Nachhaltigkeit

Zurück in die Zukunft

Freitag, 30.09.2016

Überlegungen, die sicher auch heute noch von vielen Architekten als Schritte in die richtige Richtung angesehen werden. Ein sich immer mehr herauskristallisierender Konsens der ­Bauforschung ist allerdings, dass „vitruvianische Architektur, unbeschadet ihrer praktischen Ausführbarkeit, theoretische ­Architektur ist, die nicht aus der historischen Realarchitektur allein erklärt und ihrerseits nicht zu deren Erklärung beliebig herangezogen werden kann“, so der klassische Archäologe Burkhardt Wesenberg in einer Rezension zu „Vitruvs Architekturtheorie“ von Heiner Knell. Auch Hanno-Walter Kruft, Ordinarius für Kunstgeschichte, gelangt in seiner Geschichte der Architekturtheorie zu der Auffassung, „dass Vitruv die im 1. Buch entwickelten kategorialen und ästhetischen Grundbegriffe, die für jede Architektur verbindlich sein sollten, bei der Behandlung einzelner Bauaufgaben aus dem Auge verliert.“

Aber auch zu dem aktuellen Thema der Verbindung von Theorie und Praxis – dem sog. Polytechnischen Modell – kann man bereits bei Vitruv im ersten Kapitel des ersten Buchs unter dem Titel „Ausbildung des Baumeisters“ Wissenswertes erfahren: „Des Architekten Wissen umfasst mehrfache wissenschaftliche und mannigfaltige elementare Kenntnisse. Dieses Wissen erwächst aus fabrica – Handwerk – und ratiocinatio – geistiger Arbeit. Fabrica ist die fortgesetzte und immer wieder berufsmäßig überlegt geübte Ausübung einer praktischen Tätigkeit, die zum Ziel eine Formgebung hat, die mit den Händen aus Werkstoff, je nachdem aus welchem Stoff das Werk besteht, durchgeführt wird. Ratiocinatio ist, was bei handwerklich hergestellten Dingen aufzeigen und deutlich machen kann, in welchem Verhältnis ihnen handwerkliche Geschicklichkeit und planvolle Berechnung innewohnt. Daher konnten Architekten, die unter Verzicht auf wissenschaftliche Bildung bestrebt waren, nur mit den Händen geübt zu sein, nicht erreichen, dass sie über eine ihren Bemühungen entsprechende Meisterschaft verfügten. Die aber, die sich nur auf die Kenntnis der Berechnung und wissenschaftliche Ausbildung verließen, scheinen lediglich einem Schatten, nicht der Sache nachgejagt zu sein. Die aber, die sich beides gründlich angeeignet haben, haben mit dem ganzen Rüstzeug ihres Berufes ausgestattet, schneller mit Erfolg ihr Ziel erreicht.“ Ansprüche, die auch heute noch für das Architekturstudium von Bedeutung sind.

Ansicht eines reich bepflanzten Innenhofs
Quelle: The J. Paul Getty Museum, Malibu, Cal.
Im J. Paul Getty Museum im kalifornischen Malibu sind 1970 wesentliche Teile der Villa dei Papiri aus Herculaneum maßstabsgetreu rekonstruiert worden. Hier gewinnt man nicht nur einen guten Eindruck von den technischen Fähigkeiten römischer Architekten, sondern auch von den Komfortansprüchen reicher Römer vor fast 2.000 Jahren.

Das gilt auch für drei Hauptforderungen Vitruvs an ein gutes Haus, das Nützlichkeit, Festigkeit und Schönheit vereinen soll – und zwar gleichermaßen und gleichwertig. Moderne Forderungen nach Nachhaltigkeit klingen da nicht viel anders, als die von Vitruv schon vor mehr als 2.000 Jahren formulierten Gedanken. Zumindest die Qualitätskriterien an ein gutes Haus haben sich also nicht wesentlich geändert. Sowohl bei der Beachtung des Wohnklimas, der Lichtführung, der Trinkwasserversorgung, der Abwassertechnik, der Ausstattung von Städten mit öffentlichen Bädern (Thermen) und Toilettenanlagen (Latrinen) spielten grundlegende Überzeugungen zur Bedeutung der Gesundheit von Menschen und der Wunsch nach mehr Lebensqualität eine zunehmend wichtigere Rolle. Eine menschengerechte Planung ist also keine Erfindung der Neuzeit. Dabei waren auch in römischer Zeit die Planungen und Herangehensweisen an ein Projekt sowie die Bauausführungen einem Wandel unterworfen, wie er besonders nach Erfindung und Einführung des opus caementitiums, des antiken Betons, in die Baukunst stattfand. Dessen Verwendung beruhte auf der vermutlich in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts vor Christus gemachten Entdeckung der Pozzolana-Erde, die in Mittelitalien ein überall vorhandener Bestandteil der vulkanischen Erdschichten ist.

Nachdem dieser Baustoff zunächst nur in Nutzbauten Anwendung fand, regte er dank seiner offensichtlichen konstruktiven und überzeugend einsetzbaren wirtschaftlichen Möglichkeiten auch zu völlig neuen Konstruktionen an, wurde so zum wichtigsten Baustoff der römischen Kaiserzeit, machte schnelles und sicheres Bauen, zum Teil mit verlorenen Schalungen unter Verwendung nicht mehr gebrauchter Mauerblöcke, möglich.

Von Thomas Maischatz
Redaktion, Heizungs-Journal Verlags-GmbH
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