Besichtigung vor Baubeginn
Mit BIM hat sich auch Wutzkes Zusammenarbeit mit den Gebäudenutzern grundlegend geändert, als es darum ging, den Entwurf zu bewerten. "Gemeinsam mit den Wissenschaftlern haben wir einen virtuellen Spaziergang durch das Gebäude gemacht", schildert der BLB-Projektleiter. "Vor allem für Menschen, die im Lesen von Plänen unerfahren sind, ist das wesentlich anschaulicher als es eine Konstruktionszeichnung jemals sein kann." Die Spitzenforscher sahen dabei – im Wortsinn –, wie die Planer ihre Vorstellungen einer hochmodernen Arbeitsumgebung, die vorher im sogenannten Raumprogramm mit allen Details ausformuliert und als Bausoll festgeschrieben worden waren, umgesetzt hatten.
Möglich machte diese interaktive Analyse die CAVE des Virtual Reality Centers Aachen, einem Teil des Rechen- und Kommunikationszentrums der RWTH Aachen und Kooperationspartner von Carpus+Partner. Die Virtual-Reality-Installation heißt vollständig Cave Automatic Virtual Environment und ist mit mehr als 25 m2 Grundfläche und drei Metern Höhe eines der größten Systeme ihrer Art weltweit. Insgesamt 24 HD-Beamer projizieren hochaufgelöste Bilder auf die Seitenwände und den Boden. Durch die Rundumsicht entsteht für den Besucher, der eine Spezialbrille trägt, ein realistischer Eindruck, sich durch das fertige Gebäude und die Labore zu bewegen.
"Für die Akzeptanz eines so komplexen Baus sind neben einem durchdachten Gesamtkonzept vor allem die vermeintlichen Details wie die Lage von Versorgungsanschlüssen, die Anordnung von Arbeitsflächen oder von Laufwegen sehr wichtig. Sie bestimmen im späteren Arbeitsalltag maßgeblich die Effektivität einer reibungslos funktionierenden Einrichtung", beschreibt Wutzke weiter. "Schon lange vor Beginn der Bauphase diese Details auf diese Weise prüfen und Einfluss nehmen zu können, ist ein großer Vorteil gegenüber dem bisherigen Vorgehen."
Neue Chancen der Kommunikation
Die Liste der Anforderungen von Seiten der Wissenschaft ist lang und anspruchsvoll – eine Herausforderung bei der Neuerrichtung des Forschungsgebäudes bestand für die Planer zunächst darin, ein umfassendes und zukunftsfähiges Nutzungsprofil zu erarbeiten und in eine effektive Planung zu übertragen. In Bezug auf physikalische Labore mit Reinraumqualität, hochkomplexer Gebäudetechnik und Schwingungsfreiheit für die optischen Messgeräte, galt es, ein schlüssiges Gesamtkonzept zu finden.
"Bei der Erarbeitung ganzheitlicher, wirtschaftlicher Lösungen haben sich interdisziplinäre Teams bewährt. Zusammengesetzt aus den Bereichen Architektur, Ingenieurwissenschaft sowie Prozess- und Laborplanung entwickeln sie die bestmöglichen Konzepte", beschreibt Albert Borucki, projektleitender Architekt bei Carpus+Partner.
"Die durchgängige Planung mit BIM eröffnet neue digitale Chancen der Kommunikation im aktiven Miteinander der klassischen Ingenieurdisziplinen", erläutert Max Willems, einer der projektverantwortlichen BIM-Koordinatoren bei Carpus+Partner. "Es fördert das kooperative Denken und Handeln der Planer unternehmensintern und -extern und überwindet räumliche Distanzen." Die gemeinsame Arbeit am digitalen Gebäudemodell entwickelt sich so zu einem kooperativen Designprozess.
Bauausführung effizient koordiniert
Das Gebäude zeigt im Ergebnis eine Anordnung der verschiedenen Bereiche, die sich vor allem an den Anforderungen der Labore, für die das Gebäude statisch optimiert wurde, orientiert. Sie sind in den unteren drei Etagen des insgesamt viergeschossigen Baus untergebracht. Die Räume mit den höchsten baudynamischen Anforderungen bis zum höchsten Auslegungskriterium VC-E, weit unterhalb der menschlichen Wahrnehmungsschwelle, befinden sich im Erdgeschoss auf einer nicht unterkellerten Bodenplatte. Auch die – durch die schweren optischen Instrumente – notwendigen Flächenlasten sind auf dieser Bodenplatte wirtschaftlich zu realisieren.
Alle Bereiche wurden von den jeweiligen Fachplanern modulartig bearbeitet. Das sorgt für eine hohe Effizienz in der Planungsphase. Schnittstelle zwischen allen Teilplanungen ist der BIM-Manager. Er definiert die Vorgaben für das ganzheitliche Datenmodell, prüft die Teilmodelle auf Konsistenz und mögliche Kollisionen und sorgt für die Aktualität des Datenbestands während der gesamten Projektdauer.
Um die Vorteile aus der Planungsphase in die Ausführungsphase mitnehmen zu können, müssen auch die Montageplanungen der ausführenden Gewerke in 3D erstellt und durch den BIM-Manager in das Gebäudemodell integriert werden. Das ist die Grundvoraussetzung für eine vollständige Kollisionsprüfung.
"Kollisionspunkte lassen sich in der Planungsphase nicht vollständig vermeiden", beschreibt Christoph Schneider, Oberbauleiter und Baumanager auf der CDPP-Baustelle. "Aber dank der Zusammenführung aller Teilplanungen können falsch verlaufende Rohrleitungen oder falsch positionierte Abhängungen von Elektrotrassen ganz einfach und schnell frühzeitig korrigiert werden."
Dazu wurden während der Werk- und Montageplanung alle Planer der ausführenden Firmen in drei Workshops an einen Tisch geholt, gemeinsam die Kollisionspunkte besprochen und Lösungen gefunden. "Das vermeidet teure und zeitaufwändige Probleme", erläutert Schneider. "Fällt ein Fehler erst auf der Baustelle auf – gang und gäbe bei herkömmlicher Planung –, müssen meistens bereits errichtete Leistungen zurückgebaut werden." Die Folge sind unnötige Zusatzkosten und erhebliche Zeitverzögerungen.
Die Vorabkollisionsprüfung erspart dagegen Termindruck und langwierige Diskussionen, wer die Verantwortung – und damit die Finanzierung der Korrekturen – trägt. "Auch der psychologische Faktor ist nicht zu unterschätzen. Reibungslosere Abläufe sorgen für ein besseres Miteinander und eine kollegialere Atmosphäre auf der Baustelle und das beeinflusst das gemeinsame Arbeiten und die Bauqualität positiv", schließt der Oberbauleiter ab.