Belastbare Hainbuchen
Um bauphysikalische, lufthygienische und stadtökologische Wirkungen von Fassadenbegrünungen kümmert sich die Wissenschaft seit gut 20 Jahren. Die bisherigen Ergebnisse – in der Regel aus Untersuchungen an einzelnen Ausführungen – belegen eindeutig die positiven Effekte. Allerdings mangelt es an belastbaren messtechnischen Daten, die in bauphysikalische Formeln als Faktor einfließen könnten, etwa zur Berechnung des sommerlichen Kühlbedarfs von größeren Immobilien oder der Transmissionswärmeverluste. Man tut sich wegen der Wechselhaftigkeit der einzelnen Klima prägenden Einflüsse über das Jahr gesehen mit einer Gewichtung der Begrünung auf das Innenraumklima in Form von festen Beiwerten schwer.
Warum Hainbuchen zur Fassadenbegrünung? Das Auswahlverfahren enthielt verschiedene Kriterien. Gestalterisch sollte die Vegetation über das Jahr ein wechselndes Erscheinungsbild bieten. Die Pflanzen dürfen ferner nicht giftig und müssen widerstandsfähig gegen Schädlinge wie auch gegen Wind sein. Des Weiteren bedarf es Eigenschaften wie ein negatives Kletterverhalten (kein Efeu-Effekt). Sie müssen auch ohne direktes Sonnenlicht Formerhaltend gedeihen. Die Wissenschaftler sprechen in Bezug auf diese Charakteristik von Schattenflucht. Für die sonnenarme Nordseite des Neubaus an der Schadowstraße kommt mithin nur ein Grün infrage, das keine Schattenflucht entwickelt.
Karl-Heinz Strauch stützte sich für die Erstellung seines Eigenschaftenkatalogs unter anderem auf die Richtlinien für die grüne Branche der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. (FLL), Bonn, ab, wie auch auf den Forschungsbericht „Ökologie der Hainbuche mit besonderer Berücksichtigung ihrer Eignung für eine Fassadenbegrünung“, in der Prof. Dr. Albert Reif von der Universität Freiburg diesen Einsatz der „Carpinus betulus“ analysiert. Die strapazierfähige Hainbuche als nicht-immergrüne Botanik empfehlen diese und andere Veröffentlichungen als Fassadenverkleidung unter anderem deshalb, weil für die immergrüne Alternative vor allem im Winter ein hohes Gefährdungspotential durch die Kombination einer geringen Luftfeuchte mit hoher Windgeschwindigkeit besteht und damit mit Wassermangel im Wurzelbereich. Die Hainbuche demgegenüber reduziert im Winter ihr aktives Laub auf ein Minimum und damit erheblich die Gefahr von Trockenschäden.
Tropfenbewässerung zur Wasserversorgung
Die exakten Daten zur Bewässerung zog die „Arge Carpinus“ nicht aus der Schublade. Genauso wenig wie sich wegen der Vielzahl und der Wechselhaftigkeit der Einflussfaktoren die Konsequenzen auf das Raumklima beiwertmäßig erfassen lassen, entzieht sich der Wasserbedarf einer normativen Tabellierung. Die Baumschule Bruns im Ammerland an der Grenze zu Ostfriesland zog die Hainbuchen in drei Jahren groß und bereitete die Bäumchen in Trögen auf ihre ganz spezielle Belastung in der Fassade in Düsseldorf vor. Die genaue spätere Position jedes Kübels hatten die Gartenbauer im Vorhinein festgelegt. Entsprechend richteten sie die Bepflanzung im Ammerland aus. Während der Entwicklungspflege in Norddeutschland entstand auch die Tropfstrategie. Die Mitarbeiter dort erfassten und dokumentierten die Wirkung der Bewässerung an repräsentativen Segmenten und korrelierten sie mit klimatischen Rahmenbedingungen. Die Neigung der Fassade an der Schadowstraße bewirkt eine stufenförmige Anordnung der Behälterreihen.
Wassermengen und Bewässerungsintervalle müssen variabel steuerbar sein. Die Wasserverteilung geschieht durch eine Tropfbewässerung über die Oberfläche der Vegetationstragschicht. Der Wasserüberschuss tritt aus der Drainage aus. Das verhindert eine Ablagerung von Salzen in den oberen Substratschichten. Der Strauch-Bericht schreibt dazu: „Die Wasserverteilung ist so auszulegen, dass die Versorgungsintensität (Bewässerungsdauer und Bewässerungsintervall) jederzeit unterschiedlichen beziehungsweise sich ändernden Wasserbedarfen angepasst werden kann.“ Zu berücksichtigen sind „hohe Transpirationsraten an besonders exponierten Stellen. Wesentliche Ursachen sind unterschiedliche Strahlungsintensitäten und Strahlungsmengen (Globalstrahlung) als Folge der jeweiligen Flächenausrichtung sowie erhöhte Windbelastungen, die an Strömungsübergängen der Rand- und Eckbereiche der Fassade und der Dachfläche auftreten. Daraus ergeben sich Anforderungen an die Flexibilität des Bewässerungssystems und der Bewässerungssteuerung sowie an Kontrolle und Wartung. Es empfiehlt sich eine Unterteilung des Bewässerungssystems in unabhängige Bewässerungsgruppen.“