Die stringente Arbeitsweise, die mit Building Information Modeling (BIM) verbunden ist, kann nur dadurch möglich werden, dass alle Planungsbeteiligten Hand in Hand arbeiten. Das muss nicht automatisch heißen, dass die Architekten und Planer unisono (Big BIM) oder alle mit der identischen Softwarelösung planen.
Kollaboration und integrierte Planung als Erfolgsrezept
Dienstag, 27.06.2017
Vielmehr ist es die sinnvolle Vernetzung von planungs- und baurelevanten Informationen und eine effiziente Steuerung der Beteiligten, die eine der wesentlichen Stärken des modellbasierten Planens und Bauens und des sich anschließenden Gebäudebetriebs ist. Kollaboration und interdisziplinäre Zusammenarbeit sind die treibenden Kräfte, die ein komplexes Projekt transparent, messbar und erfolgreich werden lassen.
Vor allem international arbeitende Architektur- und Ingenieurbüros, Generalplaner oder Immobilienentwickler stehen immer wieder vor der Aufgabe, komplexe Projekte zu steuern. Die Vielzahl von Schnittstellen zu den unterschiedlichen Gewerken und die Zuständigkeiten der einzelnen Fachplaner stellen sie ständig vor neue und große Herausforderungen. Hinzu kommen nicht zu unterschätzende regionale Besonderheiten, Sprachbarrieren auf der Baustelle oder nationale Verordnungen.
Damit im Projekt nicht das Chaos um sich greift und die Liste der Schnittstellenkonflikte immer länger wird, muss ganzheitlich geplant werden.
Ein ganzheitlicher Planungsansatz vermeidet Reibungsverluste und minimiert Fehlerpotentiale. Es vereinfacht die Definition der Zuständigkeiten – bereits in der Planungsphase und in direkter Fortsetzung auf der Baustelle.
Was in der Theorie einfach klingt, ist in der Praxis deutlich komplexer. Denn es sind verschiedene Planungsbeteiligte zu vereinen, durchgängig einzubinden und zu steuern. Hier liegt es also am projektleitenden Architektur- oder Generalplanungsbüro, seinen ganzheitlichen Planungsansatz zu formulieren: interdisziplinär orientiert und damit die Basis für die integrierte Planung.
Erfahrene und hoch spezialisierte Planer erarbeiten oft durch Optimierung und Abwägung und früh im Projektverlauf eine präferierte Planungsvariante, die dann konsequent weiterverfolgt wird. Die Definition wichtiger Projektparameter, wie Kubatur, Konstruktion, statisches System, technischer Standard oder wesentliche wirtschaftliche Abwägungen, müssen im Planungsverlauf damit bereits in einer frühen Planungsphase getroffen werden. Ein weiterer Vorteil der Fokussierung auf nur eine Planungsvariante: Die Aufgaben der einzelnen Planungspartner lassen sich einfacher bestimmen, was die Zusammenarbeit aller Planer deutlich vereinfacht.
Notwendigkeit und Potentiale der integrierten Arbeitsweise
Die integrierte Planungs- und Arbeitsweise ermöglicht also im idealen Fall ein bezüglich Kosten, Nutzen oder Realisierungsdauer optimiertes Projekt. Doch der Idealfall ist nicht die Norm und oft sind die besten externen Fachplaner oder die eigenen versierten Mitarbeiter nicht für das Projekt verfügbar, da anderweitig eingebunden. Der Fachkräftemangel und die heterogene Arbeits- und Ausbildungslandschaft verschärfen dieses Problem zusätzlich. Gleichzeitig fordern die Auftraggeber aber vermehrt Sicherheiten und Qualitäten, die nur mit integrierter Planung und BIM-basierten Arbeitsprozessen abzubilden ist.
Darin liegt die Herausforderung für viele Architekten, Fachplaner oder Generalplaner: Die Komplexität der Projekte und die Ansprüche an diese wachsen. Daher sind die gezielte Steuerung der Projektteams und die strikte Organisation der Arbeitsprozesse essentiell, um auch neue Mitarbeiter oder unerfahrene Planungspartner erfolgreich in die Projektorganisation einzugliedern. Jours fixes sind hierfür ein wichtiges Werkzeug. Sie finden zielgerichtet mit den Teamleitern statt und dienen dank konsistenten Datenmodellen, die alle Beteiligten nutzen, der Prozess-Steuerung, dem Kosten- und Ressourcen-Management und vor allem der gesamtheitlichen, systematischen Weiterentwicklung des Projektes.
Mit BIM Wettbewerbsvorteile erkennen
Eine Arbeitsweise, die die vorgenannten Optimierungen konsequent im Projekt verankert und Planungspartner, die sich daran halten und im Projekt zusammenstehen, sind ein wesentlicher Erfolgsfaktor für jedes Bauvorhaben. Kollaboration und klare Schnittstellendefinition werden ebenfalls durch den BIM-Prozess unterstützt. BIM unterstützt damit die logische Fortführung des integrierten Planens mithilfe konsistenter Datenmodelle.
Effizienz, Kostensicherheit, Kostenbewusstsein sowie ein optimierter Planungsaufwand und -prozess sind wichtig für das wirtschaftlich arbeitende Büro und den Bauherrn. Diese Qualitäten als wertvolle Dienstleistung zu benennen und als außergewöhnlichen Mehrwert der eigenen Arbeitsleistung beim Auftraggeber zu positionieren, ist ein klarer Wettbewerbsvorteil in einer heterogenen europäischen Planungslandschaft.
Entscheidungen treffen, Planungssicherheit vermitteln
Das BIM-Modell verlangt nach Information, Struktur, Klarheit und Konsistenz. Die wichtigen und kostenrelevanten Entscheidungen für Konstruktion, Materialien und Technische Gebäudeausrüstung (TGA) müssen Architekt und Fachplaner oder Generalplaner, Auftraggeber oder Bauherr deshalb am Anfang des Planungsprozesses treffen.
Das erfordert Klarheit bei Wünschen, Ansprüchen und Anforderungen an das zu erstellende Bauwerk. Der Architekt, Ingenieur oder Fachplaner wird damit zum Coach, Psychologen, Projektsteuerer und Treuhänder eines mitunter überforderten Bauherrns. Denn dieser muss ebenfalls erst lernen, dass er durch Kooperation und Darlegung seiner Wünsche und Erfordernisse den erfolgreichen Planungsprozess zu unterstützen hat.
Ein Paradigmenwechsel, wenn man die Entwicklung der Architekturgeschichte betrachtet: Über Jahrhunderte wurden erst im Bauprozess wichtige Entscheidungen zur technischen Gebäudeausstattung getroffen. Bauteilorientierte Planung und der Einsatz von BIM-Werkzeugen sowie am Rechner modellierte Gebäude erfordern jetzt viel früher die größtmögliche Klarheit.
Aber sie bieten auch die Möglichkeit, durch den Einsatz von Virtual Reality, ein Gebäude virtuell zu begehen – lange, bevor der erste Spatenstich gesetzt ist. Und somit die Planung und den Wunsch des Auftraggebers miteinander abzugleichen und auch die Bedürfnisse des Facility Managements frühzeitig zu berücksichtigen. Der Einsatz der BIM-Methode bedeutet demnach eine aufwändige und deutlich längere Vorplanungsphase im Projekt – jedoch zugunsten einer hohen Planungssicherheit und Risikominimierung für Architekt oder Generalplaner und Bauherr: Solange kein Bagger Erdreich bewegt, sind Planungsänderungen mit überschaubarem Aufwand möglich. Letztlich resultiert ein bezüglich Kosten, Nutzen und Realisierung optimiertes Projekt.
Bedeutung des modellorientierten BIM für den Planer
Auch für Büros, die zum ersten Mal mit BIM in Kontakt kommen und über die persönliche Wertschöpfung im Planungsprozess nachsinnen, kristallisiert sich schnell der Mehrwert heraus: Die modellbasierte Arbeitsweise hilft dabei, Fehlerpotentiale zu verringern. Die Arbeit in einem gemeinsam genutzten Datenmodell bietet die Option für eine frühzeitige, konsequente Kollisionsprüfung. Die ergänzenden Informationen, die das Modell über den Projektverlauf anreichern, bieten wertvollen Zusatznutzen. So lassen sich die Datenmodelle für Vorfertigungsprozesse oder für den anschließenden Gebäudebetrieb in einem umgearbeiteten Datenmodell für das Facility Management nutzen.
Neben dem Hochbau profitiert von BIM auch der Infrastruktursektor. Tunnelbauten beispielsweise können heute digital modelliert, der Bauverlauf exakt simuliert, der Baustellenfortschritt zuverlässig terminiert und die Schnittstellen und Anschlusspunkte zu Folgegewerken dreidimensional abgebildet und detailliert abgestimmt werden. Bei der Komplexität solcher Verkehrsbauwerke und der immensen Kosten, die sie während des Baus und vor allem im Betrieb verschlingen, ist BIM die Planungsmethode der Zukunft und die digitale Planung mit all ihren Facetten der Schlüssel für kostenoptimierte Projekte im Straßen-, Brücken- oder Tunnelbau.
Kompetenzen entwickeln und Fachkenntnisse schulen
Es ist fast eine Binsenweisheit: Ein wichtiger Erfolgsfaktor für jedes Folgeprojekt ist die umfassende Dokumentation des vorangegangenen Auftrags. Hinzu kommen bei komplexen Planungen die Schulung der Mitarbeiter und der Ausbau der eigenen internen Kompetenzen.
Übertragen auf den BIM-Planungsprozess müssen Architekten und Planer ihre bisherigen Arbeitsprozesse umstellen, internes Know-how entwickeln und die eigenen Mitarbeiter schulen. Für den Kompetenztransfer und die Reifung der notwendigen Skills ist eine seriöse externe Beratung, Begleitung und Unterstützung sicher hilfreich.
Der Wechsel zum wertschöpfenden Einsatz der BIM-Methode muss behutsam erfolgen. In jedem Planungs- oder Architekturbüro würde die harte und abrupte Umstellung von Arbeits- und Planungsprozessen Teams lähmen und laufende Projekte in massiven Zeitverzug bringen. Es empfiehlt sich in jedem Fall, einen BIM-Beauftragten im Büro auf das Thema zu fokussieren – und nur darauf.
Darüber hinaus sollte nach erfolgreicher Erarbeitung der BIM-Prozesse, der Implementierung der daraus resultierenden Workflow-Prozesse und der umfassenden Schulung der Projektbeteiligten ein erstes kleines Testprojekt bearbeitet werden. Der BIM-Koordinator führt dann das Team durch den gesamten Planungsprozess, begleitet bei Problemstellungen und verantwortet die umfassende Projektdokumentation.
BIM ist eindeutiger Führungsentscheid
Building Information Modeling bedeutet also einen wesentlichen Eingriff in die bestehende Bürostruktur und die Arbeitsprozesse. Dabei ist es wichtig, zu verinnerlichen: BIM ist keine temporäre Erscheinung, keine Mode. BIM ist vielmehr ein Paradigmenwechsel auf dem Weg zum digitalen Planen, Bauen und Betreiben. Der Markt fordert in Teilbereichen (z.B. in der Infrastrukturplanung) schon heute BIM-basierte Planungsleistungen. In einem absehbaren Zeithorizont von vermutlich fünf bis zehn Jahren werden mittlere Bauaufgaben und Großprojekte in der Regel auf BIM-Standard und modellbasiert vergeben und bearbeitet werden.
Architekten, Generalplaner und hochspezialisierte Fachplaner müssen sich den damit verbundenen Herausforderungen stellen, was vor allem die Veränderung der internen Büroprozesse und Arbeitsabläufe bedeutet. Solch eine essentielle Neuausrichtung muss von der Geschäftsführung in die Teams und an jeden Mitarbeiter herangetragen werden. BIM wird damit zum Führungsentscheid.
Fazit
Kollaboration und interdisziplinäre Arbeitsweise, integrierte Planung und Building Information Modeling (BIM) lassen sich perfekt miteinander verbinden. Wichtig bleibt jedoch die gemeinsame Konzentration auf einen tragfähigen Planungsansatz und die frühzeitige Formulierung detaillierter Entwurfsparameter. Das schafft Klarheit in der Definition von Zuständigkeiten und vereinfacht Schnittstellen. Und BIM hilft, Planungsaufwände zu minimieren sowie Kosten-, Planungs- und Terminsicherheit bei Bauherr und Planer zu erreichen. Damit wird die Methode zu einem Werkzeug, das im Zusammenspiel von integrierter Planung und digitalem Modell hilft, neue Geschäftsfelder zu erschließen sowie die eigene Position im aktuellen Projektumfeld zu sichern und auszubauen. So ausgerichtete Architekten und Generalplaner, Fachplaner oder Bauunternehmen positionieren sich nachhaltig als wichtiger und kompetenter Ansprechpartner für ihre Bauherren, Investoren und Fachkollegen.
Sie haben eine Frage zu diesem Artikel? Dann stellen Sie der Redaktion hier Ihre Fachfrage!