Der Begriff Building Information Modeling (BIM) wird oft als Schlagwort verwendet. BIM setzt traditionell den Fokus auf die Planung und Realisierung und wird derzeit vorrangig verwendet für die Datenbeschaffung, -konsolidierung und -speicherung. Die Bewirtschaftungsphase wird in der Datenbereitstellung außer Acht gelassen.
Life Cycle Data Management – Realität oder Fiktion?
Freitag, 09.11.2018
Doch wie kann ich die Bewirtschaftungsphase in ein ganzheitliches Datenmanagement über den Lebenszyklus integrieren? Was muss datentechnisch in der Planungs- und Realisierungsphase alles für die Bewirtschaftungsphase berücksichtigt werden? Wie soll zukünftig mit der großen Datenmenge umgegangen werden?
Ein Ansatz, den kompletten Projektlebenszyklus darzustellen, ist das Life Cycle Data Management (LCDM). Das Schweizer Beratungsunternehmen pom+ definiert LCDM wie folgt: Es umfasst alle notwendigen Prozesse, Maßnahmen und Verfahren mit dem Ziel, die Strukturierung, Erfassung, Verantwortung und Qualitätssicherung von objektspezifischen Daten über den gesamten Lebenszyklus sicherzustellen und allen beteiligten Rollen stets konsistente, akkurate und aktuelle Daten zur Verfügung zu stellen.
LCDM ist kein einmaliges Ereignis, sondern ein laufender Vorgang über den gesamten Lebenszyklus eines Objektes.
Im Unterschied zu Building Information Modeling (BIM) hat LCDM den Fokus auf den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie. Die Überprüfung der Datenqualität erfolgt auf regelmäßiger Basis. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Daten auch in der Bewirtschaftungsphase den gewünschten Nutzen bringen.
Damit LCDM erfolgreich betrieben werden kann, müssen bereits vor Baubeginn die gewünschten Mehrwerte festgelegt werden. Nur so können im „Daten-Wirrwarr“ auch die richtigen Informationen gefunden werden. Bei einem durchschnittlichen Bauprojekt fallen dutzende Laufmeter an Ordnern und viele Gigabyte an ungeordneten Daten an. Oftmals werden auch die einzelnen Phasen miteinander vermischt: BIM wird meist nur in der Planungs- und Realisierungsphase eingesetzt, muss jedoch auch die Daten generieren und bereitstellen, die in der Bewirtschaftungsphase benötigt werden. Dies wird von vielen Beteiligten im Lebenszyklus eines Projektes nicht bedacht. Weiter herrscht in der Praxis häufig der Irrglaube, dass mittels der Anschaffung einer Software Datenverarbeitung phasenübergreifend und automatisiert abläuft. Eine Software ist jedoch nur ein kleiner Teil. Erst, wenn klar ist, welche langfristigen Ziele verfolgt werden sollen und welche Daten zu verarbeiten sind, um mehr Transparenz, Effizienz und Qualität zu erhalten, stellt sich die Frage nach der geeigneten Software. Ganz am Anfang liegt die eigentliche Bestellung der Datenanforderungen, hier werden die Weichen für den späteren Erfolg des LCDM gestellt.
Die Erfahrung zeigt, dass je detaillierter die Anforderungen an die Daten seitens der Besteller definiert sind, desto weniger Interpretationsspielraum beim Beauftragten entsteht, diese Daten bereitzustellen. Die Ergebnisse entsprechen dann auch den gewünschten Anforderungen. Diese Rolle ist neu für den Besteller: Er muss in Zukunft vermehrt Anforderungen an Daten formulieren, einfordern und die Datenqualität prüfen. Dabei sind sämtliche Stakeholder zu berücksichtigen. Ein Portfolio Manager benötigt andere Daten wie der zukünftige Gebäudebetreiber. Damit die erhaltenen Daten jedoch genutzt werden können, müssen diese einer zuvor definierten Qualität entsprechen. Die Daten müssen auf Richtigkeit, Vollständigkeit, Lesbarkeit und Datenqualität überprüft werden – im Gegensatz zu BIM, wo die Daten nicht auf die langfristige Qualität überprüft werden, erfolgt die Überprüfung der Datenqualität beim LCDM mit Hilfe von folgenden Prüfpunkten (Mindestprüfpunkte zur Sicherstellung der Qualität):
Richtigkeit: Entspricht der Inhalt der Bestellung bzw. dem Gebäude?
Vollständigkeit: Ist die Dokumentation vollständig?
Lesbarkeit: Ist die Dokumentation lesbar?
Datenqualität: Entspricht die Datenqualität den Vorgaben?
Aktualität: Sind die Daten aktuell?
Die Datenqualität bezeichnet die Bewertung in Bezug auf die Frage, wie gut notwendige Daten dafür geeignet sind, ihren Zweck in einem bestimmten Zusammenhang für die gewünschte Aufgabe zu erfüllen. Nicht alle Daten sind gleichermaßen geeignet, um beispielsweise die HNF (Hauptnutzfläche) zu berechnen. Um am Ende das gewünschte Ergebnis zu erhalten, müssen vorgängig die Anforderungen klar definiert sein.
Einleitend wurde gefordert, dass die Daten neben einer guten Qualität in der Bewirtschaftungsphase immer aktuell zur Verfügung stehen müssen. Dieses Bewusstsein ist vielerorts noch nicht vorhanden. Doch spätestens bei einer Neuausschreibung von FM-Leistungen kommt dies zum Vorschein. Das zeigt auch die nachfolgende Grafik (s. Bewirtschaftungs- und Nutzungsphase). Jahre später sind oftmals keine oder keine aktuell gehaltenen Daten verfügbar. Mühsam müssen Raumbücher über Jahre zurück aufbereitet oder Anlagenlisten neu erstellt werden. Dies fordert einen immensen Aufwand an Zeit und Ressourcen – ein volkswirtschaftlicher Irrsinn. Die Grafik zeigt aber auch, dass nicht alle Daten, die bei der Bauwerksübergabe vorhanden sind, in der Bewirtschaftungsphase einen Nutzen generieren. Welche Daten für die Bewirtschaftungsphase benötigt werden, sind in der Bestellung vorrangig von Seiten der Betreiber zu definieren.
Damit die Daten aktuell gehalten werden, sind folgende Faktoren zu berücksichtigen.
Jede Änderung, die eine Relevanz hat, muss bekannt sein: Innerhalb der Unternehmung müssen Daten-Verantwortliche definiert werden. Das heißt jedes Dokument, jeder Datensatz, jeder Plan muss einen Verantwortlichen haben. Dieser Verantwortliche soll in einer definierten Regelmäßigkeit seine Daten prüfen und die Freigabe erteilen. Um die Umsetzung zu garantieren, eignen sich hierfür Personen, welche selbst auf die Aktualität der Daten angewiesen sind. Alle Personen sollen aber Änderungen melden können. Das kann beispielsweise ein Mutationsmeldeformular sein.
Jede bekannte Änderung muss korrekt dokumentiert sein: Damit die Änderungen unverzüglich verarbeitet werden können, ist durch die jeweilige verantwortliche Person vorgängig zu definieren, welche Informationen für die Verarbeitung der Mutation benötigt werden. Das kann beispielsweise mit einer Spezifikation im Meldeformular erfolgen.
Aktuelle Daten können nur auf einer guten Datenbasis gedeihen: Damit dieser Punkt erfüllt werden kann, müssen die Daten bei der Übergabe des Bauwerks der geforderten Qualität des Bestellers entsprechen. Wichtig für die Bewirtschaftungsphase ist jedoch, dass die Datenbasis zentral an einem Ort verwaltet wird. Nur so kann sichergestellt werden, dass alle betroffenen Personen mit der gleichen Datenbasis arbeiten. Es sollte aber unbedingt vermieden werden, dass Daten gesammelt werden, die keinen Nutzen ergeben.
Die Abhängigkeit der gemeldeten Mutationen auf andere Daten muss bekannt sein: Viele Daten stehen in einer Abhängigkeit zueinander. So hat beispielsweise ein Grundrissplan viele Einflüsse auf andere Daten. Es lohnt sich, ein Beziehungsdiagramm aufzubauen, welches die Abhängigkeiten darstellt. Für eine rechtzeitige Verarbeitung sämtlicher daraus zu mutierenden Daten empfiehlt es sich, pro Abhängigkeit eine neue Mutation anzulegen.
Die LCDM-Prozesse und die Planungs- und Betriebsprozesse müssen aufeinander abgestimmt sein: So sind die Mutationszyklen auf die Informationsbedürfnisse der Betriebsprozesse abzustimmen. Die korrekte Verrechnung kann nur dann erfolgen, wenn die aktuellen Flächen auf die Kostenstellen verteilt sind.
Die Ressourcen und Kompetenz für die Mutationen müssen vorhanden sein: Wie in vielen anderen Bereichen gilt auch hier – für die erfolgreiche Umsetzung werden Ressourcen benötigt. Anhand der Analyse und der Anzahl Datensätze kann der potentielle Aufwand hochgerechnet werden. Neben einem definierten Mutationsplan können Erfahrung sowie die richtigen Tools den Ressourcenaufwand für die Bereinigung der Datensätze in Grenzen halten.
All die aufgeführten Punkte zeigen, dass LCDM nicht von heute auf morgen eingeführt werden kann. Wie bei allen prozessualen Gegebenheiten muss auch das LCDM „gelebt“ werden. Das LCDM ist nicht mehr nur ein Hype, sondern wird immer häufiger in Bauprojekten bereits sehr früh thematisiert und entsprechend berücksichtigt. Es empfiehlt sich, LCDM richtig aufzubauen und die Bedürfnisse der einzelnen Stakeholder abzuholen. Nur so kann der Mehraufwand aufgrund von fehlenden oder falschen Daten nicht nur im Bauprozess, sondern insbesondere auch während der Betriebsphase, wo bekanntlich die meisten Kosten im Lebenszyklus einer Immobilie anfallen, möglichst vermieden werden.