Hat sie sich bewährt, die grüne Architektur des Kö-Bogens II in Düsseldorf?
Behaglichkeit, die auf grauem Beton sprießt
Donnerstag, 22.08.2024
Drei Winter und Sommer als Test- und Erfahrungszeitraum für die Hecke aus 30.000 Hainbuchen vor Fenstern und Fassade des Büro- und Handelshauses geben Auskunft. Der biologische Vorhang zielt auf positive klimatische Effekte sowohl für die Büroräume innen ab als auch für das Mikroklima außen um das Geschäftshaus. Ja, die Erwartungen haben sich erfüllt. Bis auf eine Ausnahme.
Blättert man heute in Architekturzeitschriften, findet man beinahe in jedem Heft einen Artikel mit einem Beispiel grüner Gebäudehüllen. Nicht alle beschriebenen Fassadengärten dienen der Nachhaltigkeit. Bauherren entscheiden sich auch aus kosmetischen Gründen für die Pflanzenteppiche oder als Sicht- oder Schallschutz. Gegen den Lärm richten sich zum Beispiel Kassetten mit Pflanzenkulturen, die vollflächig an einer Hauswand, meist zur Straßenseite hin, gehängt werden. Mehrheitlich zielt indes die Flora auf die Verbesserung der klimatischen Verhältnisse ab. Nicht nur das, naturbasierte Lösungen sollen das städtische Leben resilienter gegen den Klimawandel und Gesundheitsbeeinträchtigungen machen. Die Anhängerschaft an dieser minimalinvasiven Form der Klimatechnik wächst ständig.
Die Integrale Planung hatte in der Neubauphase des Kö-Bogens II Absichten und Details der Ausführung in ihrer Edition 2021 vorgestellt (Artikel online verfügbar unter: https://tga.li/wo9). Das Gebäude ist Teil einer 600 Millionen Euro teuren innerstädtischen Umgestaltung namens Kö-Bogen. Die Zentrumserneuerung der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf umfasst eine viertelkreisförmige Projektfläche von 54.000 m2 mit Straßentunneln, mit oberirdischen Neubauten, wie den beiden markanten Geschäftshäusern Kö-Bogen I und Kö-Bogen II, sowie Freiraumgefüge. Der Umbau des Bereichs um den Jan-Wellem-Platz/Gustaf-Gründgens-Platz reicht bis an die Königsallee.
24.000 m2 Gartenfläche und 5.500 m2 Blumenfläche kühlen und befeuchten hier aktiv die Luft und wirken als grüne Klimaanlage. Doch nicht nur diese reinen Wiesen- und Gartenareale richten sich gegen Hitzeinseln in heißen Sommern. Die Bauherren, die Centrum Projektentwicklung GmbH und die B&L Gruppe, stimmten dem Entwurf des Büros Ingenhoven Architects zu, die Natur quasi zu erweitern und auf bebautem Betonboden eine zusätzliche Parklandschaft in Form eines Buchenumhangs für den Kö-Bogen II zu stellen. Der Mantel soll die Aufwärmung des Gebäudekörpers abfangen. Er besteht aus 30.000 Hainbuchen vor der West- und Nordfassade und auf der gesamten Dachfläche.
Schwere Baustoffe absorbieren die Sonnenenergie und strahlen sie wieder ab. Nach innen wie nach außen. Mit aufwendigen mechanischen Klimaanlagen muss die Technik künstlich die daraus folgenden hohen Temperaturen im Innenbereich abbauen und in Schach halten. Kühlbedarf und Betriebskosten lassen sich mit einer Temperatur senkenden verschattenden Gebäudehülle auf Pflanzenbasis dagegen spürbar reduzieren. Die Bäumchen entziehen der Luft Kohlendioxid und verwandeln es über die Photosynthese in wachstumsfördernde Kohlenhydrate (Zucker) und Sauerstoff. Durch die Verdunstung der Bewässerungs-Feuchtigkeit (Transpiration) kühlen die Blätter die umgebende Atmosphäre. Sie dämpfen den Lärm und binden Feinstaub, den der nächste Regen in den Boden wäscht.
Riesige adiabatische Kältemaschine
Diese Architektur erhebt im Einzelfall auch Anspruch auf Kunst. Joseph Beuys verband 1982 auf der „documenta 7“ in Kassel mit seinem Projekt „Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“ Kunst mit Klimaschutz, indem er ein Ensemble aus 7.000 Eichen setzen ließ und dieser Kunst die Aufgabe zuwies, Hitzeinseln zu vermeiden. Das sei eine wichtige Maßnahme in den dicht bebauten Zentren der Metropolen, wo kein Platz für flächengreifende Anpflanzungen oder neue Parks vorhanden ist. Der naturechte Vorhang des Kö-Bogens II greift diesen Ansatz auf. Er verhindert, dass bei starker Sonneneinstrahlung diese Hitze das Innenklima unerträglich belastet und sich nach außen wenig angenehm unter das Straßenklima in Schaufensternähe mischt. Die Hecke übernimmt in beiden Fällen die Funktion eines Hitzepuffers. Diesen Kühlungseffekt verstärkt die Transpiration der Blätter. Denn die Hainbuchen werden über eine Bewässerungsanlage ganzjährig bedarfsgerecht mit Wasser und Nährstoffen versorgt. Damit fungieren die acht Kilometer Terrassenstufen als riesige adiabatische Kältemaschine.
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