexpertin bei Vela Solaris täglich mit der simulativen Abbildung unterschiedlicher Energiesysteme an der Schnittstelle zu TGA-Planern, Projektentwicklern und Energiedienstleistern beschäftigt. Der Beruf des Simulationsexperten ist relativ jung, daher ist es an der Zeit, dieses spannende Tätigkeitsfeld genauer zu beleuchten.
Frau Gäbelein, welche Aufgaben hat eine Simulationsexpertin?
Planerinnen und Planer haben eine Vielzahl von Fragestellungen in kurzer Zeit und zuverlässig zu bewältigen. Dabei geht es häufig um einen Vergleich verschiedener Versorgungsvarianten oder um die Klärung von Optimierungsfragen. Ich unterstütze Fachleute in ihren Projekten, indem ich Simulationsmodelle für sie erstelle. Viele Kunden möchten Simulationsmodelle jedoch selbst entwickeln und die entsprechende Expertise aufbauen. Hier unterstütze ich mit Schulungen und/oder einer Projektbegleitung.
Welche Herausforderungen sehen Sie insbesondere bei der Planung von Nahwärmenetzen?
Die größte Herausforderung ist sicherlich die knappe Zeit, die für die Planung zur Verfügung steht. Fachleute sind deshalb unsicher, ab wann es sich überhaupt lohnt, viel Zeit in die Planung zu investieren. Es ist deshalb vernünftig, zu Projektbeginn nur mit groben Simulationsmodellen zu arbeiten, die eine erste Einschätzung zu sinnvollen Energiekonzepten erlauben. So sind bereits mit einem Zeitaufwand von einem Arbeitstag valide Erkenntnisse möglich.
Welche Konzepte überzeugen Sie bei der Planung von Nahwärmenetzen?
Ich möchte keine vorgefertigte Meinung haben. Durch die Simulationsergebnisse kann ich hier immer wieder neue und teilweise überraschende Erkenntnisse gewinnen. Wärmepumpensysteme können beispielsweise inzwischen auch für Sanierungsvorhaben im Bestand sehr effizient betrieben werden.
Donnerstag, 19.09.2024