Schülerinnen und Schüler sitzen bei weit geöffneten Fenstern eingehüllt in dicke Jacken und Decken in ihren Klassenzimmern: Alltag an vielen Schulen in Pandemie-Zeiten, um per Frischluft von außen die Innenraumluftqualität zu optimieren und einer Virenverbreitung vorzubeugen. Effektiver und komfortabler wäre eine Nachrüstung der Klassenräume mit einer Lüftungsanlage. Dieser Beitrag erläutert Hintergründe und Details einer solchen Maßnahme.
Nachrüstung dringend erforderlich!
Lüftungsanlagen sichern bessere Lernqualität in Schulen und Bildungseinrichtungen
Freitag, 26.03.2021
Die Corona-Pandemie hat mehr als deutlich veranschaulicht, welche Mängel in Sachen Innenraumluftqualität nach wie vor in den Schulen und Bildungsstätten vorzufinden sind. Über 90 Prozent dieser Einrichtungen verfügen über keine mechanische Lüftungsanlage, sondern werden noch immer ausschließlich über die Fenster be- und entlüftet. Und dies, obwohl nicht erst seit Ausbruch der Pandemie bekannt ist, dass eine reine Fensterlüftung nicht genügt und ein ausreichender und kontinuierlicher Luftwechsel in Klassenräumen nicht nur zur Minimierung einer Ansteckungsgefahr bei Viruserkrankungen wichtig ist. Eine unzureichende Lüftung in einem Klassenraum führt zwangsläufig zu einer schnellen und drastischen Erhöhung von Schadstoffbelastungen, die sowohl die Konzentration als auch die Gesundheit der Schülerinnen und Schüler sowie Lehrenden negativ beeinflussen.
Luftreiniger reichen nicht
Ein wichtiger Indikator zur Feststellung der Innenraumluftqualität ist die CO2-Konzentration, die bereits durch Prof. Pettenkofer im 19. Jahrhundert mit einem max. Grenzwert von 1.000 ppm (parts per million) definiert wurde und noch heute als Zielwert auch in der VDI-Richtlinie 6040 (Raumlufttechnik - Schulen) zu Grunde gelegt wird.
Um mindestens diesen Standard zu erreichen und die Innenraumluft langfristig auf konstant hohem Qualitätsniveau zu halten, sind die mit begrenzten Finanzmitteln in den Schulen angeschafften mobilen Luftreiniger nicht geeignet. Diese Geräte haben zur Bekämpfung der aktuellen Corona-Lage ihre Berechtigung – aber nur als Ergänzung zur reinen Fensterlüftung, um mögliche virenbelastete Aerosole aus der Raumluft abzuscheiden. Im Gegensatz zu einer professionellen Lüftungsanlage stellen Luftreiniger aber keinen kontinuierlichen Luftaustausch sicher und können nach der Pandemie eigentlich stillgelegt werden.
Vorteile von Lüftungsanlagen
Lüftungsanlagen sind eine langfristige und nachhaltige Lösung, um die empfohlenen Werte einer gesunden Raumluftqualität sicherzustellen – auch in Nicht-Corona-Zeiten. Zu den zahlreichen Vorteilen gehören:
- Ausreichende Frischluftzufuhr während der kompletten Nutzungsdauer – und wenn gewünscht, auch darüber hinaus – und bei Vollbelegung des Raumes
- Bedarfsgeregelte Luftmenge in Abhängigkeit des gemessenen CO2-Niveaus im Klassenraum – automatisch und ohne, dass der Nutzer eingreifen muss
- Filterung der evtl. mit Feinstäuben und Pollen belasteten Außenluft und somit Zufuhr gereinigter „Allergiker freundlicher“ Frischluft
- Keine Geräuschbelästigung durch Außenlärm – wie dies bei geöffneten Fenstern häufig der Fall ist
- Keine Wärmeverluste durch weit geöffnete Fenster
- Energieeinsparung durch integrierte Wärmerückgewinnung im Winter
- Bedarfsorientierte und frei einstellbare Zuluft-Temperatur
- Wetterunabhängige Lüftungseffektivität
- Ausreichende Abfuhr der im Klassenraum freigesetzten, virenbelasteten Aerosole
- Im Sommer kann durch Betrieb der Anlage in der Nacht der tagsüber aufgeheizte Klassenraum wieder abgekühlt werden
Unterscheiden lassen sich Lüftungsanlagen generell in zentrale, semizentrale und dezentrale Systeme. In Schulen oder Bildungseinrichtungen versorgt bei zentralen Systemen ein Lüftungsgerät vom Dach oder einer Technikzentrale aus eine größere Anzahl an Klassenräumen über mehrere Etagen. Bei semizentralen Systemen werden mehrere Klassenräume auf einer Etage von einem Lüftungsgerät be- und entlüftet. Dezentrale Lüftungsgeräte hingegen sind üblicherweise direkt im Klassenraum installiert und sorgen für die Be- und Entlüftung dieses einen Raumes.
Kriterien für die Systemwahl
Der Einbau einer Lüftungsanlage hängt von mehreren Faktoren ab und muss für jede Gebäudesituation individuell geplant werden. Im Neubau lassen sich in der Regel alle Systemarten realisieren, während für die Nachrüstung in Klassenräumen sich vor allem dezentrale bzw. semizentrale Lösungen bewährt haben.
Bei der Planung und Auswahl einer Lüftungsanlage gilt es, folgende Positionen zu berücksichtigen:
- Bautechnische Rahmenbedingungen (Architektur, Konstruktion der Gebäudehülle)
- Standort und Gebäudeausrichtung
- Raumvolumina und Raumtiefen
- Raumaufteilung
- Belegungsdichte der Räume, abzuführende Lasten und Nutzung
- Einrichtung der Klassenräume
- Raumlufttechnische Auslegung
- Neubau oder Gebäudesanierung
- Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit
Dezentrale oder semizentrale Systeme bieten bei einer Nachrüstung den Vorteil, dass sich der Einbau der Lüftungsgeräte auf mehrere Bauabschnitte aufteilen lässt. So können einzelne Teilbereiche im begrenzten Zeitraum, etwa während der Ferien, ausgestattet und danach der Schulbetrieb ungestört fortgeführt werden. Darüber hinaus lässt sich durch diese Vorgehensweise auch das Budget auf mehrere Bauabschnitte aufteilen.
Dezentrale Anlagen punkten bei der Nachrüstung zudem damit, dass sie keine Verlegung von Lüftungskanälen für die Zu- und Abluft benötigen. Die Zuluft wird unmittelbar aus dem Gerät in den Klassenraum geführt, die Abluft mit einem direkten Ablufteingang am Gerät angesaugt. Bauliche Maßnahmen bestehen lediglich aus Kernbohrungen, um Außenluftansaugung und Fortluftabführung über die Fassade sicherzustellen. Hier ist es wichtig, diese Fassadenöffnungen in jedem Klassenraum exakt zu planen. Um die Geräte möglichst dezent in die Klassenraumumgebung zu integrieren, gibt es Zwischendeckenvarianten, bei denen der Großteil des Gerätes innerhalb der abgehängten Decke verbaut und so optisch kaum mehr wahrnehmbar ist.
Des Weiteren bieten dezentrale Lüftungsgeräte durch integrierte Bewegungs- sowie CO2-Sensoren die Möglichkeit einer komplett autarken und bedarfsgeregelten Betriebsweise. Sobald der Raum genutzt wird, schaltet sich die Anlage automatisch ein. Die Anpassung der Luftmenge erfolgt ebenfalls automatisch in Abhängigkeit des gemessenen CO2-Niveaus. Bei Bedarf können dennoch manuelle Einstellungen vorgenommen werden – sei es direkt im Klassenzimmer oder über ein BMS (Building Management System).
Besteht die Option, das Lüftungsgerät in einem gesonderten Raum oder in der Zwischendecke zu platzieren, bieten sich auch semizentrale Lösungen an. Hier sollten die Lüftungsanlagen mit Volumenstromreglern pro Klassenraum ausgestattet werden, die – angesteuert über die entsprechenden Sensoren – die bedarfsgerechte Regelung der Luftmengen sicherstellen (Konstantdruckregelung).
Mindest-Außenluftvolumenströme
Um eine ausreichende Innenraumluftqualität in normalen Nutzungsszenarien zu gewährleisten, hat sich die Auslegung der benötigten Luftmenge gemäß DIN EN 16798-1 (Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden - Teil 1: Eingangsparameter für das Innenraumklima zur Auslegung und Bewertung der Energieeffizienz von Gebäuden bezüglich Raumluftqualität, Temperatur, Licht und Akustik) Kategorie II bewährt. Soll die Anlage auch eine ausreichende Be- und Entlüftung für den Pandemiefall berücksichtigen, empfehlen Experten die Auslegung gemäß der Kategorie I.
Den vollständigen Artikel finden Sie in folgender Ausgabe: HeizungsJournal - Heft 4-5, April 2021
Sie haben eine Frage zu diesem Artikel? Dann stellen Sie der Redaktion hier Ihre Fachfrage!