Zur Überwindung der Probleme komplexer Planungen wurde das Konzept der „Integralen Planung“ entwickelt. Sie bietet in ihrer ganzheitlichen Herangehensweise die Grundlage für eine Integration über die Grenzen von Fachdisziplinen oder Lebenszyklusphasen hinweg. Ein anforderungsorientiertes Planungsteam entwickelt in einem iterativen Prozess das so genannte Performance-Based-Building.
Lebenszyklus-Betrachtung von Gebäuden
LCC und LCA liefern differenzierte Daten
Mittwoch, 28.09.2016
Die Einbeziehung der Lebenszyklus-Betrachtung führt dabei zu einem ganzheitlich geplanten Gebäude, das nicht für den Bau, sondern auch für die Betriebsphase große Kostensicherheit bietet und das fundierte Auskunft über die tatsächliche ökologische Performance eines Gebäudes bietet.
Integrale Planung steht für eine ganzheitliche Gebäudeplanung, da sie die gleichzeitige Mitwirkung aller am Planungsprozess beteiligten Fachplaner und Bauherren verlangt. Die frühzeitige Einbeziehung aller notwendigen Experten ins Planungsteam sowie die gleichzeitige und abgestimmte Bearbeitung der Planungsaufgabe sind entscheidende Voraussetzung für den Projekterfolg.
Die Einbindung der Fachplaner schon in der konzeptionellen Phase ist von größter Wichtigkeit, da diese Planungsphase die Weichen für die optimale Gestaltung des Lebenszyklus stellt.
Bei der Betrachtung des Lebenszyklus von Gebäuden wird zwischen ökologischen und ökonomischen Aspekten unterschieden. Die Zusammenschau dieser Aspekte bietet dem Bauherrn ebenso wie den beteiligten Planern wichtige Entscheidungshilfen für zentrale Entscheidungen, insbesondere in den frühen Planungsphasen.
Lebenszyklus-Analyse (LCA)
Die Lebenszyklusanalyse (auch „LCA“ oder „Ökobilanz“ genannt) verfolgt die einzelnen Baumaterialien eines Gebäudes von der Wiege bis zur Bahre (cradle to grave). Es werden folgende Lebensphasen einbezogen:
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Graue Energie: Gewinnung, Transport, Herstellung, Neubau des Gebäudes.
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Erste Nutzungsphase des Gebäudes.
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Erneuerung, Instandsetzung, Umbau, Anpassung des Gebäudes.
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Zweite beziehungsweise dritte Nutzungsphase.
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Rückbau, Rezyklierung, Abriss, Wiederverwendung.
Die Ökobilanz berechnet die ökologischen Auswirkungen aller Materialien eines Gebäudes auf die Umwelt. Die einzelnen Massen werden ermittelt und mit spezifischen Umweltfaktoren wie Emissions- und Verbrauchsfaktoren (CO2-Emission, Ozon-Zerstörungspotential, Versauerungspotential, Wasserverbrauch etc.) multipliziert. Jedes Material erzeugt spezifische, quantifizierte Umweltwirkungen.
Die Ermittlung dieser Umweltfaktoren ist aufwändig, denn sie beinhaltet die erforderlichen Energie- und Stoffströme für die Gewinnung, die Herstellung und den Transport eines Materials, für dessen Nutzungsphase, die Erneuerung und den Rückbau bzw. das Recycling. Diese Faktoren findet man in offiziell anerkannten Tabellen, zum Beispiel unter www.oekobaudat.de (Abbildung 2).
Lebenserwartung von einzelnen Bauteilen
Neben den Umweltfaktoren gibt es Erfahrungswerte für die durchschnittliche Lebenserwartung von Bauteilen. Haustechnik-Komponenten liegen eher im Bereich unter 25 Jahren, der Rohbau liegt über 50 Jahre, Fassadenkonstruktionen liegen dazwischen.
Werden mehrschichtige oder verklebte Bauteile verbaut, so müssen die Planer sorgsam darauf achten, dass die Lebenserwartungen der einzelnen Bauteilschichten möglichst gut korrelieren, denn das gesamte Bauteil lebt nur so lange wie sein schwächstes Glied.
Befindet sich in einer mehrschichtigen Konstruktion beispielsweise eine PE-Folie mit relativ kurzer Lebenserwartung, muss unter Umständen das gesamte Bauteil ausgetauscht oder rückgebaut werden, nur weil sich die Folie auflöst.
Recyclinggerechtes Planen und Bauen
Als logische Konsequenz aus der Lebenszyklusbetrachtung ergibt sich das recyclinggerechte Planen und Bauen. Das Gebäude ist unter Verzicht auf Verbundkonstruktionen oder Klebeverbindungen so zu konstruieren, dass ein Umbau oder Rückbau so einfach wie möglich vonstatten gehen kann.
Als wichtiger integraler Planungsschritt sind diese Ergebnisse von allen Disziplinen entsprechend sauber zu dokumentieren, damit sich bei einem Rückbau in ferner Zukunft von einem unbeteiligten Dritten eindeutig nachvollziehen lässt, was wo und wie verbaut wurde und wie es am besten sortenrein wiedergewonnen werden kann.
Aktualisierte Werkpläne und ausführliche Dokumentationen sind dafür eine entscheidende Voraussetzung, aber noch keine Selbstverständlichkeit.
Langer Lebenszyklus-Beitrag zur Nachhaltigkeit
Gebäude werden nur dann alt, wenn sie flexibel genug geplant wurden, um auf Nutzungsänderungen reagieren zu können. Praktisch kein Gebäude wird langfristig genauso genutzt, wie es ursprünglich geplant wurde. Die wichtigste Voraussetzung für einen langen Lebenszyklus ist daher die Flexibilität des Gebäudes.
Ist die Geschosshöhe ausreichend, sind Installationszonen mit genügend Reserve vorgesehen, ist die Grundrissgestaltung leicht abänderbar, können Bauteile oder TGA-Komponenten leicht ausgetauscht werden, ist die Fassade demontierbar?
Wenn das alles mit geringem Aufwand möglich ist, sind die zentralen Voraussetzungen für ein langes Leben gegeben. Im Umkehrschluss lässt sich die Frage stellen, ob Gebäude als nachhaltig bezeichnet werden können, wenn sie bereits nach 40 Jahren wieder abgerissen werden.
Zumindest bei herkömmlichen Bauweisen ist der Anteil der grauen Herstellungsenergie anteilig sehr hoch, so dass mit dem Abriss deutlich mehr Energie vernichtet wird, als wenn das Gebäude mehrfach saniert und über einen längeren Zeitraum genutzt wird.
Lebenszyklus-Kostenanalyse (LCC)
Neben dem ökologischen Lebenszyklus muss auch die wirtschaftliche Nachhaltigkeit betrachtet werden; hierfür werden mit Hilfe des Barwertverfahrens vergleichende monetäre Berechnungen über den gesamten Lebenszyklus erstellt. So können optimale Planungsvarianten (zum Beispiel bei Energieversorgungs- oder HKLS-Systemen) ermittelt werden.
Dabei fließen sowohl Herstellungs- als auch Betriebskosten wie Energie, Wasser, Reinigung, Instandhaltung, Instandsetzung und Rückbaukosten in die Rechnung mit ein. Der Betrachtungszeitraum erstreckt sich je nach Zielsetzung auf einen Wert zwischen 10 und 100 Jahren.
Die jeweils berechneten Lebenszykluskosten einer Variante sind auf den Zeitpunkt Null abgezinste Zahlungen. Zeitlich versetzte Zahlungen, wie beispielsweise die jährlichen Energiekosten oder der Austausch der Lüftungsanlage nach 25 Jahren, werden dadurch finanzmathematisch korrekt berücksichtigt. Die wirtschaftlich nachhaltigste Variante ist diejenige mit den geringsten Lebenszykluskosten.
Die üblichen Lebenszykluskosten-Berechnungen über 50 Jahre zeigen sehr deutlich, dass die Herstellungskosten nur einen verhältnismäßig kleinen Teil ausmachen und die Betriebskosten den Löwenanteil verursachen. Im Regelfall ist es daher wirtschaftlich absolut sinnvoll und empfehlenswert, die Betriebskosten zu optimieren, selbst wenn das die Planungs- und Herstellungskosten moderat erhöht.
Dieser Zusammenhang lässt sich mit der LCC genau berechnen und gegenüber dem Bauherrn überzeugend darstellen.
Der optimale Effizienz-Standard
Regelmäßig wird in der Vorplanung die Frage nach der optimalen Effizienz gestellt. Ist es für einen Bauherrn wirtschaftlicher, nach EnEV-Mindestanforderungen zu bauen oder im Passivhaus- bzw. im Aktivhaus-Standard?
Schon früh kann diese Frage mit Hilfe der LCC-Berechnung präzise beantwortet werden. Für jeden Effizienzstandard können die Energiekosten, die Betriebskosten und die Herstellungskosten mit einem vertretbaren Aufwand ermittelt werden. Mittels der LCC-Berechnung wird zum Beispiel ein Zyklus von 50 Jahren betrachtet.
Meist schneidet nicht die Variante mit den geringsten Herstellungskosten, sondern diejenige mit den geringsten Betriebskosten am besten ab.
Beispiel: LCC von Energieversorgungs-Varianten
Für eine Bürogebäudesanierung wurden sechs Energieversorgungsvarianten bewertet. Zwei Varianten schieden sofort aus, für vier Varianten wurden die Lebenszykluskosten über 50 Jahre berechnet.
Als Input mussten neben den Herstellungskosten vor allem die Energiekosten ermittelt werden, so dass die unterschiedliche Performance, die unterschiedlichen Energieträger und die unterschiedlichen Bezugspreise in die Berechnung eingeflossen sind.
Bei diesem Vergleich berücksichtigt man auch die Lebenserwartung der Energieversorgungssysteme, im Regelfall 25 Jahre. Nach diesem Zeitraum müssen in der Regel bestimmte Haustechnikkomponenten ausgetauscht werden – dies wird in der Berechnung berücksichtigt. Jede Komponente hat dabei innerhalb des insgesamt betrachteten Zeitraums von 50 Jahren ihren eigenen Austauschrhythmus. Beispielsweise muss das Lüftungsgerät eher ausgetauscht werden als die damit zusammenhängenden Kanäle.
Mit Hilfe der Lebenszykluskosten-Berechnung unterschiedlicher Energieversorgungsvarianten konnte der Bauherr die für ihn angemessenste Lösung wählen (Abbildung 3).
Beispiel: LCA von Wandaufbauten
Um die ökologischen Qualitäten von verschiedenen Fassadensystemen beurteilen zu können, wurden 10 verschiedene Konstruktionen mit Hilfe einer LCA untersucht. Wie schneidet eine Außenwand mit WDVS im Vergleich zu einer monolithischen Außenwand oder einer Holzkonstruktion ab, wenn alle Alternativen den gleichen U-Wert aufweisen?
Diese ökologische Bewertung beleuchtet über einen angenommenen Zeitraum von 50 Jahren den gesamten Lebenszyklus der Außenwand samt Produktion, Nutzung, Instandsetzung und End-of-Life, um fundierte Aussagen über die unterschiedlichen Wandtypen machen zu können.
Die einzelnen Materialien sollten immer im Kontext ihrer spezifischen Leistungsfähigkeit untersucht werden. Will man beispielsweise eine Stütze aus Holz, Stahl oder Beton vergleichen, so ist als Maßstab nicht das Gewicht, sondern die gleiche Tragfähigkeit anzusetzen.
Wichtig ist auch die Frage, welche Verkleidungen, Anschlüsse, Behandlungen oder Anstriche zusätzlich benötigt werden. Ein Holzfenster muss zum Beispiel bei der Betrachtung des ökologischen Lebenszyklus nicht unbedingt besser abschneiden als ein Aluminiumfenster: Das Holzfenster benötigt ca. alle 5 Jahre einen neuen Anstrich, während das Aluminium-Fenster weniger wartungsintensiv ist und am Ende seines Lebens eine hohe Recycling-Gutschrift verbuchen kann (Abbildung 4).
Ausblick und Fazit
Bauen wird unter dem Strich auch weiterhin Geld und Energie kosten. Dank der Lebenszyklus-Betrachtungen von LCC und LCA kann man aber diverse Fragestellungen sehr viel differenzierter betrachten und beantworten als dies bisher der Fall war:
Sollte der Bauherr lieber die Baukosten oder die Betriebskosten reduzieren? Lohnt sich der Bau aufwändiger haustechnischer Anlagen? Sollte er lieber das eine oder lieber das andere Material verwenden? Wie ist das Verhältnis von Herstellungsenergie zu Betriebsenergie? Soll der Lebenszyklus eines Gebäudes verlängert werden – oder ist ein Neubau unter ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten sinnvoller?
Die Lebenszyklus-Betrachtung erlaubt eine fundierte Einschätzung der wirtschaftlichen und ökologischen Nachhaltigkeit eines Gebäudes über einen längeren Zeitraum hinweg.
Sie trägt so dazu bei, die Bedeutung der Planungs- und Erstellungskosten in einen größeren Kontext zu stellen – und wird immer mehr zu einem wichtigen Werkzeug für Bauherren und beteiligte Planer.
LCA und LCC sind darüber hinaus zentrale Voraussetzungen für die Nachhaltigkeitszertifizierung eines Gebäudes. Sie werden deshalb immer öfter selbstverständlicher Bestandteil der für die Planung eines Gebäudes erbrachten Nachweise.
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