Schritte zur Implementierung integraler Planungsmethoden.
Mehr Kultur- als Technikwandel
Montag, 25.05.2020
Wenn aktuell im Baubereich vom digitalen Arbeiten mit Building Information Modeling (BIM) die Rede ist, wird dies meist unter dem technischen Aspekt getan: Welche Hard- und Software soll benutzt werden? Bei BIM handelt es sich aber um eine Methode – ein Mittel, für dessen Funktionieren Menschen, Prozesse, Technik und Gesetzgebung zusammenspielen müssen. Dann kann damit auch Mehrwert und Innovation geschaffen werden.
Der Einsatz von BIM befindet sich in Deutschland noch in der Entstehung (vgl. Abb. 1).
Er verfügt somit über ein deutliches Wachstumspotential. Für BIM kann auf bestehende Erfahrungen zurückgegriffen werden, wie zum Beispiel Change-, Innovations- und Lean-Management sowie das digitale Zeichnen. BIM ist, ebenso wie die gesamte Digitalisierung, kein Selbstzweck, sondern immer auf eine konkrete betriebliche Fragestellung bezogen. Daher gilt es, im Vorfeld einer Implementierung eine Strategie für das eigene Unternehmen zu entwickeln: Warum biete ich was in welcher Art und Weise für wen an? Wie kann mir die Digitalisierung dabei helfen? Was kann ich tun, um profitabel (weiter) arbeiten zu können? Und vor allem: Was wünscht sich mein Kunde?
Herausforderung BIM
Digitalisierung, Ordnungssysteme, Prozessoptimierung und veränderte Kundenwünsche (Dokumentationen, Sicherheiten) sind globale Entwicklungen, vor denen sich die Baubranche nicht verschließen kann. Dementsprechend gibt es Bemühungen, das digitale Planen, Bauen und Betreiben von Gebäuden voranzutreiben – zum Beispiel den entsprechenden politischen Willen, aktuelle Normierungsaktivitäten (ISO, CEN, DIN, VDI) und vereinzelte Vorreiter. Da der Einsatz von BIM mittelfristig absehbar und der Weg dahin noch gestaltbar ist, bietet dies sowohl Chancen als auch eine Risikominimierung für alle Beteiligten.
Bisher ist jeder größere Wechsel in den Abschnitten zum Errichten einer Immobilie meist mit Informationsverlusten verbunden: Entwicklung zur Planung, Planung zur Ausführung, Ausführung zum Betrieb. Der Schritt von der Planung zur Ausführung ist besonders kritisch, zumal die Planung bereits digital in 2D oder 3D abläuft, die Baustelle aber noch fast ohne Digitalisierung auskommt. Außer den gesetzlichen Rahmenbedingungen gibt es keine Standards für die bisherige, "traditionelle" Art der Zusammenarbeit. Das heißt: Jede Kooperation wird individuell vereinbart – ohne eine allgemein für die Branche übliche "Checkliste", die hilft, Prozesse zu vereinheitlichen.
Dies möchte der Stufenplan "Digitales Planen und Bauen" des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) ändern. Beim Einsatz von BIM soll zu Beginn vom Bauherrn die "Auftraggeber-Informations-Anforderung" (AIA) vorgelegt werden. Darauf aufbauend, erstellt das Planungsteam seinen "BIM-Abwicklungs-Plan" (BAP). Er dient dem Projektmanagement und beschreibt das Zusammenspiel der Beteiligten, auch Austauschformate und Übergabezeiten.
Planungsbüros können so ihre internen Prozesse einheitlich für neue Auftraggeber-Anforderungen gestalten und müssen nicht für jedes neue Projekt andere proprietäre Vorgaben erfüllen. Darüber hinaus muss BIM primär eine Kundenforderung sein – ähnlich den Akkreditierungsnormen. Als großer Auftraggeber geht die öffentliche Hand voran: Das Bauministerium (BMI) setzt bei Hochbauten mit einem geschätzten Baukostenvolumen ab fünf Millionen Euro auf BIM, das Bundesverkehrsministerium will dies ab 2020 generell tun. Wer also BIM anbieten kann, hat hier klare Wettbewerbsvorteile.
Zum erfolgreichen Einsatz der BIM-Methode gehören konsistent angewandte Prozesse und Regeln zum Erstellen, Weitergeben, Nutzen und Verwalten von Bauwerksdaten. Dies ermöglicht ein optimiertes Arbeiten, bei dem sich unter anderem der wiederholte Import von Daten oder das Suchen nach Informationen vermeiden lassen und sich Qualitäts-, Kosten- und Terminrisiken reduzieren. Ziel ist eine schlanke, datengestützte Projektabwicklung, so dass intelligente Datenmodelle die Effizienz und Produktivität bei der Realisierung von Bauten projektspezifisch steigern. Zudem kann mit ihnen eine integrierte Prozesskette – von der ersten Idee bis hin zum kompletten Lebenszyklus – angestoßen werden.
Die Planung, Steuerung, Dokumentation und Umsetzung von BIM erfordert in der Praxis neue, objektorientierte Arbeits-, Denk- und Kommunikationsweisen. Deshalb geht es bei der Implementierung der BIM-Methode weniger um eine technische Revolution als um eine neue Unternehmenskultur für alle Beteiligten. Zudem verändern die digitalen Möglichkeiten die Anforderungen und die Dynamik an Produkte, Dienstleistungen und Kundenwünsche. Um sie zu erfüllen, braucht es eine neue, engere Form der Zusammenarbeit innerhalb und zwischen den Unternehmen: Experten verschiedener Disziplinen müssen ihre Kenntnisse früher zusammenbringen und das jeweilige Gesamtsystem verstehen. Überdies werden die digitalen Technologien auch die Geschäftsmodelle vieler Unternehmen wandeln.
Schritte zum Einsatz von BIM
Vor einer BIM-Implementierung sollten sich Büroinhaber überlegen, was sie damit bewirken möchten, und die bisherigen Prozesse und Informationswege analysieren. Eine Vision und Strategie für die Zukunft betrifft dann die Ausrichtung des Unternehmens, seine Art der Digitalisierung und des Qualitätsmanagements sowie der Kommunikation. Übergeordnete Herausforderung ist, ganzheitliche Denk- und Handlungsweisen zu etablieren, damit jeder seinen Beitrag zum Gelingen eines Projekts auf Augenhöhe leisten kann. Hauptvorteil von BIM: Der gesamte Prozess ist standardisiert dokumentiert, was Personalwechsel und -vertretungen erleichtert.
Der Einsatz von BIM muss also zunächst von der Geschäftsführung eines Büros gewollt sein. Eine erste Bestandsaufnahme dafür kann eine Gegenüberstellung von den eigenen Stärken und Schwächen mit den äußeren Rahmenbedingungen bieten.
Diese sogenannte SWOT-Analyse – englisches Akronym für "Strengths" (Stärken), "Weaknesses" (Schwächen), "Opportunities" (Chancen) und "Threats" (Risiken) – beschreibt zunächst den Ist-Zustand. Wenn man ihr den angestrebten Soll-Zustand gegenüberstellt, ergeben sich die notwendigen Anhaltspunkte, welche Schritte angegangen werden müssen.
Fragen, die dabei zum Geschäftsmodell gestellt werden sollten, sind im Folgenden in Anlehnung an das Business Model Canvas aufgeführt (vgl. Abb. 5).
Ziel ist dabei, über die Anpassung an die individuellen Kundenwünsche die Zukunftsfähigkeit des eigenen Unternehmens zu sichern. Denn nur wenn ein Kunde mit ihrer Leistung glücklich ist, wird er einen Auftrag vergeben, wiederkommen und im idealen Fall eine Empfehlung aussprechen. Das schlägt sich auch in Zahlen nieder: Die Branchenstudie "Trust Matters – The High Cost of Low Trust" von Autodesk und der FMI Corporation zeigte jüngst, dass Unternehmen mit "sehr hohem" Vertrauen mehr Wiederholungsgeschäfte generieren, mehr Mitarbeiter behalten und einen höheren betrieblichen Erfolg erzielen als solche mit niedrigem Vertrauensniveau. Vertrauen wiederum setzt Haltung, Ideen und Service voraus.
BIM ist, was jeder daraus macht
Es gilt also zu überlegen, wer genau mein Gegenüber ist, um ihn erfolgreich binden zu können. Als Beispiel: Ein Auftraggeber, der gerne den Überblick über alles hat und strukturiert arbeitet. Für ihn ist es gewinnbringend, wenn Ideen gut und verlässlich umsetzbar sind, Planungssicherheit und Zuverlässigkeit herrscht. Mit dem Wertangebot des zu beauftragenden Unternehmens sollte er zu der Einschätzung gelangen: "Es ist zum langfristigen Erfüllen meiner eigenen Kernaufgaben wichtig. Dabei unterstützt es mich essentiell und hilft mir, Belastungen zu vermeiden." (vgl. Abb. 6).
Für den Erfolg der neuen digitalen Methode bei Bauvorhaben gilt es, zunächst die Menschen für den integralen Ansatz zu gewinnen, der ihnen auch neue Gestaltungschancen und eine schnellere Kommunikation eröffnet. Zum anderen muss die Technik erweiterungsfähig ausgelegt werden. Für das Implementieren von BIM im eigenen Büro empfiehlt es sich, an bereits vorhandene Strukturen anzudocken. So kommen nicht sämtliche Neuerungen auf einen Schlag, was in der Regel großen Widerstand erzeugt, sondern können schrittweise umgesetzt werden. Über eine Kooperation der sofort Veränderungswilligen sowie erste, sichtbare Fortschritte sollten nach und nach auch die anderen Kollegen zum Mitmachen bewegt werden. Dies führt dazu, Fachwissen laufend zu erweitern, indem Fähigkeiten entwickelt und Prozesse im Team verbessert werden.
Der Ansatz ist ein aktiver und aus den vorherigen Ausführungen abgeleitet: Die Geschäftsführung formuliert eine klare Überzeugung, mobilisiert über diese Fiktion Menschen zum Kooperieren und versucht darüber, weitere ins Boot zu holen, so dass aus einer plausiblen Idee eine Bewegung wird. Sie sollte im Idealfall dazu führen, dass ein Prozess angestoßen wird, der anschließend kontinuierlich abläuft: Strategische Planung, Umsetzung, Überprüfung, Verbesserung. Also ein Management im klassischen Sinne.
Abbildung 7 zeigt Überlegungen zur ersten Teamaufstellung, um in einem Büro BIM einzuführen. In der Startphase sollten es maximal zehn Experten sein, damit zielführend gearbeitet werden kann.
Es gibt drei wesentliche Voraussetzungen, damit das Team auch wirklich funktioniert:
- Das spezifische "Warum?" steht im Vordergrund – damit auch ein ergebnis- und zielorientiertes, ganzheitliches Arbeiten. Es geht nicht um persönliche oder berufsständische Eitelkeiten, sondern um den Erfolg des Projekts.
- Die verschiedensten Typen haben die gleiche Grundhaltung – sie sind neugierig, verantwortungsbewusst und denken ganzheitlich – bringen aber gleichzeitig unterschiedliches Know-how zum Implementieren von BIM ein.
- Es herrscht ein offener, ehrlicher, respektvoller Umgang und Austausch.
Kurz: Die Haltung/Einstellung der Menschen muss stimmen. Auch dies bedeutet einen Kulturwandel – hin zu einer "Ownership Culture", den selbstständigen, unternehmerisch denkenden Mitarbeitern, die keine "Befehlsempfänger" mehr sind. Hierfür sollten Führungskräfte ihre Rolle auch darin sehen, Mitarbeiter zu motivieren, zum Beispiel durch konstruktives, wertschätzendes Feedback.
Aber die Beharrungskräfte in über Jahrzehnten gewachsenen Strukturen sind oft enorm. Zudem haben die meisten an einem Bau beteiligten Unternehmen weniger als fünf Mitarbeiter. Für sie ist es schwierig, eine Person zum Einarbeiten in BIM freizustellen und obendrein in Hard- und Software zu investieren. Aber Kompetenzen können vermittelt werden. Mit jungen Mitarbeitern, Auszubildenden oder Studenten lassen sich Digitalisierungsmöglichkeiten relativ leicht ausfindig machen.
Möglicherweise gibt es auch Probleme in der Übergangsphase, wenn Teile der Projekte gleichzeitig mit BIM und andere noch "traditionell" bearbeitet werden. Auch können Anwendungsprobleme beim Einsatz der einzelnen Software-Tools auftreten. Deshalb ist es ratsam, Testphasen in überschaubaren Projekten durchzuführen und dabei Kernanwendungsfälle zu prüfen. Dies kann entweder innerhalb der Projektarbeit oder durch externe Kooperationen erfolgen, zum Beispiel mit Stakeholdern, Hochschulen, Start-ups und anderen Organisationen der Baubranche. Die Ergebnisse der Tests sollten sukzessive in die Projektarbeit Einzug halten. Auch hier gilt: Je öfter ich eine Sache tue, umso vertrauter bin ich mit ihr. Zudem muss klar werden, dass BIM auch wirklich reale Vorteile in der Geschwindigkeit und Güte der Projektumsetzung bringt, was den "administrativen Overhead" dieses Qualitätsmanagement-Systems für die konkrete Praxis rechtfertigt.
Moderierte Workshops können helfen, den dafür notwendigen Change-Prozess anzustoßen und zu gestalten. Die angestrebten Unternehmensziele sollten am besten für jedes neue Geschäftsmodell und die damit avisierten Kunden durchgespielt werden, um daraus Argumente und Prototypen zu entwickeln. Diese sind anschließend zu testen, gegebenenfalls anzupassen oder zu verändern. Darauf dürften Planer von ihrer Ausbildung und Praxis her relativ gut eingestellt sein. Denn sie sind es gewohnt, zum Teil widerstrebende Anforderungen miteinander in Einklang zu bringen. Im Innovationsmanagement heißt dieser Ansatz "Design Thinking".
Innovation = schöpferische Zerstörung
BIM wird die Planung, den Bau und Betrieb von Gebäuden grundlegend verändern: Eine integrale Planung erfordert eine frühzeitige Kooperation der Gewerke und neue, objektorientierte Arbeits-, Denk- und Kommunikationsweisen. Gleichzeitig eröffnen das BIM-Management, die -Koordination und Service-Leistungen (wie Visualisierungen) neue Chancen und Geschäftsfelder. Diese können sogar zu einem "Blue Ocean" führen. Das heißt, zu einer Dienstleistung oder einem Produkt, das so noch keiner anbietet. Gehen Sie für die Ideenfindung mit offenen und wachsamen Augen durch die Welt: Mit was lassen sich Kundenprobleme wirklich lösen?
Das Geschäftsmodell eines Unternehmens ist kontinuierlich zu bearbeiten. Mit dem Etablieren von BIM gehen strukturierte Prozesse und ein projektorientiertes Arbeiten einher, was letztlich allen dient. Aber die dafür relevanten Themen "Change", "Personal" und "moderne Führung" sind Herausforderungen. In Deutschland gilt es zudem, die gewachsenen klein- und mittelständisch geprägten Strukturen zu berücksichtigen. Die Digitalisierung ist folglich eine Gesamtaufgabe für jeden Akteur aus Politik, Wirtschaft und Bildung. Künftiger Diskussionspunkt: Soll ein Audit dokumentieren, dass eine BIM-Umsetzung den geltenden Standards entspricht?
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