Mit dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) werden PV-Anlagen und das indirekte elektrische Heizen via Wärmepumpe noch attraktiver. Und das direkte elektrische Heizen wird wieder hoffähig. Der Auslauf der Förderung von 20 Jahre alten PV-Anlagen verunsichert allerdings die Betreiber: abschalten oder umstrukturieren? Das HeizungsJournal unterhielt sich über diese und andere Themen aus dem Strom- und Stromgerätegeschäft mit Karlheinz Reitze, Geschäftsführer der Viessmann PV + E-Systeme GmbH. Die Gesellschaft ist für das Elektrobusiness der Unternehmensgruppe zuständig.
Wege zum vollelektrischen Haus
Interview mit Karlheinz Reitze, Geschäftsführer der Viessmann PV + E-Systeme GmbH
Samstag, 08.05.2021
Nach dem GEG dürfen Anteile des erneuerbaren Stroms, der aus der PV-Anlage auf dem eigenen Dach stammt, vom Primärenergiebedarf des Objekts in Abzug gebracht werden. § 23 GEG gibt Pauschalwerte wie auch das Berechnungsschema zur Bestimmung jener Teilmenge des solaren Gesamtertrags vor, die kalkulatorisch der Beheizung und der Brauchwarmwasserbereitung zugute kommt. Das neue Gesetz gestattet die Verrechnung mit dem Primärenergiebedarf selbst bei Einbau von elektrischen Direktheizungen. PV-Kollektoren reduzieren mithin die Baukosten für das GEG-konforme Haus spürbar beziehungsweise heben bei ordentlicher thermischer Isolierung der Hülle das energetische Niveau auf den KfW - Effizienzhaus-Standard mit seiner erheblichen finanziellen Unterstützung. Es muss dafür nicht einmal eine Wärmepumpe sein.
Während sich also im Neubau Klimaschutz bezahlt macht – umweltbezogen ohnehin –, drohte frühe Nachhaltigkeit im Altbau bestraft zu werden. Nicht nur, dass 20 Jahre alte PV-Installationen am 31. Dezember dieses Jahres aus der Förderung fallen, die Netzbetreiber sind nach geltender Rechtslage nicht einmal verpflichtet, bei so genannten Ü20-Anlagen den Strom abzunehmen. Wenn, dann nur gegen Aufwandsentschädigung durch den Einspeiser. Es sei denn, der Eigentümer kümmert sich aktiv um einen Käufer für seine Kilowattstunden, steigt folglich auf Direktvermarktung um. Oder er investiert in die Nachrüstung einer Haustechnik, die den Eigenverbrauch zulässt. An der Rentabilität der Selbstnutzung nagt jedoch die dann fällige EEG-Umlage von 40 Prozent des aktuellen Satzes, ergo rund 3 Cent/kWh. Inwieweit sich die eine oder die andere Alternative rechnet, hängt natürlich auch von Zustand und Effizienz des Vorhandenen ab.
Ein Hoffnungsschimmer, nicht aktiv werden zu müssen oder abzuschalten, zeigt sich indes am Horizont: Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) will für die anstehende EEG-Novelle eine Anschlussregelung für Ü20-Anlagen beschließen. Es bleibt abzuwarten, ob die Regelung attraktiv genug ist, um mehr als nur eine Ergänzung der Optionen zu sein. Eines zeichnet sich in jedem Fall ab, bewertet man die Gesetze, Verordnungen, Förderungen, die Bauausführungen, die Klimaschutzziele und auch das wachsende Umweltbewusstsein – das Zeitalter der fossilen Brennstoffe geht relativ rasch dem Ende zu. Die Industrie ist dabei, sich mit neuen Produkten und Dienstleistungen darauf einzustellen: Der vormalige Kesselhersteller Viessmann sieht sich heute mit seiner Vielzahl von Produkten und Systemen als Anbieter von Klimalösungen für quasi jeden Anwendungswunsch. Energetisch kann es bis zum vollelektrischen Haus gehen. Vollelektrisch heißt in der ersten Stufe: ohne fossile Brennstoffe, Richtung Wärmepumpe. In der zweiten: ohne wasserbasierte Systeme, Richtung elektrische Direktheizung als Alternative. Im Angebot der Allendorfer fehlt jedenfalls nichts. Selbst die Stromspeicher werden im eigenen Werk produziert.
Dienstleistungsmäßig bietet Viessmann bereits mit der Gründung der „ViShare Energy Community“, welche von der Viessmann-Tochtergesellschaft Energy Market Solutions GmbH (EMS), Berlin, betrieben wird, eine Lösung auf die noch ungeklärte Situation in der Einspeisung von PV-Strom aus Altanlagen an. „ViShare“ kümmert sich um die Abnahme und bietet einen Tarifrechner, mit dem die Wirtschaftlichkeit von Eigenverbrauch erkundet werden kann, sogar mit Berücksichtigung eines Batteriespeichers. Karlheinz Reitze ist auch für diesen Geschäftsbereich verantwortlich.
Die älteren, die ersten PV-Anlagen des Jahres 2000 fallen jetzt aus der Förderung heraus. Sie müssten eigentlich abgeschaltet werden, weil die Netzbetreiber nicht mehr verpflichtet sind, für den Strom etwas zu bezahlen. So final soll es nun doch nicht sein. Der Entwurf des EEG 2021 sieht eine Übergangsregelung vor. Was ist im Gespräch, Herr Reitze?
Das EEG ist noch im Fluss. Ende Oktober 2020 war die erste Lesung. Der Bundesrat hat Vorschläge und Änderungswünsche eingebracht. Im EEG ist vorgesehen, dass die PV-Anlagen, deren Förderdauer jetzt ausläuft, nicht vom Netz genommen werden, sondern, da sie ja funktionieren, weiterhin erhalten bleiben sollen. Im Gespräch ist eine Vergütung in Höhe des Marktwertes abzüglich der Vermarktungskosten.
Warum sollten die denn abgeschaltet werden, warum keine Eigennutzung?
Für die Eigennutzung benötigen Sie natürlich entsprechende Verbraucher. In die müssten Sie investieren. Solange Konsumenten in der Förderung sind, bestehen klare Verhältnisse. Sie melden ihre PV-Anlage an und das Stadtwerk oder der Netzbetreiber haben anzuschließen. Ohne eine Nachfolgeregelung können sie zwischen drei Möglichkeiten wählen: Sie nehmen die ganze Anlage vom Netz oder sie vermarkten den eigenerzeugten Strom selbst oder sie investieren in Produkte, die es ermöglichen, den eigenerzeugten Strom selbst zu verbrauchen. Am besten ist natürlich die Kombination.
Wie sähe so eine Kombination aus?
Zunächst will der Gesetzgeber wohl dafür sorgen, dass auch die Versorger zukünftig in der Pflicht sind, den Strom zum Marktwert zu nehmen. Aber wie gesagt, man wird die Vertriebskosten abziehen und hätte auch noch weitere Aufwendungen zu tragen. Des Weiteren diskutiert man noch über die EEG-Umlage für eigenverbrauchten Strom. Bisher entfällt die Umlage, wenn die Leistung der Anlage zehn Kilowatt nicht übersteigt und nicht mehr als zehn Megawattstunden selbst verbraucht werden. Der Entwurf sieht eine Ausweitung der Leistungsgrenze vor. Demnach müssen künftig auch Anlagenbetreiber von Anlagen bis 20 kW Leistung keine EEG-Umlage zahlen, wenn sie nicht mehr als zehn Megawattstunden Strom im Jahr selbst verbrauchen. Falls mehr, ist jedoch die EEG-Umlage zu entrichten. Das alles macht das Einspeisen unattraktiv.
Deshalb ist der größte Nutzen für den Endanwender tatsächlich, den selbst erzeugten Strom möglichst selber zu verbrauchen. Als Möglichkeiten bieten sich an: eine Wärmepumpe und die Installation eines Stromspeichers, eine Brauchwasserwärmepumpe in Kombination mit einer Infrarotheizung oder ein Speicher mit Elektroheizstab, eine Wallbox für den Anschluss eines Elektroautos und anderes, um so viel wie möglich selbst zu nutzen. Immerhin kostet heute der Netzstrom rund 30 Cent je Kilowattstunde.
Fünf bis acht Prozent Rendite
Was Sie da aufgezählt haben, das geht doch alles erheblich ins Geld.
Das haben wir bei der „ViShare Energy Community“ einmal aufgelistet. „ViShare“ verfolgt den gesetzgeberischen Fortschritt genau und wird sich um die Stromeinspeisung kümmern, dazu braucht man sich also keine Gedanken zu machen. Gleichzeitig empfehlen wir den Interessenten, in elektrische Verbraucher, wie aufgelistet, zu investieren. Ein Stromspeicher hat einen Bruttolistenpreis von rund 5.715 Euro, plus Installationsaufwand. Damit können Sie die Eigenverbrauchsquote auf 40 Prozent anheben – die Autarkie sogar auf 75 Prozent. Durch die Einsparung kann eine Rendite von etwa sechs Prozent, bezogen auf die Investition, eingefahren werden. Bei einer Photovoltaikanlage, kombiniert mit einer Brauchwasserwärmepumpe, liegt die Rendite bei fünf Prozent. PV in Verbindung mit einer Infrarotheizung nahe der Sitzecke beschert eine Rendite von acht Prozent. „ViShare“ bemüht sich, Strombezug und Stromverbrauch nach Preis und Verfügbarkeit zum Nutzen der Community zu steuern.
Also „smart“ zu steuern. Was zahlen Sie mir denn für meinen Strom?
Ihr Stromtarif ist abhängig von dem jeweiligen Versorgungsgebiet, in dem Sie Kunde sind. Das hat unter anderem mit Netzentgelten zu tun. Es gibt Tarifrechner auf der „ViShare“-Homepage, da können Sie jederzeit Ihre Einspeisung simulieren und nachschauen, was Sie dafür bekommen würden. Ich denke aber, Ihre Frage sollte lauten: Wie viel Strom speise ich denn überhaupt noch ein? Denn: Mit jeder Kilowattstunde, die Sie selbst verbrauchen, sparen Sie Strombezug von etwa 30 ct/kWh ein. Das ist der größte Hebel, am besten Sie speisen gar nicht mehr ein.
Sind diese Angebote schon draußen? Machen PV-Betreiber, die keine Förderung mehr erhalten werden, bereits mit?
Das Interesse ist hoch, aber konkrete Anfragen und Bautätigkeiten noch rar, weil erst zum 31. Dezember 2020 die ersten Anlagen aus der Förderung laufen. Wir rechnen allerdings mit einer stark steigenden Nachfrage.
Herr Reitze, auf Vorträgen sagen Sie, das zukunftsfähige Haus ist elektrisch. Dieses Haus ist, meine ich, in erster Linie wohl der Neubau. Der ist aber nicht allein für die Energiewende, die Wärmewende zuständig. Dafür ist der Bestand zuständig. Was bieten Sie Elektrisches für den Bestand? Ja, gut, die Wärmepumpe. Damit wird das Haus noch nicht nachhaltig vollelektrisch. Aus der Steckdose kommt noch Fremdstrom mit fossilen Anteilen.
Da haben Sie natürlich recht, letztendlich lassen sich im Neubau PV, Speicher, Lüftung, Wärmepumpe oder Elektroheizung, Energiemanagementsysteme und so weiter am einfachsten realisieren. Zum Teil bestehen die Voraussetzungen auch im Bestand, wenn eine Ölheizung oder eine alte Gasheizung gegen eine Wärmepumpe ausgetauscht wird, weil gleich auch die Fenster erneuert worden sind, eine Wärmedämmung erfolgte, also eben der Wärmebedarf entsprechend reduziert wurde. Da sind auch heute schon Wärmepumpen ideal für die Umrüstung. Wir könnten PV aufs Dach legen, wir können die Wärmepumpe mit einem Speicher kombinieren, um den Eigenverbrauch zu erhöhen, eine Wallbox für das E-Auto integrieren und anderes mehr. Wir sind im nächsten Jahr speziell für den Sanierungsbereich mit dem Thema Wärmepumpe noch besser gerüstet. Lassen Sie sich überraschen.
Als zweite Lösung bietet sich unser Brennstoffzellenheizgerät an. Gas ist mehrheitlich im Bestand vorhanden, das ist natürlich ideal. Sie produzieren Wärme und parallel Strom und wenn Sie die Brennstoffzelle mit PV, Batterie, einer Wallbox und mit einem Energiemanagement kombinieren, reduzieren Sie die Emissionen gegenüber dem alten Gaskessel in der Größenordnung um etwa 50 Prozent, wenn man die Stromerzeugung im Kraftwerksmix mit einbezieht. Übrigens: Auch hier können Sie mit dem Tarifrechner der „ViShare Energy Community“ schnell und unkompliziert berechnen, wie stark Sie Ihre Stromkosten senken werden.
Der „Green Deal“
Momentan lebt die Brennstoffzelle von der hohen Förderung. Wie ihre Zukunft ohne die staatliche Unterstützung aussieht oder aussehen könnte, sollte einmal das Thema eines zweiten Gesprächs mit Ihnen sein, Herr Reitze. Sie braucht zudem Wasserstoff oder Erdgas, also einen zweiten Energieträger. Das verträgt sich schlecht mit dem vollelektrischen Haus. Aber zurück zur aktuellen Energiewende: Es wird zu einer Verschärfung der europäischen und damit der deutschen Klimaschutz-Regelungen kommen. Das Europäische Parlament hatte im Oktober über die Aktualisierung des EU-Klimaziels für 2030 abgestimmt. Es spricht sich für eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 60 Prozent, bezogen auf 1990, bis 2030 aus. Die derzeitigen Regelungen sehen lediglich 40 Prozent vor, die Kommission schlägt 55 Prozent vor. Das neue Ziel ist ein Kernpunkt des sogenannten „Green Deal“. Ich denke mal, Viessmann hat das Ohr ganz nah an Brüssel. Was kommt auf den Wärmemarkt und auf die Technische Gebäudeausrüstung (TGA) zu?
Der „Green Deal“ will die EU-Länder mit vielen verschiedenen Maßnahmen bis 2050 klimaneutral machen. Das heißt: CO2-Reduktion in allen Sektoren, in der Industrie, in der Energiewirtschaft, im Verkehr, in der Landwirtschaft, im Gebäude. Das Gebäude hat bekanntlich einen großen Anteil daran. Die direkten Emissionen aus Feuerungen betragen, laut Bundesumweltministerium, 14 Prozent, verdoppeln sich aber auf rund 30 Prozent, wenn man die indirekten Emissionen dazu addiert, die etwa anteilig im Kraftwerk und im Heizwerk für Haushaltsstrom und Fernwärme anfallen. Tatsächlich kommt da viel Arbeit auf uns zu. Nach Plänen der EU-Gebäude-Renovierungsstrategie sollen bis 2030 europaweit insgesamt 35 Mio. Gebäude energetisch modernisiert werden. Das entspricht einer Verdopplung der Sanierungsrate auf zwei Prozent jährlich. Das Vorhaben soll auch über den im Zuge der Corona-Krise aufgestellten Aufbauplan „Next Generation EU“ gefördert werden. Die Renovierungsstrategie hatte die Europäische Kommission am 14. Oktober vorgestellt.
Stellt die Kommission konkrete Forderungen an den Wohnbereich?
Sie erwartet eine Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen im Wohnbereich um 60 Prozent, eine drastische Erhöhung des Anteils von erneuerbaren Energien einschließlich Abwärmerückgewinnung von 38 bis 42 Prozent. Die Renovierungsstrategie enthält jede Menge Vorschläge, weil die Kommission weiß, dass ein erfolgreicher „Green Deal“ zur Klimawende nur über die Gebäude geht. Die vorhin genannten 55 oder 60 Prozent Gesamtreduzierung sind nur erreichbar, wenn das Gebäude im Fokus steht. Die Kommission möchte damit dem Rückgang von Investitionen durch Corona entgegensteuern. Die Kombination Wiederaufbau, Effizienz und Erneuerbare kann Wirtschaft und Klimaschutz effektiv stärken. Wir schaffen dies am besten, wenn wir erneuerbaren Strom und Elektrifizierung von Wärme zusammen denken. Wir müssen ja PV-Kapazitäten und strombasierte Heizung weiter hochfahren – optimierter Eigenverbrauch von on-site-PV hilft dabei der Netzintegration.
Ein anderer Punkt. Kürzlich sagte ein Autohändler, er könne mit einem Laptop jedes vollelektrische Auto gegen ein anderes Auto steuern. Wenn wir das vollelektrische Haus haben, wird das Wohnen nicht gefährlich?
(Lacht). Nein, nicht gefährlicher als heute auch. In der Heizungs- und Elektroindustrie achten wir besonders auf Cybersicherheit – bei Viessmann hat das selbstverständlich sehr hohen Stellenwert. Bei uns arbeiten Experten, die sich mit nichts anderem beschäftigen, als solche Dinge zu verhindern. Wir nutzen doch heute alle schon WLAN und müssen uns schon jetzt um Eintrittsbarrieren kümmern. Die Industrie hat, und das ist auch speziell das Anliegen von Viessmann, die höchsten Sicherheitsstandards. Wir setzen alles daran, dass so etwas nicht passiert. Aber die Frage ist doch: Welche Motivation sollte ein Hacker haben, bei uns ins Gebäude reinzugehen und an der Heizung oder der Warmwasserbereitung zu drehen?
Neues Berufsbild „E-Integrator“
Ich gebe Ihnen ja recht. Ich will den Punkt auch nicht strapazieren. Nur ist mir so ein bisschen unwohl dabei, akzeptieren zu müssen, dass jemand von außen unter Umständen Zugriff auf Dinge hat, die er eventuell vorher nicht hatte. In diesem Zusammenhang aber eine wohl wesentlichere Frage: Haben wir denn installationsseitig überhaupt die Leute für das zukunftsfähige Haus?
Die Frage ist tatsächlich wesentlich, da gebe ich Ihnen absolut recht. Wir verfolgen deshalb schon eine geraume Zeit die Entwicklung im Handwerk. Die Herausforderungen beginnen doch schon mit der Wärmepumpe, mit PV, mit dem Batteriespeicher oder mit dem Energiemanagement. Wir brauchen ein ganz neues Berufsbild. Der Elektrobereich ist dabei, solch ein neues Berufsbild zu schaffen: den Elektroniker für Gebäudesystemintegration. Der wird dafür ausgebildet, die Anschlüsse für Elektro, für Sanitär, Heizung und andere Komponenten im Haus zu verbinden. Einen entscheidenden Vorteil haben Mischbetriebe, die beide Gewerke in ihrem Unternehmen anbieten. Aber auch Heizungsunternehmen und Elektrounternehmen arbeiten hier bereits in Partnerschaften zusammen. Wir unterstützen weiterhin das Bilden von Netzwerken, wo wir Elektro- und Sanitär-Heizungsbetriebe zusammenbringen.
Warum bieten Sie, die Industrie oder auch der Großhandel, solche Serviceleistungen nicht selbst an? Ohne Ihre Kompetenz bleibt die Wärmewende auf der Strecke.
Wir stehen parat, wenn das Handwerk und Verbraucher Unterstützung benötigen.
2019 auf der ISH stand unser Wandel vom Heizungshersteller zum Lösungsanbieter im Zentrum unserer Präsentation. Dieses Konzept verbindet Produkte und Systeme über Plattformen nahtlos mit digitalen Services und Dienstleistungen. Wesentliches Element des integrierten Lösungsangebots ist die Konnektivität. Bestehende Anlagen bis zurück ins Baujahr 2004 können über „Vitoconnect“ und die neue Produktgeneration direkt über „Connectivity Inside“ verbunden werden. Damit ist jede Viessmann-Anlage upgradefähig. Über die Plattform wibutler werden alle wesentlichen Anwendungen im Haus intuitiv vernetzt, ganz gleich ob von Viessmann oder vielen anderen Herstellern. Aber natürlich müssen wir auch in diesen Bereichen qualifizieren. Das fängt an mit Schulungsmaßnahmen, mit Planungsunterstützung, mit Inbetriebnahmeunterstützung.
Sie selbst werden aber nicht in die E-Installation hineingehen?
Nein, das macht keinen Sinn. Wir können nur die Betriebe, die entsprechendes Interesse haben, unterstützen. Die Nachfrage ist da. Eine Zahl dazu: Als im Frühjahr die Corona-Krise ihren Lauf begann, haben wir das komplette Schulungsprogramm unserer Akademie in Allendorf virtuell umgestellt. In den ersten drei Monaten registrierten wir 40.000 Schulungen. In acht Sprachen. Es zeigt, das Interesse an neuen Produkten und Innovationen, an Systemlösungen ist vorhanden.
Wo sehen Sie denn eine größere Innovationsfreudigkeit, bei den Elektroleuten oder im SHK-Fachhandwerk?
Es halten sich beide Gewerke die Waage. Es gibt auf beiden Seiten unglaublich innovative Betriebe wie ebenfalls Unternehmen mit Beharrungsvermögen: Ich brauche das nicht, ich weiß schon, wie ich mein Geschäft zu machen habe. Der Elektrobereich entdeckt jetzt, naturgemäß, etwas stärker das Thema Wallbox und das elektrische Komplettgebäude. Auch die Heizungsbauer merken: Ohne Elektro, ohne Batteriespeicher und ohne Wärmepumpe kann ich in Zukunft den Markt nicht mehr bedienen. Die Bundesländer Hamburg, Bremen und Baden-Württemberg haben bereits eine Photovoltaik-Pflicht für gewisse Neubauten eingeführt, die in den kommenden Jahren greifen soll. In Bayern und Berlin wird zurzeit an ähnlichen Regelungen gearbeitet. In Baden-Württemberg tritt die Vorschrift 2022 in Kraft, zunächst für Nicht-Wohngebäude mit geeigneter Dachfläche. Hamburg folgt ab 2023. Aktuell wird dies auch von der Bundesumweltministerin Svenja Schulze öffentlich gefordert.
Deshalb auch Ihr Engagement in elektrische Heizungen?
Ja. Wir verstärken uns in diesem Sektor. Im vorletzten Jahr haben wir Anteile an der Etherma GmbH gekauft, ein Hersteller von Elektroheizungen, wie Infrarotheizungen und elektrische Fußbodenheizung. Anfang dieses Jahres haben wir die Firma Kospel übernommen, ein polnischer Hersteller von Durchlauferhitzern, Elektrokesseln und Warmwasserspeichern mit 500 Mitarbeitern. Des Weiteren gehört zur Viessmann-Gruppe wibutler. Das Start-up-Unternehmen ist 2012 als Ausgründung der FH Münster entstanden. Es ist auf herstelleroffene Smart-Home-Lösungen spezialisiert. So können über eine Basisstation, die mehrere Funkstandards unterstützt, ganz unterschiedliche Produkte vernetzt und über eine App gesteuert werden. Wir sind für das vollelektrische Haus gerüstet. Darüber hinaus produzieren wir Stromspeicher, Wärmepumpen und Lüftungsgeräte seit vielen Jahren in unseren eigenen Werken.
Viessmann und E-Mobilität
Was tun Sie für die E-Mobilität?
Wir können in unsere „Gridbox“ auch Wallboxen einbinden. Die „Gridbox“ verbindet strombasierte Komponenten mit Wärmeerzeugern und bietet darüber hinaus den Einstieg in die E-Mobilität. Auf Tablet oder Smartphone hat der Anwender alle Energieflüsse im Blick. Zum Beispiel: Unsere „Gridbox“ liest über die Wallbox die Autobatterie aus und das Energiemanagement sorgt dafür, dass am nächsten Morgen genügend Strom für die gewünschte Reichweite zur Verfügung steht. Die Reichweite geben Sie wie benötigt ein, zum Beispiel 60 km oder 200 km. Die entsprechende Beladung hat dann Priorität.
Ich hatte kürzlich bei Tesla die Wärmepumpe als Heizungssystem im Modell „Y“ gesehen. Wegen ihres geringen Stromverbrauchs verlängert sie die Reichweite. VW baut eine Wärmepumpe im „ID 3“ ein, Hyundai ebenfalls in einem Typ. Sie sind Wärmepumpenspezialist: Befassen Sie sich auch mit dieser Anwendung?
Im Moment steht das nicht auf dem Plan. Wie gerade am Beispiel beschrieben, sehen wir das Thema Elektroauto eher bis zur Wallbox. Das Haus bietet noch Anwendungen genug. Wie gesagt, mit dem GEG ist die Zeit für Elektrosysteme sehr, sehr interessant geworden. Mit der Möglichkeit, die Photovoltaik vom eigenen Dach mit dem Primärenergiebedarf des Hauses zu verrechnen. Damit sind die Voraussetzungen für rein elektrische Anwendungen im Neubau gegeben. Das war vorher nicht der Fall. Unsere Partner im Handwerk sollten sich damit beschäftigen und den Endkunden zukunftsfähige Gesamtsysteme anbieten. Wir stehen Gewehr bei Fuß. Wir helfen bei Planungen, bei Installationen und geben Unterstützung. Und wir haben unter der Marke Viessmann die komplette Produktpalette, von der PV-Anlage, Wärmepumpe, Batteriespeicher, Elektrodurchlauferhitzer, Lüftungsanlage bis hin zum Energiemanagement wie auch zur Konnektierung mit Fremdprodukten durch wibutler.
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