Wann, wo und wieviel es regnet, interessiert nicht nur im Alltag: Niederschlag ist die wichtigste Kenngröße der Wasserwirtschaft. Zunehmend verfügbare digitale Niederschlagsdaten ermöglichen den Versorgungsunternehmen immer stärker den sicheren und effizienten Betrieb. Allerdings ist die Branche selbst noch lange nicht von der Digitalisierungswelle erfasst worden.
Vollgelaufene Keller, überflutete Straßen – der deutsche Sommer 2017 geizte nicht mit ausgiebigem Starkregen. Derart extreme und unberechenbare Wetterlagen bilden hohe Hürden für die Wasser- und Abwasserwirtschaft. Nahezu alle ihrer technischen Systeme werden direkt oder indirekt vom Niederschlag beeinflusst - er stellt so die wichtigste Kenngröße dar. Verlässliche Daten darüber, wie sich Niederschläge räumlich und zeitlich verteilen, sind daher existenziell wichtig für die zuverlässige und sichere Arbeit der mehr als 10.000 kleinen und größeren Wasser- und Abwasserunternehmen in Deutschland. Dazu kommen die Herausforderungen durch steigende hygienische Ansprüche an das Trinkwasser, demografischen Wandel und Urbanisierung sowie die in die Jahre gekommene Infrastruktur. Ob die Wasserwirtschaft dafür aber informationstechnologisch gerüstet ist, muss bezweifelt werden…
Digitale Daten – der Rohstoff der Zukunft
Vom Wasserversorger werden Kunden und gesetzliche Vorgaben beispielsweise künftig vermehrt verlangen, die gute Qualität des Trinkwassers exakt zu beweisen – mit präziser Messtechnik und genauer Dokumentation. Das wird finanzielle Ressourcen und Know-how erfordern. Ob das zu stemmen die kleinen Unternehmen der stark fragmentierten Wasserwirtschaft in der Lage oder willens sind, muss klar hinterfragt werden! Zumal sich jedes zweite Unternehmen der Versorgungswirtschaft als digitalisierungsskeptisch „outet“, wie eine Befragung des BMWi offenbart.
Insgesamt spielt die Versorger-Branche sowieso im digitalen Mittelfeld: Der entsprechende Index liegt derzeit bei 45 von 100 möglichen Punkten. Gerade jedes fünfte Unternehmen geht von einem starken Einfluss der Digitalisierung auf den eigenen geschäftlichen Erfolg aus. Dieser Befund ist möglicherweise noch optimistisch verzerrt, da unter den befragten Betrieben wenige Nur-Wasserversorger waren.
Digitale „Reifeprüfung“
Aus den genannten Gründen liegt es jetzt an der Wasserwirtschaft, „eine Digitalisierungsagenda Wasser 4.0 zu entwickeln“, wie der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfachs (DVGW) fordert. Allein „das Dokumentieren von Daten und das Einrichten zentraler IT-Plattformen wird dabei nicht ausreichen.“ Das Ziel sei vielmehr „die Optimierung der Geschäftsprozesse, die Sicherstellung der hohen Versorgungsqualität sowie die Verbesserung in der Betriebsführung bei Absatz, Marketing und Kundenbetreuung.“
Um dieses hehre Ziel zu erreichen, lässt der DVGW ein standardisiertes Bewertungsmodell zum digitalen Reifegrad speziell für Wasserversorgungsunternehmen erarbeiten. Bereits bestehende Modelle aus dem Zukunftsprojekt „Industrie 4.0“ werden im Rahmen einer praktischen Erprobung für die Bedarfe der Wasserwirtschaft weiterentwickelt. Jedes Versorgungsunternehmen kann dann mit Hilfe eines Selbst-Check-Tools das Reifegradmodell auf seine jeweiligen Betriebsabläufe anwenden und den eigenen digitalen Entwicklungspfad analysieren. Bis Ende 2018 sollen die ersten Ergebnisse der Studie vorliegen.