Und deswegen prognostiziere ich, dass die Baubranche durch dieses BGH-Urteil eine grundlegende Veränderung erleben wird. Wenn schon in den sogenannten Vorbemerkungen eines Bauvertrages bzw. eines vermeintlich nur technische Regelungen enthaltenden Leistungsverzeichnisses zentrale juristische Sachverhalte geregelt bzw. „versteckt“ werden und diese nicht rechtlich geprüft sind, dann darf es auch nicht verwundern, wenn man zu dem Ergebnis kommt, dass in der Vergangenheit viele Bauvorhaben im rechtlichen Blindflug begonnen und zu einem bisweilen katastrophalen Ende geführt worden sind. Dadurch werden die Interessen des Bauherrn, seine Absicherung, seine Souveränität beeinträchtigt.
Die juristische Sicht auf integrale Planung
Für mich lässt sich integrale Planung in einem Wort zusammenfassen: Souveränität. Integrale Planung, wie ich sie verstehe, startet mit dem Planungsprozess und einem Team auf dem Feld, in dem jeder Experte seines Fachs ist. Das schließt den Baujuristen mit ein. Ergebnis der klaren Aufgabenteilung ist es, das Spannungsfeld aufzulösen, und zwar über eine die fachlich qualifizierte Souveränität ermöglichende Beratung, welche ein qualitativ hochwertiges Gebäude als Ergebnis zur Folge haben wird. Architekten und Ingenieure müssen die Technik, die Zeitachse und die Kosten im Griff haben. Das kann aber nur gelingen, wenn sie sich wieder auf ihr originäres Tätigkeitsfeld konzentrieren dürfen. Jahrelang wurden aber Bauherren von Baubeteiligten rechtlich beraten und vertreten, die eigene, teils andere, Interessen hatten. Jeder Baubeteiligte hat nicht nur seine eigenen Interessen, sondern auch seine eigenen Schwerpunkte: der Architekt in der Gestaltung, der Ingenieur in der Technik und der Handwerker in seinem Metier. Für uns Bauanwälte hingegen steht der Bauherr im Mittelpunkt, der Investor, der Nutzer und der Betreiber.
Bauingenieure machen sich die Welt, wie sie ihnen gefällt. Das muss sich ändern
Die in der Entscheidung des BGH aufgezeigte Rechtslage ist keineswegs neu. Ich habe daher in den vergangenen Jahren in meinen Mandaten stets vor der Erbringung von Rechtsdienstleistungen durch Architekten und Ingenieure gewarnt, wurde aber naturgemäß oftmals erst beteiligt, wenn es bereits galt, die Folgen einer entsprechenden Beratung zu bekämpfen. Auch die Architekten- und Ingenieurkammern hatten in der Vergangenheit immer wieder vor einer rechtsberatenden Tätigkeit ihrer Kammermitglieder gewarnt. Ich behaupte, dass alle Planungsbüros Bauprojekte von der gestalterischen und technischen Seite aus sehen. Noch zu selten denken sie ein Bauprojekt von demjenigen aus, der es bezahlt oder nachher nutzt.
Als Jurist, sozusagen als anwaltlicher Pathologe, habe ich über mehr als 20 Jahre beobachtet, warum Bauvorhaben nicht funktionieren. Daraus ist die Erkenntnis entstanden, dass die Gestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen, deren Gestaltung in der Vergangenheit jedoch vernachlässigt bzw. insoweit fachunkundigen Baubeteiligten anvertraut wurde, einer der wichtigsten Faktoren für den Erfolg eines Bauvorhabens ist. Die daraus entstandenen und insbesondere vom Bauherrn zu Recht kritisierten Folgen waren und sind ebenso vorhersehbar wie vermeidbar. Deshalb mein Appell an Bauherren: Werden Sie souverän! Nutzen Sie die rechtlichen Möglichkeiten.