Warum all der Wirbel um Building Information Modeling (BIM)? Die schleppende Einführung in Deutschland sorgt mitunter für Ablehnung und Unlust, sich auf einen Wandel einzulassen. Doch das Thema hält sich hartnäckig – und das hat einen Grund. Die Schwächen in traditionell organisierten Bauprojekten sind offenkundig: doppelte Arbeit durch System-Inkompatibilität, hoher Revisionsaufwand, Fehler mit unkalkulierbaren Folgekosten.
Building Information Modeling
Idee und Praxis
Mittwoch, 28.09.2016
Begründet sind diese Unzulänglichkeiten vor allem in der späten Planungspräzisierung und Einbindung der Partner. Und hier liegt der zentrale Ansatz des Building Information Modeling (BIM): Ein früher Einstieg in die detaillierte und durchgängige Planung verhindert Entgleisungen in der Umsetzung und erhöht die Kostenwahrscheinlichkeit. Heikle Punkte werden am digitalen Gebäudemodell und nicht am realen durchgespielt und gelöst. Die Vorteile liegen auf der Hand: BIM führt zu mehr Zuverlässigkeit, Termintreue, Kostenreduktion, Qualität.
Wie genau wird BIM definiert?
Building Information Modeling ist seinem Wesenskern nach ein interdisziplinärer Prozess der Koordinierung von Bauprojekten und dem gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes. Welche Software oder Formate dafür eingesetzt werden, ist zweitrangig. Verschiedene Hilfsmittel können diesen Prozess unterstützen. Entscheidend ist: Es gibt ein zentrales virtuelles Gebäudemodell (Building Information Model), das alle physikalischen und funktionalen Eigenschaften enthält und damit eine verlässliche Informationsquelle für Entscheidungen während des Bauprozesses und für den Betrieb bietet.
In allererster Linie ist BIM damit eine neue Methode der Zusammenarbeit, die die Baubeteiligten, die Technologie und die Arbeitsorganisation von der ersten Idee an integriert. Das bedeutet nicht weniger als einen Kulturwandel in der Baubranche. Um sich in dieser Bewegung nicht zu verlieren oder unnötige Risiken einzugehen, ist es wichtig, Aufgaben und Ziele mit den Partnern gemeinsam zu definieren und mit realistischen Vorgaben zu starten.
Notwendig: Struktur und Rollenverteilung
Als zentrales Dokument zur Fixierung der BIM-basierten Zusammenarbeit hat sich der BIM-Projektabwicklungsplan etabliert, in welchem die übergeordneten BIM-Ziele, Verantwortlichkeiten, die wesentlichen Prozesse und Austauschanforderungen der einzelnen Beteiligten festgelegt werden. Dieser wird dann zumeist beziehungsweise idealerweise zu einem Vertragsbestandteil zwischen Auftraggeber und den Teilhabern.
Als zentrale Figuren in BIM-Projekten haben sich die neuen Aufgabenbereiche des BIM-Koordinators und -Managers herausgebildet. Die Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche ist häufig projektspezifisch und sollte bei Projektstart vertraglich geregelt sein.
Am Berufsfeld des BIM-Koordinators ist gut ablesbar, wie sehr sich die Methode bereits etabliert hat. Der BIM-Koordinator ist zuständig für das zentrale Bauwerksmodell, das er Beteiligten zur Verfügung stellt, bidirektional vervollständigt und dokumentiert. Er vermittelt zwischen den Teilhabern und macht beispielsweise auf Kollisionen oder notwendige Änderungen aufmerksam, sodass ein widerspruchsfreies Modell bei Baubeginn bereitsteht. Nach der Ausführung steht so ein "As-built-Modell" zur Verfügung und kann unter anderem für das Facility-Management, die generelle Verwaltung und Umbaumaßnahmen genutzt werden.
Der BIM-Manager ist – verglichen mit dem BIM-Koordinator – in einem weiter gefassten Rahmen verantwortlich. Er bereitet die Definition und deren Ausführung vor und arbeitet eine übergeordnete BIM-Strategie auf Basis der Bauherrenanforderungen aus. Gemeinsam mit dem Koordinator stellt er die Qualität des BIM-Modells sicher, aus dem sich die gesamte Dokumentation und Massenermittlung ableiten lassen. Wichtig sind diese Positionen, um die Kommunikation mit anderen Beteiligten im Bauprozess zu leiten und zu sichern. Alle Teilhaber müssen grundlegende Kenntnisse über die gemeinsame BIM-Strategie, BIM-Anforderungen und BIM-Ziele besitzen.
Umstellungsprozesse in der Praxis
BIM definiert sich in der öffentlichen Kommunikation stark über seine Mehrwerte – das weckt hohe Erwartungen. Doch vollgültige BIM-Prozesse erfordern nicht nur eine Umstellung von Softwarelösungen und Planungsmethoden, sondern ganzer disziplinenübergreifender Projektabläufe. Ein Wandel, der Zeit braucht, da er genau abgestimmt werden muss. Doch eine Annäherung in kleinen Schritten ist möglich.
Ein Warten auf die eine große Richtlinie oder Honorarordnung verbaut den Weg zu einem kontinuierlichen Aufbau von Qualifikationen und Erfahrungen. Es gibt bereits viele Generalplaner, Ingenieurbüros und auch ausführende Betriebe, die sich mit einzelnen Leistungen und Phasen des Prozesses befassen, Projektabläufe neu gestalten und optimieren. Eine Übergangsphase ist sinnvoll und widerspricht nicht dem BIM-Gedanken.
Am Anfang steht das Planen mit intelligenten Bauteildaten im dreidimensionalen Gebäudemodell, das allen Prozessen zugrunde liegt. Damit ist die Grundlage für modellbasierte Austauschprozesse gegeben. Begrifflich reflektiert wird diese Herangehensweise in der Bezeichnung „little BIM“. Gemeint ist damit der Austausch eines intelligenten 3D-Gebäudemodells zwischen Architekt und Planer, der natürlich bereits große Mehrwerte gegenüber der Weitergabe von 2D-Plänen bietet, jedoch nicht mit dem Projektmanagement über ein Koordinationsmodell zu verwechseln ist.
Der „OpenBIM“-Ansatz – Das große Ganze
„OpenBIM“ wurde als Begriff für den offenen Austausch von Gebäudemodellen und Teilmodellen eingeführt, der unabhängig von der eingesetzten Software funktioniert und über die gesamte Bau- und Betriebsphase eines Gebäudes genutzt wird. Erst in der systemunabhängigen Kooperation mit Projektpartnern entwickelt sich das volle Potential der Planungsmethode.
Durch intelligenten Datenaustausch und ein Koordinationsmodell lassen sich Projektabläufe deutlich effizienter gestalten. Wichtig hierfür ist ein guter BIM-, IFC- oder Model-Viewer.
Viele, die von „BIM“ sprechen, meinen damit eigentlich „OpenBIM“. Der Zusatz betont die zentrale Bedeutung von offenen Standards für BIM-Prozesse und grenzt sich klar von den Einschränkungen des „closed-BIM“-Verfahrens ab. Auf Ebene der Softwareanbieter wird hier eine verhohlene Debatte ausgetragen, deren Kern wahlweise vertrieblicher oder philosophischer Natur ist.
Verkürzen lässt sich diese auf die Gegenpole: Herstellergebundene oder neutrale Datenaustauschformate; Geschlossenheit oder Offenheit. Die Möglichkeiten zum Datenaustausch sind nicht etwa ein Attribut von BIM, sie geben vor, wie effizient sich Bauprozesse tatsächlich organisieren lassen.
„OpenBIM“ bietet genau die Vorteile, die das hohe öffentliche Interesse an BIM auslösen: Es gibt eine eindeutige Informationsquelle, Abstimmungsfehler und Kollisionen werden auf einfache Weise vermieden. Alle Disziplinen (Architekten, Fachplaner, Facilitymanager, ausführende Fachbetriebe etc.) können die für ihren jeweiligen Fachbereich am besten geeignete BIM-fähige Softwarelösung einsetzen und ohne Einschränkungen Daten austauschen.
Das mächtigste Format für vernetzte BIM-Prozesse ist seit Jahren IFC – entwickelt und zertifiziert durch die buildingSMART-Organisation. Die Industry Foundation Classes (IFC) stellt ein allgemeines (herstellerunabhängiges) Datenschema dar, das einen Austausch von Daten zwischen verschiedenen eigenständigen Software-Anwendungen ermöglicht. Seit dem Release von IFC4 handelt es sich um einen offiziellen ISO-Standard – ISO 16739:2013. Weitere „OpenBIM“-Formate: BCF, gbXML, coBIE und viele weitere.
Ausblick
BIM ist Realität; in vielen Ländern bereits verpflichtend eingeführt. Der Druck durch nationale Initiativen und ausländische Investoren steigt. Ein früher Einstieg und Vertrautwerden mit BIM-Prozessen kann hier deutliche Wettbewerbsvorteile sichern. Technologie ist dabei ein Faktor, aber der Fokus liegt auf dem prozesshaften Charakter von BIM. Softwaretools und Austauschformate müssen in eine Struktur sinnvoll eingebunden werden.
Immer hörbarer wird innerhalb der Branche der Appell an Architekten, sich der Rolle des BIM-Koordinators anzunehmen und mit unabhängigen und durchgängigen Formaten zu arbeiten. Viel zu oft handelt es sich hier aber noch um 2D-Pläne oder einfache Zeichnungs-Dateien, die sich nicht in die modellbasierte Arbeitsweise integrieren lassen. [Rebekka Bude]
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