Eine aktuelle Studie der berühmten amerikanischen Yale-Universität hat aufgezeigt, dass eine zu geringe Raumluftfeuchte die Ausbreitung von Grippeviren und damit die Gefahr zu erkranken erheblich erhöht und dass Grippeauswirkungen bei zehn bis 20 Prozent relativer Luftfeuchte (r.F.) unabhängig von der Viruslast verstärkt werden. Etliche weitere Studien der vergangenen Jahre belegen ebenfalls einen eindeutigen Zusammenhang zwischen niedrigen Luftfeuchtewerten und der Ausbreitung von Grippeviren. Daher ist es an der Zeit, in technischen Regeln für die Raumlufttechnik verbindliche Werte auch für eine Mindest-Raumluftfeuchte festzulegen, durch die gleichzeitig der Gesundheitsschutz signifikant gesteigert wird. Eine neue Broschüre stellt ausführlich die technischen, medizinischen und wirtschaftlichen Aspekte zur Problematik einer zu geringen Raumluftfeuchte vor.
40 Prozent Mindest-Raumluftfeuchte – ein Muss für Behaglichkeit und Gesundheit
Freitag, 10.09.2021
Jeder kennt die unangenehmen Auswirkungen von zu trockener Luft: Die Haut wird schuppig und rissig, Nasen- und Rachenschleimhäute ebenso wie die Augen trocknen aus und werden gereizt. Dadurch fühlen wir uns unbehaglich, sind weniger konzentriert und leistungsfähig und auch anfälliger für Atemwegserkrankungen. Eine viel zu geringe Raumluftfeuchte ergibt sich, wenn in kühlen Jahreszeiten trockene Außenluft durch Lüftungsanlagen oder geöffnete Fenster ohne eine geregelte Befeuchtung in warme Räume einströmt. Häufig stellen sich in so belüfteten Räumen dann relative Luftfeuchten von deutlich unter 20 Prozent ein, die die zuvor beschriebenen negativen Symptome auslösen.
Seit vielen Jahren ist in der Lüftungs- und Klimatechnik das sogenannte Behaglichkeitsdiagramm bekannt und etabliert, das den Zusammenhang zwischen der Raumlufttemperatur und der relativen Raumluftfeuchte darstellt (Abbildung 1). In diesem Diagramm wird für einen behaglichen Raumluftzustand bei einer Temperatur von etwa 18 bis 24 °C eine Raumluftfeuchte zwischen rund 35 Prozent (untere Grenze) und etwa 70 Prozent (obere Grenze) empfohlen.
Aktuelle Vorgaben und Empfehlungen
In aktuellen technischen Regeln für Lüftungs- und Klimasysteme in Wohn- und Nichtwohngebäuden dominieren Vorgaben zu Mindest-Außenluftvolumenströmen und zu angenehmen Temperaturen. Zum Unterschreiten einer Schwülegrenze wird bei einer Raumtemperatur von 26 °C ein Maximalwert der relativen Feuchte von rund 60 bis 65 Prozent empfohlen (absolute Feuchte 12 g/kg). Im Vergleich dazu spielt eine Mindest-Raumluftfeuchte in kühleren und trockenen Jahreszeiten bislang eine untergeordnete Rolle und wird fast sträflich vernachlässigt. Hierzu gibt es bisher nur einige Empfehlungen ohne konkret einzuhaltende Vorgaben.
So schreibt die VDI 3804 „Raumlufttechnik – Bürogebäude“ wie folgt: „Es wird empfohlen, als Untergrenze die Kategorie 1 der DIN EN 15251 mit 30 Prozent r.F. anzustreben. Hierzu ist in der Regel eine Befeuchtungseinrichtung erforderlich... Feuchten < 30 Prozent r. F. können zu Reizungen der Augen und der Luftwege führen und damit Infektionskrankheiten begünstigen... Bei tiefen Außentemperaturen ist eine Unterschreitung einer Raumluftfeuchte von 30 Prozent zu erwarten.“ Der vom Deutschen Netzwerk Büro (DNB) erstellte Ratgeber „Zu trockene Luft im Büro“ empfiehlt eine Raumluftfeuchte von 40 bis 60 Prozent. Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) gibt in ihrer Information 215-510 „Beurteilung des Raumklimas – Handlungshilfe für kleine und mittlere Unternehmen“ einen behaglichen Bereich der Luftfeuchte von 45 Prozent plus/minus 15 Prozent an und nennt in der DGUV Information 202-090 „Klasse(n) – Räume für Schulen – Empfehlungen für gesundheits- und lernfördernde Klassenzimmer“ eine relative Luftfeuchte zwischen 40 und 65 Prozent (bei Tätigkeiten mit hohem Sprechanteil).
Zur Erhaltung der Gesundheit und der Leistungsfähigkeit von Menschen werden damit relative Raumluftfeuchten über 40 Prozent angeregt, die aber im Winter dauerhaft nur mit einer aktiven Luftbefeuchtung zu erreichen sind. Leider finden diese Empfehlungen zu einer gesunden und behaglichen Mindest-Raumluftfeuchte bei vielen Projektierungen von Klimaanlagen eine zu geringe bzw. keine Beachtung. Sehr viele Anlagen arbeiten noch immer ohne Systeme für eine geregelte, ausreichende Luftbefeuchtung.
Winterzeit gleich Grippezeit?
Seit vielen Jahren erfasst das Robert-Koch-Institut (RKI) die in Deutschland durch Grippe ausgelösten Krankheits- und Todesfälle. In seinem Bericht für 2017/2018 kommt das Institut zu folgenden Ergebnissen:
▪ Die Grippewelle startete gegen Jahresende (KW 52), erreichte ihren Höhepunkt im Februar und März (KW 8 bis KW 10) und klang dann im April langsam ab. Dies sind die Monate mit einer sehr geringen Feuchte der Außenluft.
▪ Nach Schätzungen des RKI gab es 2017/2018 rund 9 Millionen Arztbesuche und 45.000 Einweisun-gen in Krankenhäuser, die durch Grippeinfekte hervorgerufen wurden. Darüber hinaus schätzt das Institut weitere 5,3 Millionen Influenza-bedingte Arbeitsunfähigkeitstage ohne einen Krankenschein vom Arzt.
Doch gibt es tatsächlich einen direkten Zusammenhang zwischen einer trockenen Luft mit einer relativen Feuchte unter etwa 30 Prozent und der Ausbreitung und den Erkrankungen an Grippe? Dieses auch in der Medizin kontrovers diskutierte Thema wurde nun in langjährigen Untersuchungen von Forschern der renommierten amerikanischen Universität Yale analysiert. Die wichtigsten Ergebnisse der dazu im Mai 2019 veröffentlichten Studie „Low ambient humidity impairs barrier function and innate resistance against influenza infection“ lauten:
▪ Der Zusammenhang zwischen einer geringen Luftfeuchte und der Überlebensfähigkeit und Ausbreitung von Grippeviren ist vorhanden und wurde eindeutig nachgewiesen.
▪ Eine zu niedrige Luftfeuchte verringert den Selbstreinigungsmechanismus der Atemwege und führt dadurch zu einer geringeren Widerstandsfähigkeit des Immunsystems gegenüber Viren.
▪ Die Stärke der Erkrankung verschlimmert sich bei niedriger relativer Luftfeuchte unabhängig von der Viruslast. Zudem hemmt eine zu geringe Luftfeuchte die Reparaturfähigkeit des menschlichen Zellgewebes.
▪ Zudem wurde aufgezeigt, dass eine relative Luftfeuchte zwischen 40 und 60 Prozent eine virale Infektion minimiert und den Übertragungsprozess erschwert.
Auf Basis dieser Ergebnisse ziehen die Yale-Forscher folgendes Fazit: Eine geringe Feuchte ist zwar nicht der einzige Faktor, der zur Verbreitung von Grippeviren und zu Krankheiten führen kann. Das Sicherstellen einer relativen Luftfeuchte von mindestens 40 Prozent besonders in den kühlen und trockenen Jahreszeiten ist aber eine geeignete Maßnahme, um die Ausbreitung von Grippeviren und die Zahl der Erkrankungen erheblich zu verringern.
Studienteilnehmer urteilen positiv
Neben einer Verringerung des Erkrankungsrisikos hat eine Mindest-Raumluftfeuchte auch sehr positive Auswirkungen auf die Erhöhung der Behaglichkeit und der Leistungsfähigkeit. Dazu hat das Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in der Studie „Luftfeuchtigkeit am Büroarbeitsplatz“ die Bedeutung und die Wirkungen von geringen (etwa 25 Prozent r. F.) und von ausreichend hohen Luftfeuchten (rund 40 Prozent r. F.) an Büroarbeitsplätzen untersucht. Im Rahmen der Studie wurde in einem Gebäude über mehrere Monate in Referenzbüros (Temperatur etwa 22 bis 23 °C) das System zur Luftbefeuchtung ein- und ausgeschaltet.
Die Ergebnisse belegen sehr deutlich, dass Personen in Büros ohne eine geregelte Luftbefeuchtung Störungen durch eine trockene Luft beklagen, die ihr Befinden und ihre Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. Bei einer aktiven Erhöhung der Raumluftfeuchte auf etwa 40 Prozent empfand keiner der Befragten die Luftfeuchte als zu gering, für sogar 84 Prozent war die Luftfeuchte gut. Demgegenüber klagten in den nicht befeuchteten Räumen fast 70 Prozent der Teilnehmer über eine zu geringe Luftfeuchte. Zudem beurteilten 54 Prozent der Befragten die Raumluftbefeuchtung als sehr erfrischend. Auch bei der Beurteilung der Symptome „trockene Atemwege“ und „brennende Augen“ wurden in den befeuchteten Räumen die Ergebnisse signifikant um jeweils etwa 20 Prozent besser.
Zusammenfassung und Folgerungen
Es ist mittlerweile medizinisch bewiesen, dass das Sicherstellen einer Mindest-Raumluftfeuchte von 40 Prozent eine Verringerung der Gefahren zur Ausbreitung von Krankheiten wie zum Beispiel Grippe auf ein Minimum zur Folge hat.
Gleichzeitig werden ab einer relativen Feuchte von rund 40 Prozent auch die zuvor beschriebenen unangenehmen Auswirkungen von zu trockener Luft vermieden und die Menschen fühlen sich gesund, behaglich und leistungsfähig.
Das in der Klimatechnik seit vielen Jahren etablierte Diagramm mit den Vorgaben zu behaglichen und gesunden Raumluftfeuchten spiegelt die Forderungen nach einer Mindest-Raumluftfeuchte von etwa 35 bis 40 Prozent im Feld „Behaglich“ durchaus in etwa wider – aber diese Werte sollten dringend in der künftigen Normung und in der täglichen Praxis der Lüftungs- und Klimatechnik auch beachtet und umgesetzt werden. Daher lautet die Empfehlung, auch für künftige technische Regeln, das bisherige Behaglichkeitsdiagramm an die neuen medizinischen Erkenntnisse anzupassen und es dafür leicht zu modifizieren. Den entsprechenden Vorschlag zeigt die Abbildung 2, die hiermit zur fachlichen Diskussion gestellt wird.
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