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TGA

Daten als Wärmequelle der Zukunft

Mittwoch, 19.08.2020

Was sind die planerischen Potentiale für Projekte mit Daten- und Rechenzentren?

Zwei Männer arbeiten an Servern.
Quelle: 3kgzvab8SMg / unsplash

Aktuell dreht sich die Welt gleichzeitig ungleichzeitig: Ängstlich blicken wir geradezu vormodern (und dicht behaart) aus unseren "Einfamilien-Schutzhöhlen" – und rätseln, wo dieser urgewaltige Angriff auf uns herkommt und wohl hinführt.

Doch unsere "Schockstarre" versetzt unsere Daten in den digitalen Wandertag: Gigabit für Gigabit versenden wir unsere öffentlichen, privaten und geheimen Daten. Daten sind Währung, Geld, besser – Gold! Wie beim Edelmetall ist die Logistik der Daten teuer und riskant. Die dafür notwendige Infrastruktur ist komplex. Aber das Datensammeln ist bekanntlich unwahrscheinlich lukrativ – Corona ist dafür nur das Brennglas: Die großen "Global Player", wie PayPal (+16,8 Prozent), Amazon (+23 Prozent) oder Nintendo (+26 Prozent), aber auch "hidden champions", wie die deutsche Firma TeamViewer (+86 Prozent), stürmen die Börsengipfel. Die "Glücksritter vom Yukon" schürfen jetzt Bitcoins. Aber was hat das alles mit integraler Planung zu tun? Nun, das besagte "Datengold" will sicher umhaust, gut belüftet und wohltemperiert sein. Eine Aufgabe also für alle (zukunftsorientierten) TGA-Planer und Fachingenieure!

Im Folgenden werden die planerischen Potentiale für Projekte mit Daten- und Rechenzentren vorgestellt. Ein Schwerpunkt ist die Wärmerückgewinnung (WRG), mit der multivalente Wärmepumpen die Energie aus Rechenzentren für andere Abnehmer bereitstellen können. Ein weiterer Fokus liegt auf den Methoden zur freien Kühlung, da sie die Anlageneffizienz deutlich steigern und die Betriebskosten signifikant senken kann.

Das Diagramm zeigt die Entwicklung des Energiebedarfs deutscher Rechenzentren von 2010 bis 2017.
Quelle: Borderstep, 2018
Entwicklung des Energiebedarfs deutscher Rechenzentren.

Eine wichtige Unterscheidung gleich zu Beginn: Der Beitrag behandelt nicht die Planung eines Rechenzentrums. Dafür müssten noch wichtige Punkte, wie Sicherheitskonzepte, Redundanz, Ausfallsicherheit oder Brand- und Lärmschutz, diskutiert werden. Vielmehr geht es um die häufiger werdenden Bauprojekte, in denen unter anderem ein Rechenzentrum versorgungstechnisch einzubinden ist. Parallel dazu nehmen zwei Arten von Rechenzentren Fahrt auf: Zentrale, riesige Serverfarmen in kalten, trockenen, lose besiedelten Regionen einerseits und dezentrale, kleinere Rechenzentren in Ballungsräumen. Um die letztgenannte Gattung soll es in diesem Beitrag gehen. Sie eignen sich zur Einbindung in be- oder entstehende versorgungstechnische Konzepte für Räume, Gebäude oder Quartiere.

Die Bedingungen vor Ort und das Budget setzen den Rahmen für jede Planung. Soll ein Rechenzentrum mitgeplant werden, sind neben dem Gebäudenutzungskonzept auch die Anforderungen an das Rechenzentrum selbst zu beachten. Das Gebäudenutzungskonzept liefert die entscheidenden Bedingungen, wie, wann und in welchem Umfang die Wärmeleistung aus dem Datenverkehr für andere Gebäudeteile und/oder ggf. Prozesse genutzt werden kann.

Grundsätzlich stellen die verschiedenen Teile eines Gebäudes unterschiedliche Anforderungen an eine Klimatisierungslösung: Büroräume benötigen Kühlung bzw. Heizung, Datenzentren nur Kühlung. Die unterschiedlichen Nutzungsprofile hängen mitunter von den saisonal variierenden Außenbedingungen ab.

Es gibt zudem nicht nur externe, tages- und jahreszeitabhängige Lasten. Je nach Tageszeit variieren auch die internen Anforderungen der Nutzer: Morgens beispielsweise führt der Weg der meisten Büroangestellten zu ihrem E-Mail-Postfach. Der E-Mail-Server hat also erhöhten Kühlbedarf, gleichzeitig muss das Speichersystem die abgeführte Abwärme des E-Mail-Servers aufnehmen können. Auch die Abnehmer wollen deshalb berücksichtigt werden, zum Beispiel: niedrige Vorlauftemperatur für Flächenheizungen, mindestens 60 °C zur Brauchwarmwasserbereitstellung.

Im Idealfall überwacht und steuert ein zentrales Regelungssystem die Wärme- bzw. Kälteverteilung im Gebäude. Gängige Schnittstellen zur (vorhandenen) Gebäudeleittechnik, wie "Modbus TCP", "BACnet" oder "Profibus DP", bedient im Normalfall auch jede Rechenzentrum-Klimatisierungslösung. Die Regelung kennt die tageszeit-, außentemperatur- und nutzerabhängigen Bedürfnisse und speist bedarfsgerecht Wärme bzw. Kälte in die verschiedenen Heiz- und Kühlkreise sowie in den Speicher. Zudem muss die Regelung eine Diagnose des Ist-Zustandes erstellen können, um Unregelmäßigkeiten und Störungen möglichst schnell zu erkennen und zu melden.

Bereits in die Wärmepumpe integrierte Komponenten, wie Hydraulikgruppen und Pumpen, gewährleisten eine ab Werk erprobte und abgestimmte Regelung. Programmierbare Ladeschaltungen ermöglichen eine effiziente Befüllung der Warm- und Kaltwasserspeicher.

Der Dreisprung aus Abgabe, Rückgewinnung und Bereitstellung

Ein gewichtiger Anteil des Energiebedarfs eines Rechenzentrums betrifft seine Klimatisierung: CPUs, GPUs, Switches und Festplatten stellen unter Last einerseits sehr viel (Ab-)Wärme bereit, arbeiten andererseits jedoch am effizientesten in gleichbleibend trockener und kühler Atmosphäre. Da Energie weder vernichtet noch erzeugt, sondern nur verschoben werden kann, bugsieren die meisten Datenzentren die thermische Energie der Komponenten lediglich aus dem Gebäude hinaus.

Doch warum wird diese Abwärme in die Atmosphäre "verbannt" und damit verschwendet, wenn man sie doch nutzbringend und wirtschaftlich beispielsweise für Heizzwecke – im Gebäude selbst sowie in Wärmenetzen – einsetzen kann? Zum Vergleich: Ein mittelgroßes Datenzentrum stellt etwa 3.700 MWh Wärme pro Jahr zur Verfügung. Dies entspricht dem jährlichen Wärmebedarf von etwa 165 Einfamilienhäusern. Das System muss die Wärme für eine weitere Nutzung jedoch zunächst zurückgewinnen. Dafür wird ein multivalentes System mit Wärmepumpe eingesetzt: Sie kann gleichzeitig kühlen, heizen (auch hohe Wassertemperaturen von bis 60 °C zur hygienischen Brauchwarmwasserbereitung), Abwärme auskoppeln und weitere Energiequellen (z.B. Geothermie, Grund-, Fluss- oder Meerwasser) nutzen.

Beispielschema eines Systems zum Heizen und Kühlen mit Wärmepumpe –  mit Abwärmenutzung und freier Kühlung.
Quelle: Swegon
Beispielschema eines Systems zum Heizen und Kühlen mit Wärmepumpe – mit Abwärmenutzung und freier Kühlung.

Für die Einbindung der Wärmequelle "Rechenzentrum" in ein versorgungstechnisches Konzept sind folgende Kenngrößen zentral:

  • Anschlussleistung (wichtige Größe für die maximale Wärmeleistung des Rechenzentrums),
  • Austrittstemperaturlevel (gängig sind +10K zur Ansaugtemperatur),
  • Ansaugtemperaturlevel (22 bis 35 °C; Faustregel: pro K höhere Ansaugtemperatur -6 Prozent Energiekosten),
  • besondere klimatechnische Anforderungen, beispielweise bei Batteriespeichern.

Große wie kleine Rechenzentren werden zunehmend aus einer langfristigen Perspektive betrachtet: Die Betriebskosten rücken damit in den Vordergrund. Der hauptsächliche Grund hierfür sind die steigenden Energiepreise. Planer, welche Investoren hier technische Lösungen mit optimierten Kosten über den gesamten Lebenszyklus bieten können, sind dabei natürlich im Vorteil.

Großes Einsparpotential für jedes Rechenzentrum bietet die freie Kühlung: Dabei kühlt die Außenluft das Datenzentrum direkt oder indirekt. Der Vorteil: Die Wärmepumpe bzw. der Kaltwassersatz muss nur dann Kälte ins Datenzentrum liefern, wenn die Außentemperatur über einen bestimmten Wert (z. B. 20 °C) steigt – unter diesem definierten Außentemperaturlevel entfallen die Stromkosten zur Kälteerzeugung, nur die Ventilatoren und Pumpen werden genutzt, um Luft bzw. das Wasser-Glykol-Gemisch zu bewegen. Grundsätzlich gilt die Einschränkung: Die Anlage zur mechanischen Kühlung muss die freie Kühlung unterstützen können, sobald die Temperaturdifferenz zwischen der Außenluft- und der sogenannten Warmgangtemperatur zu gering ist. Normalerweise tritt dies bei einer Außenlufttemperatur von über 20 °C ein.

Von Oliver Rosteck
Bereichsleiter Key Account Management, Swegon Germany GmbH
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