In Zaandam entstand ein modernes Hotel, das historisches Ambiente mit hohem Komfort kombiniert. Dabei setzten die Verantwortlichen konsequent auf BIM.
BIM ist ein Mittel, kein Selbstzweck
Mittwoch, 21.08.2019
Wer den Städteurlaub in Amsterdam mit einem Besuch der historischen Sehenswürdigkeit Zaanse Schans verbinden möchte, wohnt nicht selten im direkt vor den Toren der Hauptstadt gelegenen Zaandam. Nur einen Steinwurf vom Bahnhof entfernt, liegt hier das Zaan Hotel. Mit seiner Fassade in Holzoptik, der vornehmlich grünen Farbgebung und dem authentischen Glockengiebel zieht das Gästehaus die Blicke der Besucher auf sich und orientiert sich zugleich am Baustil der Region.
Dabei war das Gebäude in der Ebbehout 22 bis vor Kurzem alles andere als ein Blickfang. Mitte 2016 stand an dieser Adresse noch ein unscheinbares Bürohaus, das im Rahmen eines beeindruckenden Umbauprojekts in das heutige 4-Sterne-Hotel mit knapp 100 luxuriös eingerichteten Hotelzimmern, einem Restaurant, einem Frühstücksbereich, einer Bar sowie einer Lobby verwandelt wurde. Hierfür musste das ursprüngliche Gebäude bis auf seine Hülle zurückgebaut, um ein Stockwerk erweitert sowie sämtliche Installationen neu geplant und umgesetzt werden. So kommt etwa für die Klimatisierung der Räumlichkeiten ein modernes Luft-Luft-Wärmepumpensystem zum Einsatz, das gleichzeitig heizen und kühlen kann.
Einhellige Entscheidung für BIM
Die Umbaumaßnahmen an dem Gebäude führte das Bauunternehmen Van der Gragt im Auftrag von Van der Gragt Beheer BV durch. Die Verantwortung für die elektrischen und mechanischen Installationen übernahmen jeweils die Amsterdamer Spezialisten SDR Elektrotechniek und Bennink Klimaattechniek. Gemeinsam fassten die Kooperationspartner den Beschluss, für die Planung des Hotels die BIM-Methode zu nutzen. Hierfür griff Bennink Klimaattechniek auf die fachmännische Unterstützung von Van Duin Installatie Management aus dem nordholländischen Obdam zurück.
"Im Rahmen des Bauprojekts übernahm unser Unternehmen die Planung der Klima- und Sanitärinstallationen inklusive der zugehörigen Berechnungen und Dokumentationen", erklärt Bart van Duin, Geschäftsführer von Van Duin Installatie Management. "Anhand von Faktoren wie etwa der Kühllast, Wärmeverlusten sowie Kanal- und Rohrsystemberechnungen bestimmten wir die Leistungen der verschiedenen Installationen sowie die Dimensionen der Kanäle, Rohre und Abwasserleitungen. Diese modellierten wir im Anschluss auch in unserer BIM-Software. Über die Online-Plattform 'Bimsync' wurden die verschiedenen BIM-Modelle betrachtet, analysiert, geteilt und die Prozesse koordiniert."
Frühzeitige Vermeidung von Kollisionen
Zusätzlich führten die Projektpartner in regelmäßigen Abständen Kollisionsprüfungen durch, um die Fehlerkosten in der Umsetzungsphase so gering wie möglich zu halten. "Die Prüfungen wurden sowohl auf der Online-Plattform als auch direkt in der bevorzugten Anwendung des Elektroinstallationsunternehmens durchgeführt", ergänzt van Duin. "Dazu importierte SDR Elektrotechniek unsere 3D-Modelle im IFC-Format in seine BIM-Software. Anschließend analysierten wir gemeinsam alle Installationen, Rohrleitungen und Aussparungen. Falls notwendig, wurden die Modelle auf Basis der Prüfungsergebnisse optimiert."
Während das Elektroinstallationsunternehmen die Entwürfe und die Dokumentation mit einer typischen Closed-BIM-Software erstellt, entschieden sich die Fachplaner für die Open-BIM-Lösung "DDS-CAD" von Data Design System. Der Hauptgrund hierfür war, dass das Ingenieurbüro nicht den erheblichen Einschränkungen des Closed-BIM-Ansatzes unterliegen wollte. Schließlich konzentrieren sich die Entwickler derartiger Anwendungen in erster Linie auf die Arbeit mit ihren herstellereigenen Dateien.
Zukunftsfähigkeit durch offene Standards
"Unsere Softwarelösung hingegen verfügt über eine generische Datenbank und ist stärker auf den Datenaustausch über offene Standards wie IFC und BCF ausgerichtet", erläutert van Duin. "Besonders mit Blick auf die Zukunft ist dies ein einzigartiger Mehrwert, da immer mehr Hersteller ihre Produktdaten im IFC-Format zur Verfügung stellen werden." Des Weiteren lobt der Geschäftsführer die hochwertige Beratungsleistung des Ascheberger Softwarehauses: „Das Unternehmen bietet einen sehr guten Support. Unsere Fragen wurden schnell und kompetent beantwortet und die Mitarbeiter sind äußerst fachkundig. Das war hier besonders von Vorteil, denn das Zaan Hotel war unser erstes großes BIM-Projekt."
In seinen BIM-Entwurf bezog das Ingenieurbüro eine Vielzahl von Artikeln aus der standardmäßig vorhandenen "DDS-CAD"-Datenbank ein. "Wir erstellten aber auch selbst Artikel, darunter etwa die sanitären Einrichtungen in den Hotelzimmern. Für sie gab es kein direkt verfügbares, vergleichbares Grundmodell. Also nutzten wir vorhandene DWG-Dateien und fanden gemeinsam mit dem Support eine passgenaue Lösung", so van Duin.
Zeichnungen für die Baustelle
Im Gegensatz zur Planungsphase wurde bei der praktischen Ausführung weniger mit der digitalen Arbeitsmethode gearbeitet. "Natürlich kam BIM in Situationen zum Einsatz, in denen es wirklich einen Mehrwert bot. Doch in vielen anderen Fällen – beispielsweise bei der Anordnung der Aussparungen – griffen wir auf traditionelle Zeichnungen zurück, die anhand der Modelle erstellt wurden. Das war einfacher für die Arbeiter auf der Baustelle, da diese mit der Methodik nicht ausreichend vertraut waren." Laut van Duin war dies aber gar kein Problem: "Letztendlich sollte BIM immer nur ein Mittel sein, kein Selbstzweck."
Allerdings geht der Installationsspezialist davon aus, dass in Zukunft immer mehr Unternehmen mit BIM arbeiten werden: "Der herkömmliche Weg der Planung und Realisierung lässt sich nicht gänzlich ersetzen. Für Konstrukteure ist BIM ein hilfreiches Werkzeug, doch letzten Endes müssen die Arbeiter auf der Baustelle damit umgehen können, was nicht immer der Fall ist. Daher stehen wir vor der Herausforderung, das bestmögliche, praktikable Modell für sie zu entwickeln. Im Fokus steht dabei immer der Bau eines Gebäudes mit einer optimalen technischen Gebäudeausrüstung."
Im Sommer 2018 wurde das Zaan Hotel schließlich eröffnet. "In der Umsetzungsphase kam es zu leichten Verzögerungen, da der Hotelbetreiber in dieser Zeit eine zweite Immobilie in der Ebbehout erwerben konnte", fügt van Duin an. "Hier soll das ausschließlich mit Gästezimmern bestückte 'Zaan Hotel 2' entstehen. Die anderen Räumlichkeiten befinden sich sämtlich im Zaan Hotel, das während der Bauarbeiten entsprechend angepasst wurde." Für die Realisierung des Zaan Hotel 2 leistete das Ingenieurbüro bereits einige Vorarbeiten.
Hagen Lotz, Geschäftsführer der Data Design System GmbH, beantwortet Fragen zum Status quo beim Thema BIM.
Herr Lotz, "Deutschland hinkt bei BIM hinterher" lautet eine populäre Überschrift in der Bauwirtschaft. Wie beurteilen Sie den aktuellen Stand?
Tatsächlich gibt es in Deutschland beim Thema BIM noch erhebliches Entwicklungspotential. Angesichts der hohen Auslastung fehlt vielen Baubeteiligten schlicht die Zeit, sich näher mit der Methode zu befassen. Gleichzeitig beobachten wir aber auch, dass die Zahl der Erstprojekte exponentiell ansteigt. Die Architekten und Ingenieure in Deutschland haben das Thema BIM endlich für sich entdeckt. Dabei verfügt die Zusammenarbeit mithilfe des Modells selbstverständlich noch nicht über die Qualität, wie es im Ausland bereits vielerorts der Fall ist.
Welche "Tricks und Kniffe" können sich TGA-Planungsbüros in Deutschland von den Kollegen in den Niederlanden abgucken?
Vor allem, BIM-Projekte nicht von Beginn an mit zu hohen Ansprüchen anzugehen. BIM bedeutet, sich auf eine neue Denk- und Arbeitsweise einzulassen, Zeit in Weiterbildung zu investieren und eigene Praxiserfahrungen zu sammeln. Wer dies zulässt, wird mit der Methode neue Möglichkeiten für sich entdecken, die er in der Form vielleicht gar nicht erwartet hat.
Was würden Sie Fachplanern empfehlen, die zukünftig mit BIM arbeiten möchten?
Starten Sie einfach durch. Warten Sie nicht, bis der komplette theoretische Rahmen und sämtliche Prozesse stehen, sondern beginnen Sie klein und optimieren Sie nach und nach die internen Arbeitsabläufe Ihres Unternehmens. Am besten arbeiten Sie zum Start mit Baubeteiligten zusammen, die Sie kennen, und kooperieren mit diesen über mehrere Projekte hinweg. Lassen Sie sich dabei von Rückschlägen nicht entmutigen. BIM ist eine Investition, die Sie tätigen, um Ihr Unternehmen zukunftssicher zu machen.
Im Beitrag wird klar zwischen der Open-BIM- und der Closed-BIM-Welt unterschieden. Halten Sie dies auf Dauer für zielführend, um die Marktdurchdringung und die Akzeptanz von BIM zu stärken?
Die Grundidee von BIM war immer die partnerschaftliche Zusammenarbeit der Projektbeteiligten auf der Basis eines offenen Datenaustauschs. Leider wurde dieser Gedanke durch die proprietären BIM-Workflows einiger Softwarehersteller verwaschen. Dies war die Geburtsstunde von Open-BIM.
Heute entscheiden sich vor allem große Auftraggeber immer öfter für IFC-basierte Prozesse. Dabei geht es weniger um die Abgrenzung von Open- und Closed-BIM, sondern um Flexibilität bei der Softwareauswahl. Zugleich öffnen sich mehr und mehr Anbieter dem standardisierten, ISO-zertifizierten Datenaustausch per IFC, auch wenn dies nicht aktiv kommuniziert wird. Insofern bin ich sehr zuversichtlich, dass sich BIM auch durchsetzen wird, wenn Open- und Closed-BIM als alternative Ansätze nebeneinander existieren.
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