Vielfältiges Maßnahmenspektrum
Das Konzept der „Schwammstadt“ steht dabei nicht für ein einzelnes Verfahren, sondern für eine Vielzahl verschiedener Maßnahmen, die entsprechend den örtlichen Bedingungen und Anforderungen ausgewählt und ggf. auch kombiniert werden. Dabei geht es nicht nur um die Reduzierung der Abflüsse, sondern auch um die Reinigung – insbesondere von Straßenabflüssen –, die Verbesserung des Stadtklimas durch eine Erhöhung der Verdunstung sowie positive Effekte für die Biodiversität und die Aufenthaltsqualität im Freiraum.
Für eine dezentrale Bewirtschaftung der Regenabflüsse vor Ort stehen verschiedene technische Möglichkeiten zur Verfügung. So können etwa durch begrünte Dächer, versickerungsfähige Pflasterbeläge oder Regenwassernutzungsanlagen die Niederschlagsabflüsse schon bei der Entstehung reduziert werden. Nicht vermeidbare Abflüsse lassen sich durch Versickerungsanlagen dem Untergrund und damit dem lokalen Wasserhaushalt wieder zuführen. Ist der Untergrund nicht ausreichend versickerungsfähig, kommen Rückhaltesysteme wie die sogenannten Rigolen oder Mulden-Rigolen-Systeme zum Einsatz.
Neue Planungsanforderungen
Die Planung solcher Systeme stellt neue Anforderungen an gleich mehrere Fachdisziplinen:
▪ Wasserwirtschaftler müssen sich darauf einstellen, Regenwasserspeicher aller Art nicht mehr nur auf eine schnelle Entleerung auszulegen, sondern Langzeitspeicher zu konzeptionieren, die auch in Trockenzeiten noch Wasser bevorraten.
▪ Landschaftsplaner und -architekten sollten den Flächenbedarf von Regenwasseranlagen und die Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und Wasservorrat möglichst frühzeitig in der Planung berücksichtigen. Gleichzeitig gehören Überflutungsnachweise inzwischen zum Standardleistungsbild der Freianlagenplanung.
▪ Architekten und TGA-Planer sind aufgefordert, eine oberirdische Zuleitung des Regenwassers in die Anlagen einzuplanen. Auch neue statische Anforderungen für begrünte Dächer und bautechnische Aspekte, etwa für die Steuerung von Regenwasseranlagen, können aus einem „Schwammstadt“-Konzept resultieren.
In Berlin gibt es mittlerweile zahlreiche Beispiele ausgeführter Regenwasserbewirtschaftungsanlagen. Bereits vor über 20 Jahren wurde in den großen Berliner Entwicklungsgebieten wie der Rummelsburger Bucht und Adlershof eine dezentrale Regenwasserbewirtschaftung praktiziert. Viele Gebäude verfügen hier über Gründächer und Versickerungsanlagen. Auf Regenwasserkanäle in den Straßen wurde verzichtet, stattdessen finden sich Versickerungsmulden und Mulden-Rigolen-Systeme. Auch auf zahlreichen Berliner Privat- und Gewerbegrundstücken wird Regenwasser vor Ort bewirtschaftet. Die Einsparung der Regenwassergebühr bzw. des Niederschlagswasserentgeltes, wie es in Berlin heißt, ist dabei ein guter Anreiz.
Durchweg positive Erfahrungen
Die Erfahrungen mit dezentralen Systemen sind in Berlin durchweg positiv. Selbst bei den Extremniederschlägen Ende Juni 2017 haben die Anlagen beispielsweise in Adlershof sehr gut funktioniert. Eine wissenschaftliche Analyse älterer Versickerungsanlagen (Projekt LEIREV – Leistungsfähigkeit und Zustand langjährig betriebener dezentraler Regenwasserversickerungsanlagen) hat bestätigt, dass die Funktionsfähigkeit auch nach vielen Jahren noch gegeben ist. Die guten Erfahrungen mit unzähligen gebauten Anlagen in Deutschland haben dazu geführt, dass die Technologien der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung wie Versickerungsanlagen, Mulden-Rigolen-Systeme, Dachbegrünung oder Regenwassernutzungsanlagen inzwischen als Stand der Technik angesehen werden. Entsprechende Technische Regelwerke und Normen für Planung, Bau und Betrieb stehen zur Verfügung. Auch die gesetzlichen Grundlagen wurden geschaffen. Seit dem Jahr 2010 gibt das bundesweit geltende Wasserhaushaltsgesetz vor, Niederschlagsabflüsse möglichst zu versickern.