Integrale Planung im Gespräch mit Prof. Dr. Christian Fieberg, Westfälische Hochschule.
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BIM in Lehre und Praxis
Mittwoch, 24.07.2019
Die Politik will den Einsatz von Building Information Modeling (BIM) in Deutschland vorantreiben. Wo liegen Schwierigkeiten für die praktische Umsetzung? Was sollte konkret beachtet werden?
Die Redaktion Integrale Planung sprach hierzu mit Prof. Dr. Christian Fieberg von der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen. Er hat dort seit 2017 die Professur für Gebäudetechnik inne. Schwerpunkte seiner Forschung und Lehre bilden die allgemeine Raumlufttechnik und BIM.
Die Produktivität tritt im Baugewerbe seit Jahren auf der Stelle. Ein großes Problem ist, dass Informationen und Änderungen nicht ausreichend kommuniziert und dokumentiert werden. Wie kann BIM dies ändern?
Das digitale Bauen und die BIM-Methode ermöglichen ein integrales Vorgehen, bei dem alle Beteiligten kontinuierlich involviert und informiert sind: Ein zentrales, gewerkeübergreifendes, digitales Modell bindet unter anderem 3D-CAD-Zeichnungen, Datenbanken, Projektpläne und Checklisten ein. Dies erlaubt eine Zusammenarbeit über den Lebenszyklus einer Immobilie – ohne Informationsbrüche. Das funktioniert aber nur, wenn sich alle Teilnehmer an die jeweils vereinbarten Planungsinhalte und Abläufe halten.
Klar ist dabei auch: Der Einstieg in das digitale Planen erfordert ein neues Denken in transparenten Prozessabläufen. Es muss die in Deutschland gewachsenen Strukturen berücksichtigen. Entscheidend ist, dass BIM von den Planern mitgetragen wird, so dass das Bauwesen schrittweise in erweiterte Chancen hineinwachsen kann. Sie liegen – gerade für kleine Büros – darin, Aufgaben und (Teil-)Leistungen im Verbund mit anderen relativ schnell erledigen zu können. Große Büros müssen dazu erst feste Strukturen und gegebenenfalls neue Abteilungen etablieren.
Wie kann BIM konkret eingesetzt werden?
BIM wird typischerweise in vier Hauptmerkmale unterschieden: Beim "Closed BIM" nutzen alle Projektbeteiligten eine gemeinsame Softwareplattform in punkto Datenverwaltung und -austausch. Kommen Gewerke hinzu, die mit anderen Programmen arbeiten, muss ein offenes Datenformat genutzt werden. Solch ein "Open BIM" lässt sich über klar definierte Schnittstellen für den Datenaustausch realisieren. Die sogenannten IFC (Industry Foundation Classes) nach DIN EN ISO 16739 erlauben den softwareübergreifenden Datentransfer, wie er schon seit langer Zeit im Bereich der Zeichnungen mit dxf- oder step-Dateien praktiziert wird.
Beim "Little BIM" werden nur einzelne Gewerke mit BIM geplant, zum Beispiel zur Berechnung der Statik. "Big BIM" schließt hingegen alle Gewerke ein. Es beschränkt sich aber meist noch auf die Leistungsphasen 1 bis 5 der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) – also bis zur Ausführungsplanung. Sinnvoll wäre aber, die einmal generierten Daten auch durchgängig für das Facility Management (FM) und den Rückbau zur sortenreinen Entsorgung der Baumaterialien zu nutzen.
Worin sehen Sie die Schwierigkeiten, dass BIM noch nicht flächendeckend in Deutschland zum Einsatz kommt/kommen kann?
Obwohl die Möglichkeiten vielfältig sind und es zahlreiche kreative Geschäftsideen gibt, setzt sich die BIM-Methode hierzulande nur sehr langsam durch. Die Beteiligten in den Behörden und Planungsbüros sind noch nicht durchgängig in die "digitale Transformation" eingestiegen. Es fehlt am nötigen Wissen, die BIM-Methode und die Möglichkeiten von digitalen Gebäudedaten sinnvoll zu integrieren.
Zudem sind die am Bau beteiligten Unternehmen meist inhabergeführt und haben oft weniger als fünf Mitarbeiter: Für sie stellt es eine finanzielle Herausforderung dar, eine Person zum Einarbeiten in BIM-Anwendungen abzustellen und zusätzlich Hard- und Software anzuschaffen. Außerdem ist vielen Beteiligten nicht klar, welchen Mehrwert BIM bringt. Dies in Kombination mit der aktuell guten Auftragslage führt zu einer geringen Motivation für Veränderungen, obwohl dafür jetzt ein guter Zeitpunkt wäre. Eine Umfrage der BauInfoConsult vom August 2017 nennt die Themen Schulung, Investitionen und BIM-Potenziale als größte Hemmnisse.
Was sollten Weiterbildungen den Teilnehmern vermitteln?
Eine zielgerichtete Weiterbildung sollte den Mitarbeitern und Inhabern der Planungsbüros zunächst Klarheit über den Schulungs- und Investitionsbedarf vermitteln. Darüber hinaus gilt es, das Potenzial der BIM-Methode aufzuzeigen. Dies kann über E-Learning und Workshops erfolgen, die kompakte Einführungs- und Aufklärungsveranstaltungen sind. Ohne sie kann die Schwelle zum Einstieg in BIM, gerade für kleine und mittelgroße Büros, zu hoch sein.
Die Ansprüche an eine spätere BIM-Qualifizierungsmaßnahme sind in der VDI-Richtlinie 2552, Blatt 8.1 ("Building Information Modeling – Qualifikationen – Basiskenntnisse"), erstmals verbindlich für die Fortbildungsanbieter festgelegt. So bietet beispielsweise das VDI Wissensforum unter meiner Leitung den Zertifikatslehrgang "Fachingenieur BIM VDI" an.
Welches Konzept liegt diesem Lehrgang zugrunde?
Beim Zertifikatslehrgang "Fachingenieur BIM VDI" wollen wir mit vier Pflichtteilen eine gemeinsame Basis, quasi ein solides Fundament, für alle Teilnehmer schaffen. Sie kommen ja als Fach- und Führungskräfte aus den unterschiedlichsten Bereichen, beispielsweise aus Architektur-/Ingenieurbüros, von Herstellern/Zulieferern, Anwendern/Betreibern von Liegenschaften. Sie können mit drei von sechs Wahlpflichtmodulen dann jeweils individuelle Themenschwerpunkte setzen:
- BIM-Projektmanagement für Bauherren,
- BIM – Digitale Planung in der TGA,
- BIM – Tragwerksplanung im Hoch- und Infrastrukturbau,
- BIM-Projekte rechtssicher umsetzen,
- BIM: Kollaboration – Prozesse – Software,
- Basiswissen Projektmanagement.
Teilnahmevoraussetzungen sind ein ingenieurwissenschaftlicher (Fach-)Hochschulabschluss sowie drei Jahre Berufserfahrung.
Welche Inhalte hat beispielsweise das Pflichtmodul "Grundlagen der BIM-Methode"?
Das Pflichtmodul 1 gibt einen Überblick zu relevanten Normen und Richtlinien, rechtlichen Grundlagen, dem Stand und Einsatz von BIM in Deutschland und weltweit. Darüber hinaus werden der Lebenszyklus eines Gebäudes, BIM-Definitionen und -Leistungsbilder betrachtet.
Für die Praxis besonders relevant: Für den Einsatz von BIM sollte der Projektzyklus nach dem Stufenplan des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) zugrunde liegen. Hier ist zu Beginn vom Bauherrn die "Auftraggeber-Informations-Anforderung" (AIA) vorzulegen, in der bereits zu einem frühen Zeitpunkt alle relevanten Wünsche des Bauherrn erfasst und in BIM-Anforderungen "übersetzt" werden. Darauf aufbauend erstellt das Planungsteam den "BIM-Abwicklungsplan" (BAP). Er dient dem Projektmanagement und beschreibt das Zusammenspiel der Beteiligten, wie Austauschformate und Übergabezeiten. Die Dokumente sind projektspezifisch aufzusetzen und anzuwenden. Hilfe bietet beispielsweise der Leitfaden BIM der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen oder der "BIM-Leitfaden für die Planerpraxis" vom Verband Beratender Ingenieure VBI.
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