Umwelt-/Umfeld-Analyse
Diese Nachverdichtung in direkter Nachbarschaft zu Geschosswohnungsbauten war dann auch ein wesentlicher Punkt in der technischen Umwelt- und Umfeld-Analyse, die Rehatec der Entwurfsplanung vorgeschaltet hatte: Neben den fast schon typischen Schallemissionen von Druckluft- und Lüftungsanlagen oder Kältekompressoren musste unter anderem auch die Abluftführung (zur Vermeidung von Geruchsbelästigung) sehr präzise durchgeplant werden, um eine eventuelle Belastung der Nachbarschaft zu vermeiden.
Ein umfassendes Sicherheitskonzept beugt zudem etwaigen Gefahren oder Fehlern im Betrieb vor. Das komplette Untergeschoss ist zum Beispiel als mögliche Auffangwanne für Flüssigkeiten ausgebildet, um einen Austritt in die Kanalisation o.ä. auszuschließen. „An diesem einen Beispiel wird bereits deutlich, wie schnell Einzelgewerke zwangsläufig in eine Planungsphase verschoben werden müssen, die nicht mehr dem typischen Workflow des konventionellen Bauens entspricht“, so Frank Ganter: „Die Notwendigkeit eines ,runden Tisches‘ aller am Prozess Beteiligten wird im Sinn der integralen Planung so aber ausgesprochen plastisch fassbar.“
Funktionsanalyse
In der Praxis ist dieser „runde Tisch“ allerdings leichter gesagt als getan, weil sich zur integralen Planung bislang weder die notwendigen Zuständigkeiten noch die entsprechenden Verantwortlichkeiten eingespielt haben, beobachten die TGA-Fachplaner aus Riegel immer wieder. Frank Ganter: „Ein Umdenken findet aber umso eher statt, je höher der Anteil der Technischen Gebäudeausrüstung am Gesamt-Investitionsvolumen ist. Beim Laborneubau des Fraunhofer ISE lag er beispielsweise bei etwa 50 Prozent – und betont damit eigentlich ganz deutlich den auch in der Architektur bestens bekannten Design-Leitsatz ,form follows function‘ ...“.
Umso wichtiger wird dadurch aber gleichzeitig auch die Nutzung eines gemeinsamen Planungstools. Wie in der Automobilindustrie und deren Zulieferern oder im Maschinenbau schon lange eingeübt, bedeutet das in der Baubranche zwangsläufig das gemeinsame Arbeiten mit 3D- und BIM-Technologien. Und das idealerweise nicht nur in der etablierten Kunden-/Lieferantenbeziehung unter den Projektbeteiligten, sondern in Zukunft auch mit frühzeitiger Einbindung der Genehmigungsbehörden, um einen digitalen Planungsdurchlauf zu ermöglichen. Anregungen und Vorschriften könnten auf diese Weise schon früh in das Modell einfließen, Genehmigungsfristen verkürzt und Änderungen oder Auflagen verringert werden.
Umgekehrt nimmt diese Sicht- und Herangehensweise dann aber die Projektbeteiligten in die Pflicht, gemeinsam mit dem Bauherrn deutlich vor Beginn der ersten Planungsphase aktiv einen umfassenden Anforderungskatalog an das Objekt und seine Funktionalitäten zu entwickeln. Daraus werden dann später wiederum die aus Building Information Modeling (BIM) bekannten Auftraggeber-Informations-Anforderungen (kurz: AIA) entwickelt, die für die Detailplanung durch die einzelnen Gewerke zwingend notwendig sind.
Das setzt allerdings eine fachplanerische Kompetenz voraus, die sich – bezogen auf den Fraunhofer ISE Neubau – bei Rehatec über die langjährige Kooperation mit vergleichbaren Auftraggebern entwickelt hat, so Frank Ganter: „Sukzessive ist auf diese Weise ein Fragenkatalog entstanden, den wir in sehr intensiven Gesprächen vor allem mit den künftigen Nutzern des Objektes durcharbeiten, um daraus eine individuelle Facility Utility Matrix zu entwickeln.“
Wie detailliert das im Einzelfall ist, zeigt der Blick auf Ausstattungs- und Betriebsdetails als Rahmenbedingungen für den unterteilbaren Reinraum, dem Herz des Laborneubaus. Herausfordernde Einflussgröße war hier einmal mehr der Gebäudezuschnitt, durch den der gängige Laboraufbau mit typisch quadratischer Rasterung fast unmöglich wurde. Da hinter einer solchen Rasterung aber hoch komplexe technische Abläufe und Prozesse stehen, musste eine gleichwertige Alternative entwickelt werden.
Rehatec fing die Auflösung der seriellen, gerasterten Anordnung der Laborräume in Länge und Breite schließlich über eine geschossübergreifende Anordnung der TGA auf. Dafür wurde die Zulufttechnik für die Reinräume im Erdgeschoss (mit einer Leistung von rund 70.000 m³/h Zu- und 350.000 bis 450.000 m³/h Umluft) im Obergeschoss des Neubaus installiert. Die Durchströmung der Laborräume erfolgt dadurch laminar vom Plenum über das EG und vertikal in das Untergeschoss – was wiederum nur durch die Konstruktion eines waffelförmigen, durchlässigen Bo-dens zu realisieren war.
Aus dem Los „Belüftung eines Reinraumes“ wurde so eine nur gemeinsam zu lösende Weiterentwicklung der Werkplanung durch Architekt, Lüftungsplaner und Statiker, da der Boden natürlich trotzdem die Traglast für die Laborausstattung und – siehe oben – den notwendigen Schutz vor Schwingungsübertragung zu erfüllen hatte.
Außerdem hat Rehatec das Tiefgeschoss unter dem rückseitigen Fahrweg, also neben dem eigentlichen Bau, um einen „Technik-Rucksack“ ergänzt, um die begrenzte Grundstücksfläche zugunsten von Büro- und Laborflächen bestmöglich auszunutzen. Aus diesem „Technik-Rucksack“ heraus werden jetzt ebenfalls neu entwickelte „Medienständer“ beschickt, die unter den Reinräumen zur Medienversorgung der diversen Anlagen dienen. Das sichert Flexibilität, wenn sich im Laufe der Nutzung einmal die Aufteilung oder Anordnung der untergliederten Reinräume im Erdgeschoss ändern sollte, da bei einer Neuanordnung nur vergleichsweise geringfügige Umbaumaßnahmen ohne Eingriffe in grundlegende Strukturen (Stichwort: Brandschutz) notwendig werden.
Fazit
Das neue Forschungslabor für höchsteffiziente Solarzellen des Fraunhofer ISE in Freiburg steht prototypisch für qualitätshaltiges Bauen in der Zukunft: Die Herausforderungen, unter denen solche Projekte durch alle an der Umsetzung Beteiligten – vom Architekten über den TGA-Fachplaner bis hin zum Fachhandwerk – realisiert werden müssen, lassen sich aufgrund ihrer Komplexität nicht mehr über eine gewerkebezogene Herangehensweise lösen. Stattdessen ist ein integraler Planungsansatz notwendig, um die entscheidenden Einflussgrößen wie Standort- und Umweltfaktoren oder spezifische Nutzungsbedingungen, aber auch beispielsweise die Erwartungshaltung künftiger Beschäftigter in eine in ihren Wechselbeziehungen möglichst weitgehend abgestimmte Kombination aus Gebäudehülle und Technischer Gebäudeausstattung zu übersetzen.
Das setzt jedoch, neben der Erfassung eben dieser Einflussfaktoren, zwingend eine schon in der Frühphase der Planung beginnende Kollaboration aller Projektbeteiligten voraus. In dieser Kollaboration wird angesichts der Technikdichte moderner Zweckgebäude die TGA eine maßgebliche Rolle spielen.
Gleichzeitig wird es aber genauso notwendig sein, die die Projektierung und Umsetzung eines Neubaus flankierenden Prozesse – hier zum Beispiel die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange oder die europaweite Ausschreibung einzelner Lose – an die durch die integrale Planung veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. Auch, weil sonst das magische Leistungsdreieck des Projektmanagements aus Kosten, Zeit und Qualität langfristig nicht mehr haltbar ist, wie am Neubau der Fraunhofer-Forschungseinrichtung ebenfalls deutlich wird.