Interview mit Lutz Bettels, Vice President und Regional Executive, Bentley Systems Germany GmbH.
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Wir haben den Gesamt-Prozess im Blick
Mittwoch, 03.07.2019
Sehr geehrter Herr Bettels, bitte geben Sie unseren Leserinnen und Lesern zunächst einen kurzen Überblick über die Struktur und Tätigkeiten von Bentley Systems. Welche Zielgruppen arbeiten mit ihren Softwarelösungen?
Bentley Systems ist ein amerikanisches Unternehmen, das es seit über 30 Jahren gibt und das sich auf die Fahne geschrieben hat, mit allen Bereichen der Infrastrukturplanung entsprechende Softwarelösungen für den gesamten Lebenszyklus bereitzustellen. Unter Infrastruktur verstehen wir nicht nur das, was klassisch darunter mit Straßen und Schienen verstanden wird. Zur Infrastruktur gehören nach unserem Verständnis auch Gebäude und Anlagen. Wir bedienen sowohl die Besitzer und Betreiber von diesen Infrastrukturen wie auch die Planungsunternehmen, die Ingenieurgesellschaften bis hin zu den bauausführenden Unternehmen in den Bereichen Hoch- und Tiefbau, Straßenbau, Gleisbau. Des Weiteren gehören Versorgungsunternehmen und die Fertigungsindustrie, sowohl die Prozessindustrie als auch die diskrete Fertigung, zu unseren Zielgruppen.
Ihre digitalen Werkzeuge decken demnach vom "kleinen Wohnbauprojekt" über den "verschachtelten Fabrikkomplex" bis hin zu "großen Straßen- und Brückenbauten" vielfältige Anwendungen ab. Wie gelingt Ihnen der Spagat zwischen den unterschiedlichsten Anforderungen?
Die Anforderungen sind sicherlich vielfältig. Dennoch gibt es eine gemeinsame Basis, auf die wir sozusagen aufbauen. Egal in welcher Industrie geplant wird und egal ob man hier noch von CAD (Computer Aided Design), schon von BIM (Building Information Modeling) oder vom digitalen Zwilling spricht, es wird ein Planungswerkzeug gebraucht, das bestimmte graphische Fähigkeiten zur Verfügung stellt. Hier verfügen wir mit "MicroStation" über eine gemeinsame Basis. Auf dieser werden die relevanten Fachapplikationen aufgesetzt. Das heißt, auf einer gemeinsamen Basis, wo 50, 60 bis 70 Prozent bereits vorhanden sind, werden Fachapplikationen so aufgesetzt, dass für eine Industrie geplant werden kann. Im Bereich Hochbau reicht die Spannbreite vom Fertighaushersteller bis hin zu Fabriken in der Automobilbranche und in der Chemie, wo unsere Lösungen ebenso zur Planung eingesetzt wer-den wie auch im klassischen Infrastrukturbereich, das heißt im Straßenbau, Gleisbau, Brückenbau. Dort auch von kleinen Projekten, wo Straßenabschnitte renoviert werden, bis hin zu Großprojekten, die neu realisiert werden, wo beispielsweise neue Gleistrassen oder auch neue Autobahnen entstehen.
Ebenfalls gemeinsam ist all diesen Industrien unabhängig von der Größe des Projektes, dass Daten entsprechend verwaltet werden. Auch für das Informationsmanagement gibt es eine gemeinsame Plattform, "ProjectWise". Die Lösung erlaubt es, unabhängig von der Industrie und unabhängig von der Industriegröße, die Informationen eines Projektes zu verwalten und die Projektbeteiligten zusammenarbeiten zu lassen. Wir schaffen den Spagat mit Hilfe von den beiden grundlegenden Plattformen "MicroStation" und "ProjectWise", anhand derer sowohl die Konstruktion als auch die Kollaboration abgedeckt werden. Die darauf aufsetzenden Fachapplikationen, die Skalierung, werden je nach Projektgröße und Industriebereich gewählt, um tatsächlich jede Form von Projekten auch umsetzen zu können.
Zu Ihren Geschäftsfeldern bzw. Produktlinien zählt unter anderem die Planung von Anlagen der Energieversorgung. Bitte schildern Sie unseren Leserinnen und Lesern in einem Beispiel, mit welchen Lösungen Bentley Systems die Projektierung eines städtischen Gas- und Stromnetzes unterstützt.
Im Bereich Versorgungsunternehmen muss man unterscheiden zwischen den verschiedenen Teilnehmern: den Unternehmen, die Energie erzeugen, sowie den Firmen, die die Distribution/Verteilung übernehmen. Wenn ein Netzwerk geplant wird, ist dort alles, was im Bereich Infrastruktur gebraucht wird, mit involviert. Für die Planung eines Kraftwerkes oder Wasserwerkes beispielsweise sind das Lösungen für den Anlagenbau, die wir im Portfolio haben. Dort kommen die Anlagenplanungsprodukte zum Einsatz. Über die Hochbauplanungswerkzeuge, wie "OpenBuildings", werden die dazugehörigen Gebäude geplant. Mit dem Netzwerkinfosystem "OpenUtilities" werden Verteilnetzwerke geplant, egal ob Wassernetz oder Stromnetz, und damit kann auch entsprechend dokumentiert werden. Zudem kann auch die Berechnung eines Stromnetzes über integrierte Systeme des Unternehmens Siemens innerhalb unserer strategischen Partnerschaft mit eingebunden werden, so dass die Auslegung des Stromnetzes berechnet werden kann. Bei den Verteilungen an die Haushalte kann so weit gegangen werden, dass über die "OpenUtilities"-Lösung und die Partnerschaft mit Siemens andere Stromgeneratoren (zum Beispiel Solarpanels), die in das Stromnetz wieder zurückgespeist werden, geplant und berechnet werden können, also Lösungen zum Thema "DER" ("Distributed Energy Ressourcing").
Im Prinzip deckt Bentley Systems mit einem umfangreichen Portfolio den gesamten Planungs-, Erstellungs- und Betriebsprozess ab. Dahingehend können sogar für den Betrieb einer solchen Anlage die "AssetWise"-Lösungen eingesetzt werden, die es erlauben, zum einen compliancegerecht das Netzwerk zu dokumentieren. Zum anderen können hier Aussagen gemacht und Analysen gefahren werden hinsichtlich der Performance der Anlage bzw. des Netzwerkes, so dass im Betrieb auch an dieser Stelle entsprechende Optimierungen vorgenommen werden können.
Bleiben wir bei diesem Beispiel: Kostentransparenz/Wirtschaftlichkeit und Terminsicherheit spielen bei solchen sensiblen öffentlichen bzw. kommunalen Projekten eine tragende Rolle. Wie verbreitet sind hier "5D"-Ansätze bzw. Ansätze eines Lebenszyklusdatenmanagements?
Es ist richtig, dass Termin- und Kostensicherheit natürlich immer eine zentrale Rolle spielen in solchen Projekten. Gerade im öffentlichen und kommunalen Bereich sind die Überschreitungen an Zeit und Budgets auch immer gleich öffentlich und transparent, so dass hier mit Sicherheit ein Fokus darauf gelegt werden muss. Die klassischen Projektmanagementmethoden, die es auch die letzten 20, 30, 50 Jahre im Bauwesen gegeben hat, werden ergänzt durch Werkzeuge, die es erlauben, Kosten und Zeitplan nicht nur entsprechend zu planen, sondern auch nachzuverfolgen. Die meisten Projekte scheitern nicht daran, dass kein guter Projektplan erstellt wurde, sondern sie scheitern daran, dass die Pläne häufig mangelhaft weiterverfolgt wurden und man im Projektverlauf nicht genügend Informationen zum Projektstatus hatte, als dass man dort hätte steuernd eingreifen können.
Genau hier helfen 5D-Ansätze, die es erlauben, zum einem aus einem BIM-Modell die Mengen an Bauteilen zu ermitteln und die Mengen der Bauteile mit Kosten zu verknüpfen. Dann können die Soll-Kosten mit den Ist-Kosten des Projekts verknüpft werden. Gleichzeitig kann man im Prinzip sehen, wie der Kostenverlauf des Projektes aussieht, ob man noch im Budgetrahmen ist oder ob sich Risiken anbahnen, so dass eine Kostenüberschreitung ansteht. Man kann also frühzeitig erkennen, falls und wann die Kosten aus dem Ruder laufen und nicht erst dann, wenn das Bauunternehmen einen Nachtrag gibt und mehr Geld fordert. Gleiches gilt auch für den Zeitrahmen. Auch hier verfügt man über 4D-Werkzeuge, die es möglich machen, das 3D-Modell in baubare Einheiten zu zerlegen und diese mit einem Bauzeitenplan zu verknüpfen. Der Fortschritt kann auf der Baustelle erfasst werden und in dieses 4D-Modell eingepflegt werden, so dass man während der Bauausführung eine permanente Kontrolle hat, ob alles gebaut wurde, was bis zu einem bestimmten Zeitpunkt hätte gebaut werden sollen. Im Prinzip hat man darüber nicht nur eine Budget- und Zeitkontrolle zu Meilensteinen, sondern darüber hinaus kann man jederzeit Einsicht nehmen in das Projekt. Das heißt, eine Transparenz, wo man hinsichtlich Zeit und Kosten steht, ist vorhanden.
Werkzeuge wie "Synchro" kommen hier zum Einsatz. "Synchro" ist eine Akquisition, die Bentley letztes Jahr getätigt hat. "Synchro" unterstützt dabei, die Zeitkomponente abzudecken. Beispielsweise kann der Bauablaufplan visualisiert, der Baufortschritt auf der Baustelle erfasst und mit dem Bauzeitplan abgeglichen werden. Darüber kann man die Terminsicherheit gewährleisten. Über die Datenerfassung werden die verbauten Teile gelistet, die aufgrund der Mengenermittlung aus dem BIM-Modell generiert werden. Auf Basis der Datenerfassung auf der Baustelle kann das Kostenmanagementsystem einen Abgleich machen, so dass ersichtlich ist, ob man sich noch im Kostenrahmen bewegt.
Weiterführende Informationen: https://www.bentley.com/de
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