TGA

Die Rolle der Souveränität von Bauherren in der integralen Planung

Donnerstag, 11.07.2024

Interessenlagen bei der Planung hatten Bauherren aus ihrer zentralen Rolle gedrängt

In den letzten 20 Jahren haben sich Architekten und Ingenieure als „operative Rechtsberater“ bezeichnet und verstanden. Diese „operativen Rechtsberater“ haben jedoch naturgemäß eigene Interessen, die sich von den Interessen des Bauherrn deutlich unterscheiden. Die eigenen Interessen von Planern waren aufgrund der von der Rechtsprechung formulierten Zunahme ihrer haftungsrechtlich relevanten Anforderungen von diesen kaum mehr auszublenden. Dabei waren den Planenden die damit verbundenen Folgen jedoch nicht bewusst, zumal dort nur ein sehr vages Verständnis von dem vorherrschte, was Rechtsberatung eigentlich heißt, nämlich ausschließlich die Interessen der von ihnen vertretenen Bauherren im Blick zu haben.

Jeder Rechtsberater, der diese Aufgabe ernst nimmt, muss sich in die Rolle des Bauherrn versetzen. Wo Planer allein aus haftungsrechtlichen Gründen ihre eigenen Interessen im Blick haben (müssen), steht für (bau-)anwaltliche Rechtsberater einzig der Auftraggeber, der Nutzer des Gebäudes, im Fokus. Hinzu kam und kommt nach wie vor, das vom BGH in der Entscheidung vom 09.11.2023 thematisierte Ausbildungsdefizit der Architekten und Ingenieure gegenüber den hierauf spezialisierten Baujuristen. Im erwähnten Podcast brachte es mein Interviewpartner auf den Punkt: Sie seien in den letzten 20 bis 30 Jahren „die operativen Rechtsberater der Bauherren“ gewesen, und zwar – mangels juristischer Ausbildung – nicht mit entsprechenden Fachkenntnissen, sondern „auf der Basis unserer Kenntnisse vom operativen Geschäft“.

Das hatte fatale Folgen, weil Bauherren dadurch faktisch aus ihren eigenen Bauvorhaben herausgedrängt worden waren. Die wichtigen Fragen wurden von Berufsgruppen beantwortet, die eigene Ziele verfolgten und in der Regel weder willens noch in der Lage waren, ihre Auftraggeber, die Bauherren, über die ihren Entscheidungen und Empfehlungen zugrundeliegenden rechtlichen Rahmenbedingungen aufzuklären und diesen damit die eigentliche Entscheidung zu überlassen. Und damit ist klar, dass Bauherren in einer solchen Gemengelage gar nicht die maßgebliche Instanz waren bzw. sein konnten, zumal Bauherren selbst diese zentrale Position auch nicht als ihre Kernaufgabe wahrgenommen haben, weil hierfür keine Praxis existierte. Ich bin der festen Überzeugung, dass aus dieser „Ohnmacht“ des Bauherrn viele Probleme bei Bauvorhaben herrühren.

„Für mich lässt sich integrale Planung in einem Wort zusammenfassen: Souveränität. Integrale Planung, wie ich sie verstehe, startet mit dem Planungsprozess und einem Team auf dem Feld, in dem jeder Experte seines Fachs ist. Das schließt den Baujuristen mit ein“, betont Prof. Dr. Andreas Koenen.
Quelle: Koenen Bauanwälte
„Für mich lässt sich integrale Planung in einem Wort zusammenfassen: Souveränität. Integrale Planung, wie ich sie verstehe, startet mit dem Planungsprozess und einem Team auf dem Feld, in dem jeder Experte seines Fachs ist. Das schließt den Baujuristen mit ein“, betont Prof. Dr. Andreas Koenen.

Die Rolle des Bauanwalts bei zukünftigen Bauvorhaben

Spätestens seit dieser klarstellenden Entscheidung des BGH vom 09.11.2023 und insbesondere auch aufgrund der Tatsache, dass Planer für derartige rechtsberatende Tätigkeiten nicht (mehr) versichert sein dürften, ergibt es Sinn, sich von Planungsbeginn an einen Baujuristen ins Team zu holen – selbst wenn der Baubeginn noch ein bis zwei Jahre auf sich warten lässt. Jetzt ist es wichtig, sich in den Büros mit allen Projektbeteiligten hinzusetzen und zu schauen, wo rechtliche Fragestellungen eine Rolle spielen. Die Rechtsberatung erstreckt sich ja nicht nur auf Ver-träge, sondern von den rechtlichen Rahmenbedingungen des zu wählenden Baumodells, über Vorbemerkungen bis zu den Abnahmen.

Nehmen wir als Beispiel die Elbphilharmonie: Das Bauvorhaben krankte, weil die von Hochtief vorgegebenen Bauverträge rechtlich – jedenfalls aus Sicht der Bauherren – auf „wackligem Fundament“ standen. Für Juristen war die Eskalation aufgrund des rechtlich ungeprüften Bauvertrages absehbar und die Notwendigkeit des dann auch eingeschalteten Untersuchungsausschusses keine Überraschung.

Viele Baubeteiligte denken, dass juristische Fragen eine untergeordnete Rolle spielen. Das ist mitnichten so. Das rechtliche Fundament hat für den Erfolg eines Bauvorhabens eine kaum zu überschätzende Bedeutung. Und ich vermute, wenn man alle gescheiterten Bauvorhaben mit juristischer Brille untersuchen würde, würde man durchaus Ähnlichkeiten feststellen.

Aktuelle Bewertung
Noch keine Bewertungen vorhanden
Ihre Bewertung
Vielen Dank für Ihre Bewertung.

Sie haben eine Frage zu diesem Artikel? Dann stellen Sie der Redaktion hier Ihre Fachfrage!

Abonnieren Sie unseren Newsletter

Möchten Sie die aktuellen Artikel per E-Mail erhalten?

Einloggen

Login / Benutzername ungültig oder nicht bestätigt

Passwort vergessen?

Registrieren

Sie haben noch kein Konto?
Dann registrieren Sie sich jetzt kostenfrei!
Jetzt registrieren

 

Expertenfragen

„Frag‘ doch einfach mal – einen Experten!": Nach diesem Motto können Sie als Nutzer der TGA contentbase hier ganz unkompliziert Fachleute aus der Gebäudetechnik-Branche sowie die Redaktion der Fachzeitschriften HeizungsJournal, SanitärJournal, KlimaJournal, Integrale Planung und @work zu Ihren Praxisproblemen befragen.

Sie wollen unseren Experten eine Frage stellen und sind schon Nutzer der TGA contentbase?
Dann loggen Sie sich hier einfach ein!

Einloggen
Sie haben noch kein Konto?
Dann registrieren Sie sich jetzt kostenfrei!
Registrieren