Planungsbeteiligte müssen miteinander reden
Das „I“ in BIM steht nach landläufiger Meinung für „Information“. Jeder muss den gleichen Zugang zu Informationen im Projekt haben und auch entsprechend in der Lage sein, zu kommunizieren. Jedes Teammitglied ist demzufolge kommunikations- und informationstechnisch gleichberechtigt und hat auf dieser Ebene den gleichen Einfluss. Ideen und Vorschlägen wird folgerichtig wertfrei zugehört und im Team müssen diese offen und ohne Vorbehalte diskutiert werden. Es wird konsensorientiert im Team entschieden, meist in 3D-basierten Koordinationssitzungen. Bereiten Sie diese Sitzungen gut vor, diese müssen kurz, prägnant und intensiv sein. Nur so kann das Projekt weiterkommen. In diesen Sitzungen ist es wichtig, dass jeder Teilnehmer stets auf dem gleichen Stand ist. Fragen Sie nach, wenn Sie etwas nicht verstanden haben. Es ist kein Makel, Dinge präzisiert zu bekommen.
In einer verkrusteten, sehr hierarchisch strukturierten Bauindustrie wird dies zu einem Paradigmenwechsel führen. Für die typischen Aussagen wie „Haben wir schon immer so gemacht“ ist schlichtweg kein Platz in BIM-Prozessen. Es nützt nichts, dass neuartige und hochentwickelte Technologien im Projekt eingesetzt werden, diese aber auf dem altmodischen Weg umgesetzt werden. Zeit wird benötigt, diese Prozesse zu entwerfen, abzustimmen und einzuüben. Verhaltensmuster werden nicht von heute auf morgen geändert.
Gemeinsam definierte Prozesse einhalten
Zu Projektbeginn gibt es Sitzungen, in denen Prozesse gemeinsam durchdekliniert werden und die von jedem Projektbeteiligten mitgetragen werden und auch eingehalten werden müssen. Dazu gibt es auch entsprechende Eskalationsstufen und klare Regeln bei Problemen. Es liegt aber auch in der Natur der Dinge, dass nicht jeder Prozess von vorne bis hinten gleich von Anfang an gefunden und beschrieben werden kann. Das ist auch nicht nötig. Es müssen die wichtigsten Prozesse, Arbeitsschritte und Eskalationsstufen festgehalten werden. Sollte es zu Ausnahmesituation kommen, sind diese separat zu erfassen und gemeinsam zu besprechen. Es gilt, dass nicht alles definiert werden muss, um reibungslos zu funktionieren.
In der Bauindustrie neigt man zu einem verkopften Denken – alles muss schriftlich fixiert werden, um zu funktionieren. Schreiben hat aber nicht unbedingt etwas mit Kommunizieren zu tun! Nicht selten beruhen die meisten Differenzen auf Missverständnissen in der Kommunikation. Friedemann Schulz von Thun hat dies treffend in seinem Kommunikationsquadrat beschrieben [12]. Jede Nachricht hat vier Ebenen, die mehr oder weniger stark ausgeprägt sind: die Sachebene, die Selbstkundgabe, den Beziehungshinweis und einen Appell, was mit dieser Aussage erreicht werden soll. Je nachdem, welche Ebene beim Gegenüber ankommt, reagiert dieser auf unterschiedliche Weise – in der Bauindustrie bleibt komischerweise immer der Appell übrig.
Fehler offen kommunizieren und lösen
Den Planungsbeteiligten muss klar sein, dass es zu einer völlig unterschiedlichen Arbeitsweise mittels BIM kommt. Fehler müssen und dürfen passieren und sollen offen kommuniziert werden. Nur so ist es möglich, dass Fehler nur einmal gemacht werden und Teammitglieder nicht das gleiche widerfährt. Der Fehlerforscher Michael Frese von der Universität Lüneburg fand in Untersuchungen heraus, dass die Profitabilität von Firmen sank, wenn sie diese Fehler unter den Teppich kehren und nicht offensiv damit umgehen [13]. In Deutschland und in der Deutschschweiz, so Frese weiter, werden Fehler als Problem und Makel gesehen und nicht als Möglichkeit zur Verbesserung.
Die Aussage, dass mittels BIM keine Fehler gemacht werden, ist rundweg falsch. Es handelt sich bei der Planung mittels der Methode BIM auch um eine Änderung der Fehlerkultur. Fehler sind kein Makel, sondern Teil eines üblichen Lernprozesses. Nur wenn Fehler gemacht werden, kann daraus gelernt werden. Man kann es als notwendigen Obolus an die Lernfähigkeit der Beteiligten sehen. Nebenbei gäbe es einige Erfindungen in der heutigen Zeit nicht, wenn die jeweiligen Personen nicht Fehler gemacht hätten: Penicillin, Post-Its, Teflon und das Internet.
Besprechungen auf der Sachebene führen
Besprechungen sind lösungsorientiert und sachlich zu führen bei BIM-gestützten Projekten; es darf keine Schuldzuweisungen in keinerlei Richtung geben. Zuweisungen sind nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems. Es gibt modellbasierte Koordinationssitzungen, bei denen am 3D-Modell Kollisionen und Probleme diskutiert, gelöst und Verantwortlichkeiten für die Behebungen des jeweiligen Problems verteilt werden. Jedes Problem hat ein gewisses Zeitfenster, in dem entschieden werden muss. So werden langwierige Diskussionen vermieden. Es ist wichtig, dass jeweils die Entscheidungsträger am Tisch sitzen und am Tisch entscheiden können und dies auch tun. Dieses konsensorientierte Vorgehen muss allen Projektbeteiligten bewusst sein und sich entwickeln. In jeder Besprechung ist sicherzustellen, dass man entscheidungsfähig ist, ansonsten wird diese Sitzung abgebrochen und vertagt.
Die Vorbereitung solcher Besprechungen sind sehr aufwendig und nicht mit der Vorbereitung einer konventionellen Planungssitzung zu vergleichen. Jede Kollision im Projekt muss „visualisiert“ und den Planungsbeteiligten – am besten im Vorfeld zur Sitzung – aufbereitet und aufgezeigt werden. Die an der Kollision beteiligten Parteien müssen sich dezidiert vorbereiten und jeweils einen konkreten Lösungsvorschlag haben. Dies beschleunigt die Entscheidungsrunden enorm, da es nicht um allgemeine Themen wie Haustechnikkollisionen, sondern direkt zum Beispiel um den Haustechnikknoten, 20. OG, Wohnung 20, Liftschacht geht. Jeder dieser Punkte muss ausgearbeitet werden, so dass man innert kürzester Zeit schnelle Entscheidungen herbeiführt. Durch die Einbeziehung des Bauherrn vermeidet man zeit- und kostenintensive Nachplanungen, die in der konventionellen Planung der Usus sind.
Lösungen werden so im Team zusammen mit dem Auftraggeber gefunden. Aus der Erfahrung des Autors kann gesagt werden, dass auch so bisher standardisierte Prozesse dahingehend hinterfragt werden sollten, ob es denn nicht bessere, speditive und günstigere Prozessabläufe gibt. Es kann und darf keine Denkverbote geben. Wenn es Möglichkeiten einer vereinfachten Projektabwicklung und Problemlösung gibt, müssen diese in der Sitzung direkt geprüft werden.
Wenn man sich diese Punkte ansieht, haben diese nicht zwingend etwas mit BIM zu tun, sondern sind allgemeine Punkte, deren Aussage etwas mit gesundem Menschenverstand in der Projektabwicklung zu tun haben. Es ist völlig egal, ob man diese Planungsmethoden nun „konventionelle Abwicklung“, „offenes BIM“, „geschlossenes BIM“, „kleines BIM“ oder „großes BIM“ nennt. Warum tut sich die Bauindustrie so schwer damit, Dinge, die in anderen Branchen seit Jahren üblich sind, zu übernehmen oder eigene Methoden zu entwickeln, die die Branche voranbringen?
Die Selbstverständlichkeit, ein Projekt gemeinsam integral im integralen Team zum Nutzen aller abzuwickeln, ist bis heute nicht in alle Bereiche der Planung und Ausführung vorgedrungen. Projekte in Berlin, Stuttgart und Hamburg sind Schlaglichter bezüglich der mangelnden Konsensfähigkeit der am Bau beteiligten Planer und ausführenden Firmen. In diesen Projekten wurde nicht das Gemeinsame gesucht, sondern die Individualität, die eigene, kurzlebige Gewinnmaximierung – unabhängig davon, ob Folgeaufträge damit verbunden sind oder nicht. Zum Bedauern vieler am Bauprozess Beteiligter sind viele Parteien im Prozess nicht daran interessiert, einen wirklichen Wandel umzusetzen, sondern eher damit, ihre bisherigen Pfründe zu sichern.
Punkte für das alltägliche BIM-Projekt
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Wenn Ihnen etwas unklar ist, was Ihr Gegenüber mit BIM-typischen Anglizismen meint, fragen Sie nach und klären Sie Diskrepanzen in der Wahrnehmung. Oft sind Anglizismen ein Ausdruck von Unsicherheit.
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Verteilen Sie klare Kompetenzen und fordern Sie diese auch ein.
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Investieren Sie Zeit in die Planung der Planung und schließen Sie die Planung der Planung vor Beginn der Bautätigkeiten ab.
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Halten Sie Prozessworkshops mit allen Beteiligten ab. Erstellen Sie dabei Prozesswände, auf denen jeder seine Bedürfnisse, Forderungen und Notwendigkeiten im Projekt mitteilt. Ein Ergebnis dieser Workshops ist ein detaillierter Projektabwicklungsplan. Weiterhin ist jede Planungspartei sich ihrer Rolle und Verantwortung bewusst.
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Hinterfragen Sie jeden Prozess, ob Sie diesen mittels BIM-Methoden besser und schneller machen können. Können Sie es nicht, nutzen Sie nicht zwingend BIM-gestützte Methoden.
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Zeigen Sie Sachverhalte am dreidimensionalen Modell. So werden Komplexitäten schnell sichtbar. Bereiten Sie dazu die Sitzungen vor. BIM-Sitzungen sind aufwandsintensiver und benötigten je nach Projekt mehr Zeit.
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Die Einführung von BIM ist kein Ziel. Es ist Mittel zum Zweck, attraktive und kreative Mitarbeiter zu finden und zu fördern. Bedenken Sie, dass es derzeit keine großen und attraktiven Fortbildungsangebote gibt und Sie selbst in die Ausbildung investieren müssen. Aufdoktrinierte „Marshallpläne für BIM-Einführungen“ durch öffentliche Stellen sind hier wenig hilfreich.
Die Einführung von BIM-gestützter Planung führt aus der Natur der Dinge nach anfänglicher Euphorie zu Ernüchterung und Frustration. Akzeptieren Sie, dass in Ihrer Firma nicht sofort jeder Mitarbeiter Ihre Euphorie teilen mag. Binden Sie Ihre Mitarbeiter in die Prozessgestaltung ein. Investieren Sie in erster Linie in Menschen, dann in Prozesse und dann in Technologie.
Quellen:
[1] http://constructingexcellence.org.uk/wp-content/uploads/2014/10/rethinking_construction_report.pdf
[2] Es gibt hierzu keine offiziell bestätigten Zahlen.
[3] Konrad Zuse, Bauingenieur, entwickelte 1941 den ersten vollautomatischen Rechner, Z3. Charles Babbages Vorläufer von 1832, die analytical engine no.1, war nicht vollautomatisch.
[5] «Ergebnisse der BIM-Studie für Planer und Ausführende – Digitale Planungs- und Fertigungsmethoden», 2015, Fraunhofer IAO, http://www.detail.de/fileadmin/uploads/BIM-Studie_CKH__150706.pdf
[6] Vorgänge, die unabhängig voneinander ausgeführt werden können, z.B. Einsetzen der Fenster im Obergeschoss und Streichen der Wände im UG.
[7] Vorgänge, die nacheinander ausgeführt werden müssen, also sequentiell – z.B. kann der Beton erst gegossen werden (Vorgang 2), wenn die Schalung errichtet wurde (Vorgang 1).
[8] Vorgänge, die einander bedingen, aber gleichzeitig durchgeführt werden können, z.B. muss die Hülle dicht sein, um den Unterlagsboden (Estrich) zu legen.
[9] Planungsworkshop, Fachhochschule Nordwestschweiz 2015, Friedrich Häubi.
[10] Prozesswand, Fachhochschule Nordwestschweiz 2015, Friedrich Häubi.
[11] http://www.shoegnome.com/2015/12/09/bim-still-bankrupting-firm/