In meiner Jugend habe ich mein Taschengeld mit Praktika und Ferienarbeit aufgebessert. Wenn ich so zurückblicke, war mein Einsatz recht einfach. Ich war Teil einer Art "Taskforce", welche "Betonkosmetik" genannt wurde.
Die Digitalisierung der Bauindustrie ist unumkehrbar
Montag, 01.07.2019
Was idyllisch tönt, war im Prinzip nichts anderes als der Trupp, der die Fehler der vorhergehenden Prozessschritte mit Gips, Beton und Farbe ausbessern durfte. Betonbauteile mussten mit viel Aufwand hergerichtet werden, dass sie so aussehen wie perfekt hergestellt. Eigentlich so, wie sie ursprünglich geplant waren - eigentlich. Meistens entsprach die Planung aber nicht dem, was dann auf der Baustelle ausgeliefert oder umgesetzt wurde.
Viel hat sich in den letzten, fast 25 Jahren seitdem nicht unbedingt getan. Die Wertschöpfungskette dümpelt weiter für sich vor sich her; weiterhin überschreitet der Dezibelwert in manchen Baubuden regelmäßig die Zimmerlautstärke, gemäß dem Motto: "Wer laut schreit, hat nicht immer recht, aber er setzt sich durch". Leider bauen oftmals noch immer wie vor 300 Jahren, nur mit mehr und mehr maschineller Unterstützung. In den letzten Jahren kommt aber mehr und mehr dazu: Nullen und Einsen, sprich die konsequente Anwendung von digitalen Hilfsmitteln.
Betrachtet man die Entwicklungen der letzten Jahre, so ist eines sicher: Digitalisierung bestehender Prozesse, ob man sie nun BIM nennt oder ein anderes Etikett anheftet, ist unumkehrbar und unumstößlich. Doch ist BIM nicht das Allheilmittel. Hier kann ich immer nur davor warnen, alle Hoffnungen in BIM zu stecken. Es ist nur ein kleiner Teil. Wenn Sie schlechte, fehlerhafte oder lückenhafte Prozesse haben und BIM einführen möchten, ist dies zum Scheitern verurteilt. Es benötigt straff optimierte Prozesse, eine klare Organisation, Rollen und Verantwortlichkeiten. BIM ist viel mehr als Software einzukaufen!
Das wichtigste ist und bleibt hier auch hier der Mitarbeitende. Kommunikation ist die wichtigste Aufgabe des Managements bei der Einführung von digitalen Prozessen und Methoden. Wenn Mitarbeiter nicht eingebunden werden, nicht mitziehen und auch nicht mitgenommen werden, scheitert alles – eben auch die Einführung von digitalen Methoden. Oftmals hat man viele Berater gesehen, die Sachen unnötig verkomplizieren. BIM ist aber nicht kompliziert, es ist einfach nur komplex. Man benötigt eine klare Strategie, was man machen möchte. Wo möchten Sie denn als Unternehmung in zwei Jahren stehen?
Als ich vor knapp drei Jahren einem Studenten half, seine Bachelorarbeit zum Thema BIM zu erstellen, habe ich ihm an Anfang eine einzige Frage gestellt: Welchen Mehrwert möchtest Du mit Deiner Arbeit Deinem Kunden bieten? Die Antwort war ungewöhnlich: Wir wollen Kunden schon heute ihr morgen zeigen. Das hat mich tief beeindruckt. Diese Kundenfokussierung ist für die Bauindustrie oftmals ungewohnt. Oder haben Sie schon einmal eine Customer Journey Ihres Kunden aufgezeichnet? Ja, warum soll der Kunde in Zukunft eigentlich zu Ihnen kommen? Warum sind Sie besser als Ihr Konkurrent? Sind Sie besser als er?
Viele Gewohnheiten werden wir aufgegeben müssen, Lösungen nicht mehr mit dem Presslufthammer vom Polier gesucht werden, sondern kollaborativ im gesamten Planungs- und Realisierungsteam – und dazu gehört auch der Kunde! Dies noch dazu viel früher, nämlich bevor nur ein einziger Stein verbaut worden ist. Ist die Baubranche dafür bereit? In den wenigsten Projekten, in die ich gerufen werde, sind alle Beteiligten in der Lage, interdisziplinäre Konflikte auszutragen oder nicht nach den alten Mustern zu agieren: Der andere hat etwas gemacht, was ich nun ausbaden muss.
Diese künstlichen Grenzen muss man sich leisten können. Nur, wenn es einer Branche zu gut geht, hat man die Zeit und Muße, sich über so etwas zu unterhalten.
Wir müssen diese Grenzen in Zukunft überwinden, jahrhundertelang antrainiertes Verhalten wieder abtrainieren, auch wenn es schmerzhaft ist. Ansonsten tun es andere für die Bauindustrie – mit allen daraus resultierenden Konsequenzen.