Öko-Stromnetz sorgt für nachhaltige Mobilität

Von der Wasserstraße zum Wasserstoff?

Bis zur Einführung des Pferdes als Lasttier stellten die großen Flusssysteme die wesentlichen Transportrouten für den Fracht- und Personenverkehr dar.

Die grundlegende Wandlung ergab sich mit Erfindung der Dampfmaschine – die Einführung der Dampfschifffahrt und der schienengeführten Eisenbahn. Aus der Wärmekraftmaschine geht später der Dieselmotor hervor.

Mittlerweile mischt E-Mobility den Markt auf – verschiedene Bauarten von Elektroautos wurden zum Beginn einer anderen Logik von Energie und Mobilität. Wie Wasserstoff zum Schlüsselelement für die Wärme-, Energie- und Mobilitätswende im 21. Jahrhundert werden kann, wird in Esslingen am Neckar in einem von der Bundesregierung geförderten Energieforschungsprogramm untersucht.

Im Anwendungstest „Neue Weststadt – Klimaquartier“ geht es um den Anspruch, eine neue technische Referenz zu definieren – für das Quartier, für die Industrie sowie eine emissionsfreie Mobilität. Vor Ort wird überschüssiger Ökostrom in „grünen Wasserstoff“ umgewandelt, dieser wird nutzbar gemacht und gespeichert. Wird später wieder Strom im Stadtquartier benötigt, lässt sich der Wasserstoff klimaneutral in Blockheizkraftwerken schnell und einfach rückverstromen. Zur saisonalen Langzeitspeicherung und Dekarbonisierung des Gassektors wird der produzierte Wasserstoff zusätzlich in das Erdgasnetz der Stadt eingespeist.

Konzept zur Energie- und Wärmewende

In dem Verbundvorhaben in Esslingen übernimmt das Steinbeis Innovationszentrum energieplus aus Stuttgart die wissenschaftliche und organisatorische Gesamtkoordination. Die große inhaltliche und fachliche Bandbreite der Forschungsthemen bedarf eines interdisziplinären Teams aus den Bereichen Forschung Technik und Sozialwissenschaften, Anwendung und Bürgerpartizipation.

In der ersten Ausbaustufe wird der Wasserstoff über eine H!SUB(2)SUB!-Leitung aus der Energiezentrale zur Gasnetz-Einspeisestation und H!SUB(2)SUB!-Abfüllstation transportiert. Der Großteil des Wasserstoffs (100-400 kg/d) soll über die Abfüllstation in Trailer mit Röhrenbündelspeicher geladen und mit LKW zu Kunden im Industrie- oder im ÖPNV-Sektor transportiert werden.

Schnittstellen zwischen der stationären Energieinfrastruktur und der Mobilität im Quartier verbinden den netzdienlichen Betrieb.

Komplexität bewältigen

Durch die Koppelung des Energieversorgungskonzepts mit dem Mobilitätsbereich erhält „Es_West_P2G2P“ den besonderen Stellenwert für eine langfristige und nachhaltige Stadtentwicklung auch über die Quartiersgrenzen hinaus. Eine Voraussetzung dafür sind intelligente Stromnetze.

Sogenannte Smart-Grids „kombinieren Erzeugung, Speicherung und Verbrauch. Eine zentrale Steuerung stimmt sie optimal aufeinander ab und gleicht somit Leistungsschwankungen – insbesondere durch fluktuierende erneuerbare Energien – im Netz aus. Die Vernetzung erfolgt dabei durch den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) sowie dezentral organisierter Energiemanagementsysteme zur Koordination der einzelnen Komponenten. Das bedeutet, dass in einem Smart-Grid nicht nur Energie sondern auch Daten transportiert werden, sodass Netzbetreiber in kurzen Abständen Informationen zur Energieproduktion und -verbrauch erhalten. Durch intelligente Vernetzung, Lastmanagement und Nachfrageflexibilisierung können somit eine effiziente Nutzung und Integration der erneuerbaren Energien sowie eine Optimierung der Netzauslastung erreicht werden“, definiert das Umweltbundesamt.

Formen von emissionsfreier Mobilität

Fossile Energieträger wie Erdöl oder Erdgas führen in unserem Straßenverkehr seit Jahren zu hohen CO!SUB(2)SUB!-Emissionen und zu einer zunehmenden Belastung des Klimas. Die Hoffnungen richten sich auf weniger Schadstoffe und weniger Lärm – auf Elektromobilität. Ist von elektrisch betriebenen Fahrzeugen die Rede, denken die meisten an einen großen Akku und Strom gespeist aus der Steckdose. Auf dem Markt sind jedoch bereits mehrere Technologien verfügbar:

Reiner Elektroantrieb („BEV“). Der Motor eines E-Autos wird mit Strom betrieben, statt mit Kraftstoff wie bei einem Verbrennungsmotor. Der Strom wird in einer Batterie gespeichert, deren Kapazität bestimmt die Reichweite – welche Strecke es zurücklegen kann mit einer Batterieladung. Mittlerweile meist mehr als 300 Kilometer. Um den Akku mit Strom zu speisen, wenn sich die Ladung dem Ende zuneigt, werden benzingetriebene „Range Extender“ (ohne direkte Antriebshilfe, sonst wäre es ein Hybrid-Auto) eingesetzt.

Hybridantrieb („HEV“). Ein Fahrzeugtyp mit zwei Motoren. Einem Elektromotor und einem Verbrenner – je nach Ausführung können beide Motoren das Auto eigenständig oder im Zusammenspiel antreiben. Bei einem „Mild“-Hybrid Fahrzeug wird der Elektromotor lediglich als Unterstützung eingesetzt – z.B. beim Anfahren mit besonders viel Spritverbrauch bzw. Emissionen. Aufgeladen wird die Batterie durch Rekuperation.

Im Plug-in-Hybrid („PHEV“) wird die elektrische Energie nicht nur aus der aktiven Fahrsituation gewonnen, das Auto kann zusätzlich an einer Steckdose oder Ladesäule aufgeladen werden.

Wasserstoffantrieb („FCEV“). Auch Brennstoffzellen-Antrieb genannt, in der Wasserstoff und Sauerstoff in elektrische Energie umgewandelt wird, die über einen Zwischenspeicher, die Batterie, einen Elektromotor antreibt. Die Rekuperation von Bremsenergie ist möglich. Es entstehen nur Wärme und Wasser mit dem Vorteil einer kurzen Tankdauer.

Perspektivisch könnte Wasserstoff als das „chemische Element der Stunde“ die Lösung darstellen als Alternative zu batterieelektrischen Fahrzeugen – denn ein solches „Bord-Kraftwerk“ bietet an Stelle des Energiespeichers Batterie, die größere Reichweite. Die bisherigen Gastanks sind zwar größer, allerdings leichter und günstiger als Akkus – und lassen sich in kürzerer Zeit wieder befüllen. Im Winter kommt der Vorteil der Temperaturunabhängigkeit hinzu, wenn bei Batterie-Elektroautos die Reichweite leidet. Beim Wasserstoff-Verbrennungsmotor, wo Benzin oder Diesel durch das Gas ersetzt wird gilt gleiches.

Das Vorhaben, Elektroautos mit Brennstoffzellen zu betreiben ist zwar seit Jahrzehnten bekannt, konnte sich aber nicht durchsetzen – die Technik wird aktuell allenfalls im Gütertransport-Sektor als Alternative betrachtet.

Laut Kraftfahrt-Bundesamt hat sich 2020 die Zahl der neu zugelassenen E-Autos in Deutschland verdreifacht, es sind gut 194.000 rein batterieelektrische Pkw neu zugelassen worden – zusammen mit anderen alternativen Antrieben wie Plug-in-Hybriden, Gas- oder Wasserstoffantrieb waren es knapp 395.000 Autos.

Vom Reallabor zur Realität

Mit Strom aus regenerativen Quellen angetriebene Elektrofahrzeuge sind eine sehr gute Alternative zu Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren.

Entstanden sind neue Technologien – für angrenzende Branchen wurden neue Zugänge am Markt geschaffen. Denn der Ausbau der erneuerbaren Energien erfordert zusätzliche flexible Speicher und ein intelligentes Netzmanagement.

Wie beispielsweise der Ausbau einer geeigneten Photovoltaik PV-Anlage zum Hauskraftwerk: Neben der bisherigen Energieversorgung für Haushalt und Wärme kommt nun auch die Energie für die Mobilität vom eigenen Dach. Eine zeitgemäße Investition, die sich rechnet – Autarkie als Wertbeitrag ist inkludiert.

Von der PV-Anlage über die Ladestation bis ins Elektro-Fahrzeug

Der globale Markt soll bis 2030 auf 27 Millionen E-Fahrzeuge anwachsen – eine Herausforderung für ein sauberes und effizientes E-Laden. Zum intelligent und sicher Steuern schlägt beispielsweise KNX eine zukunftsfähige Brücke.

Laut Herstellerangabe genügt ein Energiemanagementsystem zur Steuerung von Mehrpunkt-Ladestationen verschiedenster Hersteller.

„Zu den Lösungen, die auf die KNX Technologien aufsetzen, zählen unter anderem "SMART CONNECT KNX e-charge II" von ise GmbH und "EibPC2" von Enertex Bayern GmbH. Mit ihnen lassen sich via KNX eigene Quellen der Stromerzeugung wie Photovoltaik-Anlagen für das Laden von Elektro-Fahrzeugen nutzen, in dem die Ladestationen in das Energiemanagement-System des smarten Zuhauses oder Gebäudes einbezogen werden. Dabei können bis zu fünf verschiedene Ladepunkte verschiedenster Hersteller an dasselbe System angebunden werden.

Ladestrom und Ladeprozesse werden dabei unter Berücksichtigung des aktuellen Stromverbrauchs so gesteuert, dass andere laufende Geräte und Installationen im Gebäude wie z.B. die Waschmaschine, der Ofen oder die Klimaanlage nicht beeinträchtigt werden. Auch eine Priorisierung bestimmter Ladepunkte ist möglich, damit das Fahrzeug am schnellsten geladen wird, das zeitnah benötigt wird. Sogar Wetterdaten und -vorhersagen lassen sich in die Steuerung der Ladeprozesse einbeziehen. Steht aufgrund der Wetterverhältnisse oder in den Nachtstunden über Photovoltaik-Anlagen weniger Energie zur Verfügung, werden die Ladevorgänge entsprechend reguliert, damit kein zusätzlicher Strom vom regionalen Stromanbieter bezogen werden muss. Das spart Kosten.“

Ein Gewinn für den Klimaschutz – KNX „ist im Bereich Smart Homes und Buildings ein Key Player und liefert das technologische Fundament, um Elektromobilität durch die Verknüpfung von Stromerzeugung aus regenerativen Quellen mit einem intelligenten Energiemanagement und der Anbindung von Ladestationen verschiedenster Hersteller gewinnbringend für den Klimaschutz einzusetzen", erklärt Franz Kammerl, Präsident der KNX Association.

Zukunftsfähige Mobilität

Eine zentrale Voraussetzung für den Hochlauf der Elektromobilität in Deutschland ist eine flächendeckende und auf die Bedürfnisse der Verbraucher ausgerichtete Ladeinfrastruktur. Für viele Menschen kommt die Anschaffung eines Elektrofahrzeugs nur dann in Frage, wenn sie dieses in einem akzeptablen Zeitraum und in räumlicher Nähe laden können.

Die Förderprogramme der Bundesregierung leisten einen zentralen Beitrag, bundesweit ein bedarfsgerechtes Netz von Ladestationen aufzubauen – es geht um mindestens 15.000 neue Ladestationen. Das BMVI wird bis Ende 2025 den Aufbau von Ladesäulen mit rund sechs Milliarden Euro fördern. Ziel ist der Aufbau einer flächendeckenden und bedarfsgerechten Ladeinfrastruktur für batterieelektrische Fahrzeuge in Deutschland. Das BMVI fördert dabei die Ladesäulen-Hardware wie auch den Netzanschluss sowie Modernisierungsmaßnahmen an bestehender Ladeinfrastruktur.

Im Rahmen der Förderrichtlinie Ladeinfrastruktur wurden in insgesamt sechs Förderaufrufen rund 31.000 Ladepunkte bewilligt, davon gut 9.700 Schnellladepunkte. Das entspricht einem Fördervolumen von rund 261 Millionen Euro. Gut 11.500 der geförderten Ladepunkte sind bereits in Betrieb (Stand 04.01.21). Neben der öffentlichen Ladeinfrastruktur fördert das BMVI auch private Ladeinfrastruktur an Wohngebäuden mit einer Pauschale von 900 Euro.

Urban, mobil und klimaneutral

Die ökologische Umgestaltung auch des öffentlichen Personennahverkehrs ÖPNV wird aufgrund der NO!SUB(x)SUB!– und Feinstaubproblematik zum vordringlichen Thema bei der zukünftigen Stadt- und Verkehrsplanung.

„Hier hat die Stadt Esslingen schon eine Vorreiterrolle, da sie zu den drei Kommunen in Deutschland gehört, in denen ein großer Anteil der öffentlichen Verkehrsleistung mit strombetriebenen, oberleitungsgebundenen Bussen erbracht wird. Die noch in Betrieb befindlichen Dieselbusse sollen zeitnah durch Elektro-Hybridbusse ersetzt werden, um das langfristige Ziel einer nahezu vollständigen Elektrifizierung des Esslinger Liniennetzes zu erreichen. Da das Oberleitungsnetz nicht komplett ausgebaut werden kann, sind dafür Elektrobusse mit Batterien notwendig, die die erforderlichen Streckenabschnitte ohne Oberleitungsnetz auch überbrücken können.

Durch die im Rahmen des Projekts angeschafften Elektro-Hybridbusse können die elektrisch gefahrenen Strecken – bei einem Ausbau der Oberleitungslinien um 20 Prozent – vervierfacht werden, was einer 100 Prozent-Abdeckung entspricht. Das Energiekonzept der „Neuen Weststadt“ plant die bilaterale Nutzung von lokalem, erneuerbarem Überschussstrom aus dem Quartier und nicht nutzbarer Rekuperationsenergie aus dem Gleichstrom-Oberleitungsnetz des ÖPNV. Eine nachhaltige Nutzung der Busbatterien soll zudem gewährleistet werden, indem diese am Ende der Lebensdauer einer Second-Life-Nachnutzung zugeführt werden. Hierzu finden die Traktionsbatterien als Bestandteil von regelbaren Ortsnetzstationen (Buffer-Stationen), an der Schnittstelle des Oberleitungsnetzes zum öffentlichen Stromnetz, Verwendung. Die stationäre Weiternutzung der Busbatterien geht mit einer ressourcenschonenden Aufwertung der lokalen Strominfrastruktur einher“, beschreibt der führende Projektpartner, die Stadt Esslingen am Neckar.

Die spinnen, die Esslinger?

Die Herausforderungen Integraler Planung – Skeptiker und Kenner der "Asterix"-Comic-Reihe mögen auf die Ausgabe Die Trabantenstadt verweisen, die 1971 erschienen ist. Was die wirklichen Römer in ihrer Epoche Weltbewegendes geleistet haben, lässt sich am Ort im Landkreis Esslingen noch heute ablesen.

Am verkehrsgeographisch und damit strategisch bedeutsamen Punkt, befand sich als Fortifikation, das nah gelegene Kastell Köngenmit einem in antiker Zeit Grinario genannten Vicus. Der Vicus erstreckt sich nördlich und südlich des Lagers über eine Gesamtstrecke von gut einem Kilometer – der wirtschaftliche Schwerpunkt solcher Siedlungen lag in gewerblicher Produktion, Handwerk, Handel und Dienstleistungen.

Hier verlief die römische Fernstraße von Mainz Mogontiacum nach Augsburg Augusta Vindelicorum und fließt der mittlerweile zur Wasserstraße ausgebaute Neckar. Der heutige Bahnfernverkehr wird bei Inbetriebnahme der Neubaustrecke Wendlingen – Ulm die Flussseite wechseln.

Wegweisend für künftige Projekte

„Das Wichtigste ist, dass man nicht aufhört zu fragen“, war die Empfehlung von Albert Einstein. Über erste Erkenntnisse und Bewertungen – lesen Sie dazu mehr über den technischen Forschungsstand in Esslingen, im nächsten Teil dieser Artikelreihe.

Quellenangaben:

Dr. Katja Walther, Stadt Esslingen am Neckar

Förderinitiative „Solares Bauen/Energieeffiziente Stadt“, FONA BMBF Berlin

Steinbeis Innovationszentrum Energie-, Gebäude- und Solartechnik (SIZ), Stuttgart

EGS-plan Ingenieurgesellschaft für Energie-, Gebäude- und Solartechnik mbH, Stuttgart

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, BMWi Berlin

Bundesministerium für Bildung und Forschung, BMBF Berlin

Umweltbundesamt, UBA Dessau-Roßlau

EEBus Initiative e.V., Köln

Kraftfahrt-Bundesamt, KBA Flensburg

E3DC HagerEnergy GmbH, Osnabrück

KNX, ZVEI Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V., Frankfurt a. M.

Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, BMVI Berlin

reev GmbH, München

Hochschule für angewandte Wissenschaften, HSA Augsburg

Weiterführende Informationen: https://neue-weststadt.de/informationszentrum/

Mittwoch, 18.08.2021