Nachhaltigkeit

Hainbuche als Klimaanlage

Dienstag, 24.08.2021

Foto: Kontrolle und Wartung der Fassade durch mobile Plattform zwischen den einzelnen Reihen sowie Messstationen in der Fassade für die Tropfbewässerung.
Quelle: Genath
Eine mobile Plattform zwischen den einzelnen Reihen lässt Kontrolle und Wartung zu. Messstationen in der Fassade erfassen das aktuelle Wettergeschehen und steuern danach die Tropfbewässerung.
Foto: Durchnummerierung und QR-Code zum Identifizieren der einzelnen Hainbuchen.
Quelle: Genath
April 2021 – Blätter- und Knospenblüte: Durchnummerierung und QR-Code zum Identifizieren der einzelnen Hainbuchen.

Umfangreiche Sensorik

Für die Tropfbewässerung am Kö-Bogen, mit Schatten- und Sonnenlage, mit spärlichem winterlichem Wachstum und prallem sommerlichen Blattgrün, heißt das, für die achtstündige Bewässerung am Tag einen Wasserverbrauch zwischen 1,8 bis 5,6 l pro Meter Heckenelement zu gewährleisten. Die bedarfsorientierte Regelung orientiert sich deshalb über eine Sensortechnik sowohl an den pflanzenspezifischen als auch den verbrauchsbeeinflussenden Standortbedingungen. Ebenso überwacht sie die Versorgung der Pflanzen mit Nährstoffen in Form eines wasserlöslichen Düngers, den eine Vorrichtung in der Kopfstation der Bewässerungsanlage dem Wasser beimischt. Konkret fragt die Elektronik folgende Parameter ab und justiert nach:

▪ Bewässerungsstatus des Pflanzenbestands,

▪ Füllstand der Anstauschicht,

▪ Wasserausgabestellen (Tropfer),

▪ Bewässerungsmengen,

Strömungswächter für die Wasserzufuhr,

▪ Nährstoffdosierung,

▪ Salzgehalt und pH-Wert des Bewässerungswassers,

▪ Erfassung und Dokumentation der relevanten Klimadaten, Niederschlag, Lufttemperatur, Windgeschwindigkeit und Windrichtung, Sättigungsdefizit der Luft.

Im Winterschlaf

Das Begrünungskonzept hatten die Firmen Jakob Leonhards Söhne und Benning Dachbegrünung als „Arge Carpinus“ umgesetzt. Pflege und Wartung erfolgen durch Leonhards. Das Wuppertaler Unternehmen befasst sich mit Garten- und Landschaftsbau seit über 130 Jahren. Aktuell begrünt Leonhards die neue Calwer-Passage in Stuttgart, die ebenfalls Kö-Bogen-Architekt Christoph Ingenhoven gestaltete (wie auch den Hauptbahnhof Stuttgart 21). Martin Belz, Prokurist und Verantwortlicher für Großprojekte, hält sehr viel von der Hainbuche: „Das ist ein sehr robustes, widerstandsfähiges und genügsames Gehölz. Selbst an Hochsommertagen wurden Wasserverbräuche von maximal 2,5 Liter/Pflanze gemessen. Sie ist sehr schnittverträglich, kennt gegenüber vielen anderen Heckenpflanzen wenig Krankheiten und besitzt eine hohe Regenerationsfähigkeit. Darüber hinaus fällt sie regelrecht in den Winterschlaf. Das Grün wechselt über gelb/rötlich in braun und verbraucht in diesem Zustand wenig Wasser und Nahrung. Für den Kö-Bogen 2 wurden im Baumschulbetrieb Bruns Hainbuchenpflanzen selektiert, die besonders laubhaltend sind und deren Blätter erst kurz vor dem Neuaustrieb abfallen. Das heißt, es bleibt weitgehend bei den bauphysikalischen Eigenschaften, nämlich der Verschattung und somit der »Dämmung« der Fassaden.“

Die Robustheit der Heckenpflanzen ist das eine, die Robustheit der Technischen Gebäudeausrüstung (TGA) das andere. Ohne Wasser und Nährstoffe hält auch die Hainbuche nicht lange durch. „Das ist klar. Deshalb haben wir im Kö-Bogen ausreichend Redundanz installiert. Die Bewässerung der rund 160 Kreise geschieht über zwei völlig unabhängige Bewässerungsanlagen. Strom- und Wasserversorgung werden aus getrennten städtischen Netzen in die beiden Anlagen eingespeist. Sollte eine Anlage ausfallen, übernimmt die andere Anlage automatisch die Versorgung sämtlicher Kreise. Unter einer kurzen Versorgungsunterbrechung leidet die Hainbuche nicht. Bricht die öffentliche Lieferung jedoch einmal völlig zusammen, kommen das Wasser aus Tankwagen und der Strom aus dem Notstromaggregat.

Wie sieht es bei einem Feuerunfall aus? Die Landesbauordnungen gehen auf den Brandschutz grüner Fassaden ein. Die DIN 4102-4 hat den Mustererlass der Arge Bau „Brandverhalten begrünter Dächer“ in ihrem Bauteilkatalog aufgenommen. Der rechnet begrünte Dächer formal den harten Bedachungen zu: „Dächer mit Intensivbegrünung und Dachgärten – das sind solche, die bewässert und gepflegt werden und die in der Regel eine dicke Substratschicht aufweisen – sind ohne weiteres als widerstandsfähig gegen Flugfeuer und strahlende Wärme (harte Bedachung) zu bewerten.“ So sieht es denn auch die Landesbauordnung NRW. Die Wissenschaftler der Beuth Hochschule in Berlin hatten sich in der Planungsphase die Feuerwiderstandsfähigkeit der Hecke genau angeschaut. Sie strapazierten sie mit einem Brandtest, malträtierten sie unter anderem mit einem Gasbrenner. Stamm und Äste fingen kein Feuer, lediglich die Blätter verkokelten. Daraufhin gab auch der Brandschutz der grünen Architektur seinen Segen insofern, dass er für die Fassade keine Sprinkleranlage verlangt.

Von Bernd Genath
Düsseldorf
Aktuelle Bewertung
Ihre Bewertung
Vielen Dank für Ihre Bewertung.

Sie haben eine Frage zu diesem Artikel? Dann stellen Sie der Redaktion hier Ihre Fachfrage!

Donnerstag, 15.08.2024

Abonnieren Sie unseren Newsletter

Möchten Sie die aktuellen Artikel per E-Mail erhalten?

Einloggen

Login / Benutzername ungültig oder nicht bestätigt

Passwort vergessen?

Registrieren

Sie haben noch kein Konto?
Dann registrieren Sie sich jetzt kostenfrei!
Jetzt registrieren

 

Expertenfragen

„Frag‘ doch einfach mal – einen Experten!": Nach diesem Motto können Sie als Nutzer der TGA contentbase hier ganz unkompliziert Fachleute aus der Gebäudetechnik-Branche sowie die Redaktion der Fachzeitschriften HeizungsJournal, SanitärJournal, KlimaJournal, Integrale Planung und @work zu Ihren Praxisproblemen befragen.

Sie wollen unseren Experten eine Frage stellen und sind schon Nutzer der TGA contentbase?
Dann loggen Sie sich hier einfach ein!

Einloggen
Sie haben noch kein Konto?
Dann registrieren Sie sich jetzt kostenfrei!
Registrieren