Intelligente Gebäude rücken zunehmend in den öffentlichen Diskurs. Im Januar 2015 sinnierte der Spiegel in der Rubrik „Technik“ über die Zukunft digitaler Technologien im Kontext von Smart Home. Die sogenannte Revolution des Wohnens durch das „Internet der Dinge“ entpuppt sich in dem Artikel „Im Tollhaus der Zukunft“ potentiell aber eher als ein obskures Konglomerat aus digitalen „Hausgeistern“, die entweder kein Mensch braucht oder seine Bewohner in Umstände verwickeln, die man bestenfalls als komisch bezeichnen kann.
Tollhaus der Zukunft?
Intelligente Gebäude setzen Integrale Planung voraus
Donnerstag, 29.09.2016
So gibt der Kühlschrank auf „Anweisung der Toilette der angeblich schwangeren Tochter kein Bier mehr heraus“. Oder der Akku des Elektroautos ist leer, „weil der smarte Zähler die Ladung mit Gewinn an der Elektrobörse verkauft hat“. Wohl nicht zuletzt vor dem Hintergrund solcher Szenarien attestiert der Autor den Visionären der Branche einen speziellen „Hang zum Kindlichen“. Darüber hinaus bleibt die zentrale Frage der Bedienlogik von der Elektronikbranche unbeantwortet: „Sie wirft einfach Geräte auf den Markt“. Aber damit nicht genug: Wie kann man glaubhaft verhindern, dass die digitalen „Hausgeister unter Fremdherrschaft“ geraten und die Bewohner ausspionieren? Nicht nur der Spiegel wägt in diesem Artikel eher ambivalent Chancen und Risiken digitaler Technologien am Bau ab.
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-131242928.html
Auch die Zeit impliziert fast zeitgleich ein ähnliches Bild: „Als mein Toaster dann aber eines Morgens zu singen begann – es war, glaube ich, Somewhere Over the Rainbow – und selbst der Fenstergriff ein rhythmisches Zirpen von sich gab, da konnte ich es nicht länger leugnen: Die Zukunft des Wohnens hatte begonnen.“, so die ersten paar Zeilen im Artikel „Mein Zuhause ist fürsorglich – und streng“. Hier sind es auf der einen Seite technikverliebte Ingenieure, die als Protagonisten dieser Entwicklung seit Jahrzehnten vom intelligenten Gebäude träumen, aber nie über Prototypen hinausgekommen sind: „Zu teuer, zu kompliziert waren die Erfindungen“.
http://www.zeit.de/2015/01/smart-home-wohnen-intelligentes-haus
Als Antagonisten gelten auf der anderen Seite technikfeindliche Architekten. Kein geringerer als der Niederländer Rem Koolhaas wird als einer der einflussreichsten Baumeister der Gegenwart beispielhaft herangezogen: Bald, sagt Koolhaas, brauche jedes Haus einen Faraday’schen Käfig, einen „Sicherheitsraum, in dem man sich zurückziehen kann vor allen digitalen Sensoren“. Der Autor des Artikels gibt sich allerdings eher erstaunt über diese skeptische Grundhaltung und erinnert Koolhaas und seine Zunft an die Technikbegeisterung der Moderne, die bisher noch jeder Innovation neue Funktionen und Formen abgewinnen konnte: Nichts anderes verlangt das intelligente Gebäude als eine „Art Hyperfunktionär“.
Und in der Tat: Ein Blick in andere Branchen lässt die derzeit am Bau gehandelte Spannweite zwischen Technikverliebtheit und Technikfeindlichkeit gegenüber digitalen Technologien wahlweise als antiquiert oder naiv und unreflektiert erscheinen. In der Automobilbranche werden digitale Technologien schon seit geraumer Zeit sinnstiftend eingebracht und erzielen neue Standards in Effizienz und Komfort, die kaum noch jemand missen möchte. Und auch in der Baubranche muss das vielfach skizzierte, obskure Konglomerat aus digitalen „Hausgeistern“ nicht das letzte Maß der Dinge sein. Im Gegenteil: Das Rad ist nicht neu zu erfinden, um intelligente Technologien ähnlich sinnstiftend wie in der Automobilbranche einzusetzen und neue Standards in Effizienz und Komfort zu erzielen.
Zwischen Standardisierung und Individualisierung
Es ist kaum zu glauben: Während der Gesetzgeber seit Jahrzehnten die energetischen Rahmenbedingungen für den Bau und Betrieb von Gebäuden klar absteckt sowie die Anforderungen an die Effizienz von Bau- und Anlagentechnik kontinuierlich erhöht, spielen intelligente Technologien in Form von digitaler Elektronik erst seit Mai 2014 eine erste zaghafte Rolle in den integralen Planungsprozessen am Bau.
Dabei liegen viele Vorteile auf der Hand. Selbst die effizienteste Bau- und Anlagentechnik übt nahezu keinen Einfluss darauf aus, wie sich ein Nutzer verhält, wenn er zum Beispiel einen Raum längere Zeit verlässt. Macht er das Licht aus? Bleibt das Licht einfach an?
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