Aber warum haben Sie sich entschieden, ausgerechnet ein Modul für die Kühllastberechnung zu entwickeln? Wäre es aus Ihrer Sicht nicht logischer gewesen, die Simulation von Räumen und Gebäuden zu forcieren?
Lotz: Wir hatten schlichtweg Bedarf an einer Kühllastberechnung nach VDI 2078, um unser Portfolio zielgerichtet zu erweitern und die Anforderungen unserer Anwender zu erfüllen. EQUA wiederum war daran interessiert, "IDA ES-BO" in ein passendes, vielseitiges Softwarepaket zu integrieren. Durch das neue Modul ist unser Planungswerkzeug jetzt mit einer normaktuellen Heizlast- und Kühllastberechnung optimal aufgestellt. Diese Bausteine runden unser Funktionsangebot im SHKL-Bereich passgenau ab. Dementsprechend stoßen wir aktuell auf großes Interesse im Markt.
Morbitzer: Simulationen werden in Deutschland derzeit noch schwerpunktmäßig eingesetzt, um den thermischen Komfort zu ermitteln. Unsere Software ist jedoch auch für die TGA-Branche gedacht und hier möchten wir sie auch weiter etablieren. Vor einigen Jahren brachte der VDI dann die Richtlinie 2078 auf den Markt, die eine dynamische Kühllastberechnung fordert. Dies kam uns entgegen, da unsere Anwendungen Lasten generell dynamisch berechnen. Also haben wir uns entschlossen, ein Modul zu entwickeln, mit dem man die Kühllastberechnung nach VDI 2078 berechnen kann. Gleichzeitig konnten wir aber nicht mit einer Kühllastberechnung als "Stand-alone"-Lösung auf den Markt gehen. Daher war es eine logische Entscheidung, unsere Anwendung in eine Umgebung einzubinden, welche die gesamte TGA-Planung abdeckt.
Wie Sie aber richtigerweise angemerkt haben, bietet das Modul noch weitaus mehr Möglichkeiten als die Berech-nung von Kühllasten nach Norm. Vielmehr lassen sich vielfältige Simulationen durchführen, bei denen unter anderem die Energieerzeugungssysteme, die Übergabesysteme in den Räumlichkeiten oder auch raumlufttechnische Anlagen mit variablen Volumenströmen berücksichtigt werden. Kurz: Das Gebäude, die Anlagen und die Regelungstechnik können in Kombination simuliert werden, um ein Bauwerk ganzheitlich energetisch zu optimieren.
Wie haben Sie Ihre Software "IDA ESBO" an die in Deutschland geltenden Vorgaben für die Kühllastberechnung angepasst, um das "DDS-CAD"-Modul zu realisieren?
Morbitzer: Wenn wir in Deutschland über Kühllastberechnung reden, dann sprechen wir immer auch über die VDI-Richtlinien 2078 und 6007 ("Berechnung des instationären thermischen Verhaltens von Räumen und Gebäuden"). Die VDI 2078 enthält verschiedene Vorgaben für die Durchführung einer Kühllastberechnung, zum Beispiel die zu verwendenden Klimadaten. Diese haben wir in "IDA ESBO" implementiert.
Die VDI 6007 definiert in den Blättern 1 bis 3 zudem ein grundlegendes Verfahren für die Raum- und Gebäudesimulation. Im Hinblick auf unsere Software ist dieser Ansatz eine gewisse Herausforderung, denn unser Rechenkern arbeitet extrem genau. So wird beispielsweise die Solarstrahlung bei unseren Anwendungen stets gerichtet im Raum verfolgt. Die VDI 6007 aber setzt für die Berechnung – wie übrigens andere Anwendungen auch – eine diffuse Verteilung der Strahlung im Raum an. Die für die Validierung einer Kühllast-Software maßgeblichen Ergebniskorridore beruhen auf diesem Berechnungsverfahren. Mit unserem Ansatz haben wir diese Korridore zunächst verfehlt. Darum haben wir die Berechnungsansätze unserer Applikation teilweise angepasst.
Lotz: Sowohl die VDI 2078 als auch andere Verfahren für die Kühllastberechnung haben sicherlich ihre Berechtigung. Im Rahmen unserer Partnerschaft streben wir aber an, den für die Zukunft der Planung wichtigen Aspekt der Gebäudesimulation stärker in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken.
Außerhalb Deutschlands spielt die Gebäudesimulation ja schon eine weitaus wichtigere Rolle als derzeit bei uns. Wie sieht es dort aus?
Morbitzer: Im europäischen Ausland ist die Situation eine komplett andere. In Schweden beispielsweise ist man bei der Berechnung des Energiebedarfs für einen öffentlich-rechtlichen Nachweis relativ frei. Hier muss lediglich nach zwei Jahren nachgewiesen werden, dass der Energieverbrauch eines Gebäudes besser ist als prognostiziert. Daher werden Bauwerke in Schweden sehr seriös simuliert. Bei der Überprüfung bestehender Gebäude kommt nicht selten eine unserer Softwarelösungen zum Einsatz, da diese besonders exakte Berechnungsergebnisse liefern.